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Critique

Let me see you Nürnberg.Pop 2018!

Von so einer Wachstumskurve kann manch Wirtschaftsunternehmen höchstens träumen: Während man beim Nürnberg.Pop’schen Startschuss 2011 noch voller Stolz auf 18 Bands in acht Spielorten blickte, hat sich der Umfang des bald als Süddeutschlands größtes Club- und Showcasefestival betitelten Musikspektakels in den letzten Jahren mal eben schnell verdreifacht. Knapp 3000 Besucher erkundeten in 28 Spielstätten die mehr als 50 Bands – bei bester Laune und gottlob ebensolchem Wetter.


Denn was passiert wäre, hätte wie im vergangenen Jahr ein Eisregentaifun die Straßen leergefegt, will man lieber gar nicht wissen. Nichtsdestotrotz scheint das verflixte siebte Jahr unbeschadet überstanden, und auch die große Neuerung, die der 2017er Wind zäsurgleich ins kulturelle Nürnberg getragen hat, hat dem liebgewonnen Konzept keinen Abbruch getan. Vielleicht sogar ganz im Gegenteil: Während bislang das K4 als bequeme Dame in der Mitte des Geschehens thronte, musste dieser wärmende Schoß wegen des allseits bekannten Umbauszenarios verlassen und Ersatz gebastelt werden. Mit Fränk’ness, KORN’S, Kantine und allem voran dem Heilig-Geist-Saal ist das ziemlich gut gelungen, wenngleich hier und da gewisse Anfangsschwierigkeiten für Unmut sorgten. Aber auch ein alter Spitalsaal ist noch lernfähig, und so darf man zugleich nachsichtig wie zuversichtlich sein, dass er sich noch zum patenten Festivalhost mausert. Diesen Prozess müssen andere nicht oder nicht mehr durchlaufen, sperren einfach Türen und Anlagen auf und geben sich ganz dem Abend hin. Der ist, wie man mit blinder Sicherheit längst weiß, bunt. Vielschichtig. Überraschend. Freundlich. Abwechslungsreich. Abenteuerlich. Rund die Hälfte der geladenen Musiker, die zwischen Klarakirche und Adina Hotel, PostPunk und Hiphop-Jam, zwischen Harlem und Hinz x Kunz, Elektro und Liedermacher die Fensterscheiben, Ohren und Herzen zum Klingen bringen, sind mittlerweile aus der regionale Musikszene akquiriert, um sich unter dem Projektnamen „Startschuss“ präsentieren zu können. Ein Angebot, das freut Veranstalter David Lodhi, „super angenommen wird.“ Super ausgesucht hat das kulturschaffende Triumvirat Lodhi, Eckert, Wurm auch den Rest des Line-Ups. Mit Antifuchs hiphoppen sich zwei Powerladys die Seele aus dem Leib und die Protestfinger im HxK in die Luft, Back to Present trappen den Besuchern die Rosi Schulz’schen Bässe von der Fußsohle bis zum Scheitel und gleich wieder zurück. Bei Yukno wird gutgelaunt das Indie-Stereo zertanzt, was den Herren von Fil Bo Riva mit großer Leichtigkeit und, klang- wie publikumsseitig, bester Resonanz im Heilig-Geist-Spital gelingt, so dass die Stimmung sogar vor der Tür überraschend gelöst ist. Wie übrigens vor allen Türen. Sei’s dem großflächigen Angebot (zehn Gehkilometer in wenigen Stunden runtergerissen – kein Problem) geschuldet, dem Umstand, dass die jahrelange Predigt vom „Flanier- und Entdeckungsfestival“ endlich Gehör gefunden hat, oder gar dem lammfrommen Sicherheitspersonal – wer nicht reinkommt, spaziert halt weiter. Findet sich plötzlich auf Kissen fläzend in einer spontanen A-Capella-Kooperation von The Folk’s Worst Nightmare und Mea&Reas wieder. Entdeckt, dass Karin Rabhansel auch ohne Stimme Stimmung machen kann. Stolpert in die Kantine und bleibt gebannt bei Zulu hängen. Lernt ein Sunday Morning Orchestra kennen und sogleich auch schätzen. Wird überrascht vom Leak’schen Pep und überhaupt von der alljährlichen Erkenntnis: Headliner ist, was ihr draus macht. Rein in die Nacht und den Spielplan stecken lassen – und gern auch den ewigen Vergleich mit Hamburg. Nürnberg.Pop hat sich längst zur eigenständigen Marke etabliert.


http://www.nuernberg-pop.de/festival/