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Frauennotruf: "Ist Luisa hier?"

„Ist Luisa hier?“ – was klingt wie eine völlig unverfängliche Frage bedeutet seit einiger Zeit deutschlandweit Hilfsbereitschaft in Gastronomien. Auf Initiative des Frauennotrufs Münster steht dieser Satz seit 2016 für sexuelle Belästigung und Mädchen und Frauen, die Hilfe benötigen. Längst ist das Projekt auch in Nürnberg angekommen.

„Bis Ende März möchte ich 30 Kneipen, Cafés und Clubs für Luisa gewinnen“, konstatiert Marei Sommerlad, Studentin der Sozialen Arbeit und seit 2018 für Nürnberg zuständige Koordinatorin des Projekts „Luisa ist hier“. Bereits 2016 war das Konzept in Münster entwickelt worden. „Sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum wurde immer wieder und immer öfter thematisiert“, so Lea Goetz vom Frauennotruf Münster e. V., der damals 400 Frauen an Schulen, Universitäten und auf der Straße befragt hatte. Ergebnis: „75 Prozent hatten sich im öffentlichen Raum einer sexuellen Belästigung ausgesetzt gefühlt – und das nur im vergangenen Jahr.“ Durch Berührungen, durch Worte oder Blicke, „die nach den öffentlichen Verkehrsmitteln am zweithäufigsten genannten Orte waren Bars, Kneipen und Clubs.“ Flirts, die weit übers Ziel hinausschießen, Berührungen, die alles andere als zufällig sind, Gespräche, deren Impetus falsch ausgelegt wird – die Möglichkeiten der Grenzüberschreitung sind vielfältig. Die der Reaktion darauf ebenfalls, doch längst nicht jede Frau, zumal die weniger erfahrenen, weiß sich allein zu helfen und eine Konfrontation einzugehen. Oft verlassen Frauen aus Hilfslosigkeit die Situation. Der grade noch fröhliche Abend ist dann meist gelaufen. „Wir sind dann auf ein Projekt in England gestoßen: ‚Hi, I’m Angela‘ hilft Frauen aus unangenehmen Tinder-Dates. Dieses Konzept haben wir für Münster modifiziert“, so Lea Goetz vom Frauennotruf, der bereits in der Thematik „K.O.-Tropfen“ mit Gastronomen kooperierte und einen Handlungsleitfaden mit dem Landeskriminalamt NRW erarbeitete. Den nutzen mittlerweile 51 deutsche Städte, dazu fünf in Österreich und der Schweiz – seit 2017 ist auch Nürnberg dabei. Plakate, Flyer, Aufkleber sollen Frauen einerseits ermutigen sich Hilfe zu holen, andererseits „empowern, sich selbst zu helfen und Stop zu sagen“, so Marei Sommerlad, die derzeit auf Werbetournee ist, um Nürnberger Gastronomen fürs Luisa zu gewinnen. Mit Erfolg: Vom Nachbarschaftshaus Gostenhof über Clubs wie Rakete oder Hinz x Kunz bis Harlèm Bar und Palais Schaumburg – fast 20 Läden machen schon mit. „Die Reaktionen“, so Sommerlad, „sind durchwegs aufgeschlossen, die meisten sehen eine Notwendigkeit und sind dankbar über die niedrigschwelligen Strukturen, die wir bieten.“ Denn es ist wirklich nicht viel zu tun: Plakate auf der Damentoilette oder kleine Sticker am Eingang sollen Sicherheit signalisieren. Abstrakt, weiß ich doch, dass meine Angst hier ernstgenommen wird, aber auch ganz praktisch: Fühle ich mich in irgendeiner Weise bedroht, so muss ich diese Bedrohung nicht erst formulieren und in einer lauten Bar über die Theke brüllen, sondern schlichtweg dem instruierten Personal gegenüber die Frage „Ist Luisa hier?“ stellen. Ein Code, in Folge dessen Erste Hilfe geleistet, ein Rückzugsort geboten, gesprochen und vor allem überlegt werden kann: „Was braucht die Betroffene?“ Möchte sie sicher nach Hause kommen, kann ein Taxi gerufen werden. Vielleicht sind es aber auch nur zehn Minuten Pause, in der die Situation eingeordnet und bewertet werden kann, um dann an Ort und Stelle weiter zu feiern, während vielleicht der übergriffige Mann des Hauses verwiesen wird. „Es gibt kein Pauschalkonzept“, weiß auch Marei Sommerlad, sondern es muss vielmehr individuell hingeschaut und gelöst werden. Kritik, Männer würden einerseits als Täter pauschalisiert, andererseits spräche man ihnen ab, selbst Opfer werden zu können, lässt sie nicht gelten: „Es mag sein, dass auch Frauen übergriffig werden, aber sicher in einer völlig anderen Dimension.“ Und auch Lea Goetz sagt, es handele sich bei sexuellen Übergriffen um „ein geschlechtsspezifisches Problem und eine ebensolche Form der Gewalt.“ Zudem sei zu beachten, dass die Initiative nunmal von einem Frauennotruf ins Leben gerufen sei – einer Kampagne „Ist Luis hier?“ stehe nichts im Wege. Gastronomietreibende, die sich solidarisieren und der Initiative anschließen wollen, können sich jederzeit an die frauenBeratung Nürnberg wenden (frauenberatung-nuernberg.de). Luisa bedeutet übrigens „starke Kriegerin“.

www.Luisa-ist-hier.de