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Kein Vorspiel, aber Straßen mit Musik

Sie spielen fröhlich mit Gitarre oder traurige Weisen auf dem Akkordeon, singen kräftig von Jamaica oder zupfen vorsichtige an der Geige herum: Straßenmusiker gehören wie überall auf der Welt auch und vor allem in Bardentreffen-Nürnberg unbedingt zum Stadtbild. Doch während hier die Fußgängerzone schon einmal ganztags Gelegenheit bekommt, „Streets of London“ wahlweise zu lieben oder lieben zu lernen, reguliert die Stadt München seit zehn Jahren mit schulmeisterlicher Akribie das musikalische Treiben in der Innenstadt: Ein geigenbogenlanger Vorschriftskatalog findet sich schon auf dem Stadtportal. Hier gibt es generelle Regeln. Und welche für Straßenmusikanten. Und für Statuen. Und Maler. Und „aktiv darstellende“ Straßenkünstler. Dazu hilfsbereit Infoblätter, Planskizzen und Datenschutzhinweise sowie einen vergleichsweise übersichtlichen Gebührenrahmen. Wer sich hiervon noch nicht hat entmutigen lassen, der muss nur noch den Cerberus überwinden, der über Münchens Klänge wacht: Im Straßenmusikcasting gilt es zu beweisen, dass ein Instrument „einigermaßen beherrscht“ und damit ein abwechslungsreiches Repertoire garantiert wird. Streets of London 24/7? Undenkbar. Ist man hierzuorts wirklich so laissez-faire wie es den Anschein hat? 
Unbedingt, versichert Martina Seitz-Köter, das Nürnberger Pendant zum Münchner Cerberus – allerdings in ausgesprochen handzahm. „Wir erlauben uns kein Qualitätsurteil! Kunst hat so viele Geschmäcker, deswegen halten wir uns zurück.“ Seit 2015 wacht die Mitarbeiterin des Liegenschaftsamtes darum nur über die Lizenzvergabe: fünf Lizenzen pro Tag, die reservierbar und bis 11 Uhr abzuholen sind. Vier Euro kostet der Tag, 24 eine ganze Woche, egal ob Solokünstler oder Formationen bis Quintett, die „Volksmusik machen oder Klezmer“, Hauptsache ohne Verstärker, nicht zuletzt aus „Rücksicht auf andere Gewerbetreibende“, erklärt Martina Seitz-Köter diese Regel. Denn zwar muss alle 30 Minuten der Spielplatz um mindestens 100 Meter verschoben werden, doch es gibt halt Lieblingsplätze, auf denen immer jemand klimpert. Dabei dürfte „im Innenstadtbereich überall gespielt werden, außer vor Kirchen und direkt am Hauptmarkt“, an manchen Stellen klingele der Gitarrenkasten aber nunmal lauter als anderen. 
Ein Casting wie die Münchner das machen hält Seitz-Köter für „viel zu arbeitsintensiv“, lediglich würden stichprobenhaft kontrolliert, ob eine Genehmigung vorliegt – was anzuraten sei, schließlich sei Bußgeld „um ein vielfaches teurer“. Das hat auch Karlheinz Maier erfahren müssen: Beim ersten Mal gleich „habe ich auf der Museumsbrücke zu laut aufgerockt“ und dafür 100 Euro berappt – Lehrgeld, das den 60-Jährigen, der mit der Gitarre vorzugsweise am Lorenzer Lieblingsplatz seine Rente aufbessert, empfindlich geschmerzt haben dürfte. Sonst „sind alle beim Amt vorbehaltlos nett, die meisten Geschäftsbetreiber halten uns gut aus, und die Polizei drückt oft ein Auge zu, wenn man es nicht übertreibt.“ Das Münchner Vorspiel hält Maier für „Quatsch. Wenn einer musikalisch nichts taugt, dann merkt er das schnell selbst.“ 
In Fürth, berichtet der Musiker, der zwischen den Städten tingelt, um für Abwechslung zu sorgen – auch für die Passanten – lasse man beim ersten Mal auch vorspielen. „Kann man freiwillig, wenn man möchte“, versichert Anita Kreß, und erzählt, dass das schon auch mal vorgekommen ist. In Erlangen empfehle sich, bedächtig zu beginnen. Und tatsächlich weht beim Stadtportal gleich ein anderer Wind, geht’s um Belästigung und Behinderung, die es zu vermeiden gelte, und allerlei Auflage: kleinere Gruppen, weniger Lizenzen als in der Noris. Keine Reservierung, kein CD-Verkauf, nur zwei lärmintensive Instrumente täglich (dazu gehören Saxophon, Akkordeon und Cajón), dafür gilt es pro Person drei, pro Gruppe sechs Euro sowie eine 15-Euro-hohe Verwaltungsgebühr zu entrichten und bei Fehltritten provisorisch mit 1 000 Euro Bußgeld zu kalkulieren. Wer jetzt noch Laune hat, darf die an immerhin sieben Standorten verbreiten. Im kuscheligen Fürth hingegen, berichtet Anita Kreß, ist auch das Thema Straßenkunst nur halb so aufgeregt gehandhabt. 
„Die Stadt Fürth betrachtet Straßenmusik als belebendes Element in der Fürther Innenstadt“, so weiß das Merkblatt, die wenige Organisation erledigt das Tiefbauamt „nur so nebenbei“ Für die kleine Fußgängerzone gebe es überhaupt nur Lizenzen an zwei Musiker oder Gruppen wöchentlich, und das auch nur einmal im Monat, wegen der Abwechslung. Fünf Euro kostet der Tag, zehn die Woche, auch hier ist ein 100-Meter-Vorrücken alle 30 Minuten angemahnt, doch wer das wissen will, der muss sich erstmal hineintelefonieren in die Stadtverwaltung. Online-Suche Fehlanzeige, es ist einfach nicht präsent genug. Zu viel Präsenz, zumal unangenehme, mag jedoch auch Fürth nicht dulden. Ein Casting, so Anita Kreß, komme für sie zwar nicht in Frage, denn „Musik ist Geschmackssache, wer bin ich, das zu beurteilen?“ Die Qualität hingegen ließe zuweilen durchaus zu wünschen übrig, doch das erledige sich spätestens mit der zweiten Lizenzbeantragung – und nicht mehr erteilten derselben. „Jede Stadt macht das anders“, berichtet Monika Seitz-Köter. In Berlin sei jeder Bezirk anders reguliert, in manchen Städten reguliere man überhaupt nicht, Heidelberg schreibe gar Zeiten und Plätze vor – „wir nicht!“