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Schalldicht statt Festival: Aus fürs Klüpfel Open Air

Frühling, Freude, Festival! Spätestens mit der Zeitumstellung ist für die meisten Menschen nicht nur die ersehnte warme Jahreszeit eingeläutet, sondern damit auch die der musikalischen Open-Air-Veranstaltungen. Wer sich alle Termine schon vorsorglich im Kalender markiert hat, der muss nun zum Rotstift greifen, denn „Wer in den letzten Wochen und Monate am Gelände des Kinder- und Jugendhaus Klüpfel vorbeigekommen ist, der hat vor allem eins gesehen: Kräne, Bagger und Baustelle. Und wie das immer so ist mit den Bauvorhaben, es kommt alles anders, als man denkt.“ So schrieb eben jene Nürnberger Institution im Januar auf ihrer Facebookseite – im finalen Post, in dem das Veranstalterkonglomerat bestehend aus Kinder- und Jugendhaus Klüpfel, Musikzentrale Nürnberg, Luise - The Cultfactory und Jugendbüro Altstadt das Ende der zweitägigen, jährlich ausgerichteten Hommage an die hiesige Musikszene erklärte – und dabei Fragen nicht nur offenließ. Denn was genau haben die genannten Baugerätschaften mit einer Veranstaltung zu tun, die seit 30 Jahren alle musikalischen wie behördlichen Stürme mit Bravour durchschifft, die Generationen herangezogen und Kultur geprägt hat, und das alles in bester Lage idyllisch am See, inmitten der Stadt? 
Genau diese Lage ist es, mit der das „Waterside Projekt“ wirbt: Als Büroflächen gescheitert, werden Objekte entlang der Bartholomäusstraße derzeit zu Wohnungen umgebaut sowie „ein Riegel“, also bislang unbebaute Flächen geschlossen. 101 Wohnungen „mit Weitblick konzipiert“ verspricht der Erlanger Projektentwickler Sontowski & Partner Group, der fleißig die Region bebaut und dabei eher nicht in Verdacht gerät, sich für Sozialwohnungen zu engagieren. Zum Waterside Projekt gehören auch Penthouse-Wohnungen: 110 bis 290 m² exklusivster Wohnfläche, käuflich erwerbbar für 959.000 € bis 2.449.000 €, bejubelt als „Nürnbergs teuerste Wohnungen.“ Dass sich, wie Besucher des früher dort oben gelegenen Restaurants b² wissen, in den weiten Blick wenig edle Ansichten wie die des Norikus-Hochhauses mischen, ist eine Sache. Dass schwindelfreie Blicke vertikal in das Areal des Klüpfel mitsamt kinderreicher Tobeplätze fällt, eine andere. 
So wird in einem entsprechenden Beitrag im „Deutschen Architektenforum“ klug bemerkt: „Haken ist die Kindermusikeinrichtung Klüpfel, die eine Spielstättenerlaubnis habe, um Konzerte durchzuführen.“ Und das, zu vielermanns Unbehagen, auch tut. Die Lösung hierfür ist gefunden: Sontowski gibt sich generös und spendet der städtischen Einrichtung für 350 000 Euro einen niegelnagelneuen Konzertsaal mit allen schall-technischen Raffinessen, der Bau liegt in den letzten Zügen. Winziger Wermutstropfen: Wo bislang, beispielsweise zum Klüpfel Open Air, sich Menschen in den Armen lagen und unter Kastanien auf Bierbänken saßen, thront jetzt dieser Raum. Das Gelände des Jugendhauses ist merklich geschrumpft, für Bühnenaufbauten und viele hunderte Besucher schlichtweg kein Platz mehr. Nanu? 
„In einem städtebaulichen Vertrag mit der Kommune“, hieß es im September 2017, seien „Eckdaten des Projekts rechtsverbindlich festgehalten worden“. Darunter „das Open-Air-Festival im Sommer.“ Wir fragen nach. Weder Klüpfel noch Musikzentrale möchten gerne darüber sprechen, dafür lieber auf den zuständigen Jugendamtsmitarbeiter Jürgen Reuther verweisen. Der erzählt von langen Verhandlungen, nachbarschaftsverträglichem Arbeiten, Vermeidung von Nutzungskonflikten, Aufrechterhaltung der Kinder- und Jugendarbeit sowie einem Vorbereitungskreis, in dem gemeinschaftlich die Entscheidung getroffen worden sei, das Klüpfel Open Air in der bisherigen Form einzustellen und nach neuen Möglichkeiten zu suchen. Wie die ausschauen können, damit ist auch Reuther überfragt. Fest steht nur: „Auf dem Gelände selbst ist die erforderliche Fläche nicht mehr vorhanden“, inwiefern das begehrliche Rasenstück seeseitig der Hecke, öffentlicher Raum mit Reuther unbekannter Zuständigkeit, genutzt werden könnte unbekannt. Beim o.g. Vertrag sei mitnichten konkret das Klüpfel Open Air gemeint, sondern „prinzipiell überhaupt irgendeine Veranstaltung pro Jahr in welcher Form auch immer“, Sommerfest, Talentbühne, man wird sehen. 
Es gebe, lässt Reuther vom Klüpfel freundlich bestellen, „noch keine weiteren Planungen als die Januar auf Facebook zu lesenden“, wo die Veranstalter „in die Zukunft schauen“ und „auf der Suche nach neuen Ideen, vielleicht auch einem neuen Konzept, einem anderen Ort“ sind. Jedoch brauche es Orte, „an denen Jugendkultur sichtbar gemacht wird und zwar nicht nur am Stadtrand, im Industriegebiet oder an anderen Orten, an denen sie niemand stört.“ Wie beispielsweise der schöne Söderstrand – ein Ort, der zumindest Sarah Lohr gefallen würde, pädagogische Mitarbeiterin der im Kreisjugendring Nürnberg organisierten, doch unabhängigen Jugend- und Kultureinrichtung Luise Cultfactory, als solche Mitglied im Veranstalterkreis und gesprächsbereit. Müde sei man ob des Hinundhers, zu viele teure Wohnungen verderben den Kulturlustbrei, 30 Jahre nach dem ersten Fest sei eh alles anders, das Angebot vielfältiger, die Ansprüche größer, die Mühen aber auch. Deswegen habe ein erstes Brainstorming ergeben, man wolle „etwas komplett Neues“ machen, weg von der Dienstleistung des Konzertveranstalters hin zu „Kultur selber machen!“, einem kreativen Prozess von jungen Menschen für junge Menschen, eine Plattform bieten für deren kulturschaffende Energie. Deren Fluss sich aber auch bereits seine eigenen Wege bahnt. Um es mit den Worten des Facebook-Posts zu sagen: „In diesem Sinne, das Klüpfel Open Air ist tot – es lebe das …?“