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Die Partykolumne - Brotzeit

Ein Jahr ist es jetzt genau her, dass ich meine neue Wohnung bezogen habe. Seitdem ist alles ganz wunderbar. Keine gestörten Bonzenstudenten feiern mehr 24-Stunden-Parties, kein wahnsinniger Nachbar renoviert seit 20 Jahren sein Haus, niemand stößt mehr zu nachtschreienden Zeiten in ein Horn oder anderswo hinein, und anstatt der Feuerwehr rückt nur noch der Rettungsdienst mehrmals täglich aus. Es gibt Tage, an denen kein Gärtner eine Hecke stutzt, solche, an denen die ordnungsverwirrte junge Dame unter mir Wohnungs- und Balkontür geschlossen hält und ich mal die Fenster aufmachen kann, und das musikalische Nachwuchstalent irgendwo über mir darf gegen 22 Uhr ins Bett gehen und entsprechend seine Exerzitien auf einem der fünf so inbrünstig wie erfolglos zu bewältigenden Instrumente einstellen. Ich freu mich schon, wenn bald wieder damit begonnen wird, Weihnachtslieder auf der Gitarre zu misshandeln. Am allerschönsten jedoch ist, dass ich nicht mehr täglich um Punkt sieben Uhr von einem Presslufthammer geweckt werde, der gleich einem Panzer durch mein Bett und mich aus diesem heraus fährt, sondern es nur noch eine klitzekleine, entzückende, aufreizend nette Omi ist, die mir den Schlaf raubt. Und da kann man halt nichts machen. Jeden Morgen zwischen 6 und 7 Uhr geruht – nein: gelärmt die sympathische ältere Dame nämlich, eine Brotschneidemaschine direkt in meinen Schädel einzustecken. Dank der Architektur der ineinander verschachtelten Häuser ist ihr das ein Leichtes. Im Anschluss werden akkurat und deutlich vernehmbar zwischen zwei und vier Scheiben Brot geschnitten. Die Omi frühstückt, ich bin wach. Montag, Freitag, Sonntag, ob Regen oder Sonnenschein, lass mich bloß nicht schlafend sein. Manchmal verpasse ich den Zauber dieses Augenblicks, dann bin ich traurig und fühl mich leer. Hin und wieder, weil ich halt schon aufstehen hab müssen, dann würd ich gern gegen die Wand klopfen und sagen, huhu, alles gut, du kannst trotzdem broteln. Meist aber, weil die liebe Omi vermutlich ganz arg ordentlich ist, oder zornig, man weiß es nicht, und deswegen spezialgerne im Morgengrauen mit Geschirr herumwirft. Tja. Was soll man da also machen? Jüngeren Menschen tät man alsgleich das Fell über die Ohren ziehen, eh klar. So jedoch greift der gleiche „Respekt vor dem Alter“-Reflex, der mich auch im Bus hat vom Sitz aufspringen lassen, sobald ein U-Hu eingestiegen ist, obwohl ich mit frisch geschnitztem Knie selbst hätt eher liegen sollen. Vielleicht bekleb ich einfach die Trennwand mit Eierkartons. Davon gibt’s vermutlich grad recht viele, und die halten Schallwellen ab und sehen dabei auch noch saugut aus. „Mach Neu“ (Kaiserstraße), „Indie Freitag“ (Stereo, Klaragasse), „Salsa im Airport“ (T90, Flughafen), „Querbeat“ (KK, Königstraße) und am Samstag „Summer Session“ (Hirsch & Rakete, Vogelweiherstraße), „80s/90s“ (T90), „Don’t stop the Rock“ (Mississippi Queen, Hafen). Bei mir halt eher so: Don’t stop the Brot! Oder eigentlich eher: Please stop the Brot ganz unbedingt!