1 abonnement et 4 abonnés
Article

Modetrend: Pin it up, Girls!

Wenn Oma sich früher fein gemacht hat, sei’s für den Sonntagsgottesdienst, Einkauf oder Plausch beim Nachbarn, dann streifte sie den Kittel ab und heftete sich ans darunterliegende Blousson eine Brosche. Die war meist glitzernd, perlig oder sonstwie pompös und erfüllte die jugendliche Enkelschar mit einem Schauern, das bis heut von der Erwähnung allein des Wortes ausgelöst werden kann. „Spießiger Oma-Quatsch“, rief die Jugend und heftete sich empört Buttons ohne Atomkraft, dafür mit vielen Bandnamen ans Revers und fühlte sich Rock’n’Roll. Heute kommt die Brosche, einst so sexy wie ein Stützstrumpf, wie so vieles, was noch vor wenigen Generationen als Ausbund schnöden Spießertums zurückgewiesen wurde, wieder in unser aller Leben – auf den Laufstegen, versteht sich, denn wo sonst wird stets das Totgehoffte wiederbelebt, so dass man sich wünscht, man hätt doch Omas alten Schmuck nicht weggegeben. Buttons, Broschen, Pins – sie alle haben heute die Funktion zu highlighten, Klamotten mit kleinen Eyecatchern oder gar Botschaften zu versehen und dabei zwischen süßem Häschen, ironischem Spruch oder glamourösem Pomp nach Lust und Anlass abzuwechseln.

Dabei haben sie alle den selben, funktionalen Ursprung, an den zumindest die Lateiner sich erinnern werden: Mit der Gewandnadel „Fibula“ verschlossen Römer und Byzantener ihre Umhänge, denn der Knopf war noch nicht erfunden – zumindest kam bis ins 14. Jahrhundert niemand auf die Idee, damit nicht nur zu zieren, sondern mittels Schlaufe auch zu schließen. So verschloss und schmückte die Fibel lange Jahrhunderte allerlei Bekleidung, bis sie sich schließlich ganz aufs Dekorieren konzentrieren durfte – und hier vornehmlich auf die Damenwelt. Mit dem „Fürspann“ entdeckten Herren, dass Broschen sich hervorragend für ihre eigene, männliche Form der Dekoration eigneten, und bastelten geschwind beispielsweise militärische Auszeichnung oder solche, die die Zugehörigkeit zu einem Orden kommunizierte.

Und weil die Franken schon immer ihr eigenes Süppchen gekocht haben, riefen die Ende des 14. Jahrhunderts gleich einen ganzen Broschen-Orden ins Leben: Die „Gesellschaft der Fürspänger“ war eine exklusive Rittergesellschaft, gegründet von Adligen verschiedener fränkischer Geschlechter, die sich aus einer Begräbnis- und Altarbruderschaft entwickelte und mit der Maria auch deren goldene Gürtelschnalle verehrte. Zum Zeichen der Abgrenzung gegen alle anderen Stände, vornehmlich die Patrizier, vereinte man sich in diesem Vorläufer verschiedenster sogenannter Gesellschaften und dekorierte sich mit dem „Ordnen der Fürspänger“. Der gilt als einer der ältesten deutschen Orden – gestiftet 1355 von Karl IV. in Nürnberg!

Viel, viel später entwickelten die Herren dann Krawattennadeln und Pins: Kleine, verschieden geformte Anstecknadeln, mittels derer Firmenzugehörigkeiten, Lieblingsvereine oder Getränkepräferenzen geschwind auf einen Blick zu erkennen waren. Man findet sie als Orden oder Ehrennadeln, die alle feiner gearbeitet sind als der schnöde Button, der mittels Papier, Blech, Folie und Nadel am einfachsten hergestellt werden kann und dessen berühmtester Vertreter wohl die Rote Sonne der Anti-Atomkraft-Bewegung darstellt, dafür aber hinsichtlich der individuellen und preisgünstigen Gestaltung unschlagbar ist: Wen es nach eigener Botschaft und Design verlangt, findet Button-Maschinen oft auf Festen, in manchen Bastel- und Kreativläden, spätestens aber zur eigenen Anschaffung im Internet für 10 Euro (für den Kindergeburtstag) bis 1000 Euro (für den grenzenlosen Profi-Betrieb).

Zum Selbermachen angetan und von politischen Botschaften weitestgehend befreit ist die Brosche. Sie ist Blumenstrauß, Regenbogen, Sonnenlicht, Einhorn oder Schmetterling, kommt mal riesengroß auf Roten Teppichen daher oder dezent beim Samstagsshopping, hat ihren mondänen Weg längst zu C&A verlassen und auch die Einsatzmöglichkeiten geändert: Mützen, Jacken, Handschuhe, Kleider, Blusen, ja sogar Haare werden beglitzert – eben alles, was einer schnellen modischen Aufwertung bedarf. Der Bedarf an Herstellungsmaterialien im DIY-Segment ist gleichsam überschaubar wie uferlos: Um die Basis – eine Broschennadel mit Verschluss nach Gusto, notfalls tut es eine schnäde Sicherheitsnadel – kann alles gewickelt, geklebt, geknotet, gewunden werden, was das Herz im Kreativmarkt begehrt. Und wie es sich für einen echten Trend gehört, läuft das Internet vor Bastelanleitungen über wie so manche Brosche vor perligem Glitzer: Die „Sévigné-Brosche“ ist ein mit Diamanten besetztes Schleifenmodell, mit dem sich Marie de Rabutin-Chantal, Marquise de Sévigné im 17. Jahrhundert ihr Denkmal als bedeutende, einflussreiche Modedame am franzöischen Hof setzte – und die dank modernster Kunststofftechniken heut auch für den Otto(katalog)normalverbraucher erschwinglich ist.

Ob überquellende Brosche, lustiger Pin, botschafterischer Button – der Gestaltungsmöglichkeit ist heute bei all diesen geschichtsträchtigen Modeelementen kaum mehr Grenze gesetzt. Ob man so dann zu Kirche, Einkauf oder Plausch geht, ist den Trägern gänzlich selbst überlassen – und auch, wie sie mit den ausgeleierten Nadellöchern hinterher im Hemd umgehen.