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Runter vom Sofa - Sommerkämpfe

Gerade beim Schreiben dieser Zeilen schwirrt mir ein Getier um den Kopf. Es ist groß und laut und vor allem deutlich sichtbar, nicht zuletzt dank gestreifter Signalfarbe, und deswegen kann ich es gut leiden. Exakt jetzt genau ist es verstummt, was ich schon gleich viel weniger gut leiden kann, bedeutet das doch eine mutmaßliche Rast, die bei Tieren dieser Sorte gerne einmal eine große Gefahr des Drauflatschens und Bestrafung des (haha) Ver-Gehens mit schlimmem Schmerz birgt. Nach einer sofortig eingelegten Expeditionsrunde hab ich das Tier entdeckt. Es rastet auf einem Holz, leider jedoch nicht auf einem solchen, wo man sagt: Da haut man jetzt halt einmal kurz aus Versehen mit einem Diercke Weltatlas drauf, und schon ist die Gefahr gebannt, sondern eher so eine Art Holz, wo man hernach wegen Dominoeffekt sehr lang den Raum neu dekorieren müsst, quasi eher unverhältnismäßig. Den Raum verlassen, verriegeln und warten, bis es stirbt oder gar von allein wieder hinausfindet, ist auch keine Option, denn man weiß ja: Störendes Getier findet prinzipiell immer sehr vorzüglich in eine Wohnung hinein, niemals jedoch aus dieser wieder hinaus. Nach dem selben Prinzip ist gestern ein Gschmeiß verfahren, dass sich von morgens bis abends mit dem Rücken und ungläubiger Verzweiflung ans Fensterglas geworfen hat, ganz so wie bei der Marlen Haushofer ihrem Buch, wo ja auch plötzlich eine mordsunsichtbare Mordsscheibe umeinandersteht in der Welt. Und ich muss schon sagen, ich hab dermaßen gut Fenster geputzt, dass ich selber öfter einmal aus Versehen ein bisschen den Kopf zu weit aus der vermeintlich offenen Luke streck. Jetzt sind das alles so Tagsüberepisoden, wo man mit einer Mischung aus Nachsicht, Genervtheit und wissenschaftlichem Interesse relativ entspannt beiwohnen, womöglich (wie soeben geschehen) mit einem der hier zahlreich herumliegenden Festivalbierbecher einmal beherzt durch die Luft fischen und dann das Tier vom Balkon werfen kann. Und dann gibt es aber noch diese anderen Situationen. Die finden vorzugsweise nachts statt. Da hast du grade abgeschaltet, erst das Licht und dann den Geist, und im letzten Moment grad bevor du bewusstlos wirst donnert ein Hubschrauber auf dich zu. Geradewegs reißts dich vom Halbschlaf in den Sitz, ein Licht wird eilig entzündet, doch so sehr du auch schaust und mit dem Suchscheinwerfer forschst, es ist einfach nichts zu sehen, es ist, als hätte der Hubschrauber einen Tarnumhang, der durch Nachttischlampe aktiviert wird. Irgendwann erkennst du dann, dass das mikroskopisch kleine Staubkörndl, das im Augenwinkel umeinanderstiebt, die Ursache für das Horrordröhnen ist, und es folgen unwürdige Szene aus Lauern und Jagen, in denen man sich ein Chamäleon am Stecken wünscht, um damit durch die Luft zu wedeln. Leider hat man nur eine Klatsche. Ja, auch in der Hand, und so sinkt man schweißgebadet auf die Schlafstatt, propft sich Wachs in die Ohren und reckt einen Arm empor – nicht in Siegerpose, sondern als Zeichen des demütigen Antritts zur Blutspende. Sollte ich die Anämie überleben, bau ich mir am Wochenende Gitter vor die Fenster. Ob man selbst dann ein- oder alle Unbill ausgesperrt wird, ist ja immer Ansichtssache.