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Christkindlesmarkt Nürnberg: Kreative Erlebniswege

Seit Freitag führen alle sprichwörtlichen Wege nicht mehr nach Rom, sondern Nürnberg. Genauer gesagt: Den Hauptmarkt, der wie seit 1933 üblich vom Christkind höchst selbst in eine Stadt aus Holz und Tuch verwandelt und zum eröffneten Christkindlesmarkt von Welt erklärt wurde. Hier gibt es, man ahnt es schon, aller fränkische Tradition, doch in der stehen noch ganz andere als Bratwurst und Lebkuchen. Handwerk ist zu finden, Karitatives und, ja sicher, auch noch Kulinarik. Um in der ganzen Vielfalt zwischen Dockn-Gässl, Sternlasweg und Puppenküch, an denen entlang sich die knapp 170 offiziellen Holz- und Fressbuden auffädeln, nicht Orientierung und darob womöglich die Lust aufs Schlendern zu verlieren, hält der Markt seit jüngerer Zeit sogenannte „Erlebniswege“ bereit: Um die vielen kleinen Besonderheiten zu entdecken, die die vielen Buden und Gänge für den zweiten Blick aufheben, hat das Christkind Touren ersonnen, um „die Vielfalt und Einzigartigkeit des Marktes neu zu entdecken.“ Per zum Download bereitgestellter Tourenkarte darf der so geneigte wie wissbegierige Besucher sich vorbereiten. Auf Tour 3 beispielsweise, auf der „die Region auf dem Christkindlesmarkt“ in Form von regionalem Handwerk und fränkischen Spezialitäten erlebt und genossen werden darf und im besten Fall erfahren, dass das „Zwetschgenmännla“ nicht zu zweiterem gehört. Auf Tour 1 hingegen geht es nicht um die Region, sondern nur noch um „Nürnberger Originale auf dem Christkindlesmarkt“ und vielleicht um den Forschungsanreiz, wie sich „traditionsreiche Produkte und kulinarische Leckereien“ von Tour-2-Inhalt unterscheiden. So werden Christkindlesmarktprofis geschaffen. Tour 4 verbindet das eigene Konsumbedürfnis geschickt mit einer guten Tat, und so wird „Für einen guten Zweck auf dem Christkindlesmarkt“ von Kennern auch „Tour des guten Gewissens“ genannt, findet man in den vorgestellten Buden doch nicht nur einzigartige Präsente, sondern unterstützt dabei auch noch soziale Projekte, wovon man unter umständen auch sprechen kann, wenn man den größten und letzten Erlebnisweg beschreitet: Tour 2 zeigt uns „Kreative auf dem Christkindlesmarkt“, lässt „die Herzen derer höher schlagen, die das Außergewöhnliche suchen“ und wenn sie dabei nicht nur eine „einzigartige Geschenkidee“ entdecken, sondern sogleich ein Präsent von kreativen Köpfen erwerben, so soll es allen recht sein. Einmal von Süden nach Norden und schön in einer Schlangenlinie führt auch diese Tour über den Christkindlesmarkt, was insofern praktisch ist, quert man hierbei doch alle anderen Buden notgedrungen und kann die vier Erlebniswege geschickt miteinander verbinden, anstatt viermal separat zu starten. Der Kreativweg beginnt sogleich mit einem Nürnberger Superoriginal und einer urigen Geschichte: Charlotte Grunow war noch jung, als sie sich just auf dem Christkindlesmarkt in die Kunst des Stempelmachens verliebte. Fortan erlernte die Nürnbergerin das Handwerk – und macht heute im eigenen „Anemoi“-Shop, mit dem Label „Herz im Sturm“ und freilich auch am Ursprung des Geschehens Menschen mit schönen Dingen glücklich. Als lebender Beweis dafür, dass Wünsche eben doch wahr werden können, lehnt sich Charlotte Grunows Bude Nr. 150 seit 2014 an den Schönen Brunnen. Weiter geht’s über Frau Janoschkes Mini-Nürnberg (146) zu Herrn Jean-Claude Constantin (113), der Generationen von Menschen in die Verzweiflung treibt – und oder in Verzückung, hält er doch aus allerlei Material gefertigte Geduldsspiele bereit: aus Holz und Metall, flach und dreidimensional, für Einzelkämpfer oder die ganze Familie. Frischer, da jünger ist die PopUp-Bude 115 von „Frisches Design“, an der seit 2016 fertige und angehende Designer und Künstler im zwei- bis viertägigen Wechsel ihre Kreationen anbieten. Besondere Schmankerl und echte Preziosen werden in diesem Jahr die Klasse für Freie Kunst und Gold- & Silberschmieden von Prof. Suska Mackert der Akademie der Bildenden Künste feilbieten. So geht’s hinfort, vorbei an Märchenschlössern, Zauberburgen und ganzen Königreichen aus Hölzern und Wurzeln (116), Eckard Wiech, der „Edles in Form“ von exklusiven Schreibgeräten, Schmuck oder zweifarbigen Rasierpinseln im Weihnachtsgepäck hat (83), die längst etablierte Bude 23, an der die IHK-Gründerpreis-gekrönte Selfmadewoman Kerstin Brkasic-Bauer ihre farbenfrohen „made in Nürnberg“-Kindermoden und selbstverständlich die berühmte „Mitwachshose“ anbietet, immer der Nase nach weiter zum Mittelfranken Marco Weihmann, der nicht nur seine Bude 17 zum duften bringt, sondern dank handgedrechselter Gewürzgestecke womöglich auch schon bald das ein oder andere verzückte Wohnzimmer, bis hin hinab zu Hans Steffin, der beim Rauschgoldengel (Bude 4) die federgezeichneten Bilder seiner Kunstwerkstatt gekonnt zwischen Bratwurst und Glühwein platziert. So hangelt man sich von Kreativling zu Kreativling, und die Tour vergeht quasi wie im Flug. A propos „Fliegen“: Halt, da war ja noch was! Nämlich ein junger Mann, dem Nürnberg seit einigen Jahren die atemberaubendsten und ungewöhnlichsten Nürnberger-Perspektiven zu verdanken hat. Dafür nimmt Oliver Acker seit acht Jahren echte Höhenflüge in Kauf: Seitdem er „in einer echten Schnapsidee“ beschloss, eine Art eigenes Google Maps zu kreieren, und sich dafür praktischerweise ein Pilot im Freundeskreis befand, schwingt sich der 37-Jährige regelmäßig in die Lüfte, bindet sich in einem Flugzeug oder Helikopter fest, lehnt sich aus der Türe und schießt so die tollsten Bilder von Kaiserburg, Dokuzentrum oder gleich ganz Mittelfranken. Auf diese Weise hat Acker, der eigentlich in der Immobilienverwaltung tätig ist, nicht nur das mit 6000 Fotos „umfassendste Luftbildarchiv Nürnbergs“ erstellt, sondern unzählige Vogelperspektivmotive, die in höchstem Maße leinwand-, kalender- oder puzzletauglich sind. Zur Eisenboh in Bude 26, die Oliver Acker zum dritten Mal bespielen darf, hat er sie alle dabei, „zu Preisen, die gut ankommen“. Ankommen sollen auch die Besucher des Christkindlesmarkt – in staden Zeit, am besten. Wer dafür nicht recht in Stimmung ist, dem hilft vielleicht die ein oder andere heiße Tasse. Wenn nicht, macht auch nichts. Denn das Christkind sagt: „Und wer da kommt, der soll willkommen sein.“


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