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Reportage spécial

Christkindlesmarkt ist "all so beautiful and absolutely fantastic"

Lebkuchen, Bratwurst, Glühwein – was für uns Eingeborene aus Tradition und Merchandise zum Weihnachtsmarkt gehört wie für den Hamburger die Fischsemmel zum Hafen, müsste für viele weiter angereist Gäste womöglich seltsam anmuten. Zumindest, wenn man bedenkt, wie groß die die Stauneaugen werden, wenn Urlaubszurückkehrer von den traditionellen Kulinaria des Reisezieles berichten. Wir hören uns um.

„Disgusting“, also scheußlich, findet Vincent wenn überhaupt nur das Wetter hier. Es nieselt, von Winterwunderland keine Spur, und einen Hauch zu warm ist es zudem. Je nach Perspektive, ist Vincent doch aus dem US-Amerikanischen Virginia angereist. Nicht extra für Nürnberg, sondern um hier eine Donauschiffahrt zu unternehmen. An jeder Station gab’s eine Wurst. Die in Nürnberg sei freilich die beste, lacht der große Mann, und zwar in feinstem Deutsch, hat er doch in Erlangen studiert und dort auch vor 40 Jahren seine Frau Ruth kennengelernt. Nicht so viel neues also hier für die beiden – im Gegensatz zu Freundin Mary. „Glühwein?“ sagt sie und ringt nach amerikanisch-freundlichen Worten, um sich dann für „interesting“ zu entscheiden. Von warmem Wein sei sie kein Fan, lieber wäre ihr heiße Schokolade mit Amaretto, doch den gäb’s hier nicht. Dafür überall Kartoffelpuffer, das habe sie so nicht erwartet. Aber es riecht überall gut, sind sich alle drei einig. Das finden auch Jinyoung Cha und Haesong Uim, zwei junge Koreaner, die unlängst das erste Semester in Regensburg angetreten haben und zu Besuch in Nürnberg sind. „The Bratwurst is really good“ wird sogleich geschwärmt, viel besser vor allem als in Korea, wo es, erzählt Jinyoung Cha, nur eine Standardwurst gäbe statt der vielen Auswahl hierzulande. Im Grunde sei ihnen das Essen jedoch herzlich egal, schließlich seien sie hier her gekommen, um An- und Ausblick zu genießen. Doch ein Glühwein, der wird’s sicher noch werden. Dass der unübersehbar zu schmecken scheint demonstrieren lautstark zahlreiche Gruppen auf dem Hauptmarkt, die am frühen Nachmittag fröhlich Tassen schwenken und nicht mehr weit zum Gesanganstimmen haben. Ob sich die vietnamesische Reisegruppe auch noch in dieser Situation wiederfinden wird ist ungewiss, schließlich habe man – ganz asiatisch – nicht allzuviel Zeit, bis der Bus ruft. Zehn Leute etwa, sagt Min, seien zum ersten Mal hier, und „it’s all so beautiful and absolutely fantastic“. Vor allem „Candy!“ hat es einer Dame angetan, „Candy!“, was sich wegen Sprachbarriere trotz mehrfacher Wiederholung und Zeigen des Mundinhaltes nicht genauer identifizieren lässt. Aber irgendwie ist ja alles hier „Candy“, also eine Süßigkeit. Er habe, sagt Min, noch nie zuvor so eine Stadt, so einen Ort gesehen, dieses „old fashioned“ hier, das sei der Wahnsinn. Und dass man Glühwein probieren müsse, das habe der Busfahrer geraten, doch er wisse nicht recht. Eine kurze Bedienungsanleitung von der einheimischen Reporterin löst die Bedenken. Die übrigens viele haben, wenn sie von einer Fremden angesprochen werden, da, erklärt Amerikanerin Mary, man als Reisender und Tourist ständig darauf gefasst sein müsse, ausgetrickst und ausgeraubt zu werden. Nicht jedoch vom netten Nürnberger! Dessen sind sich auch Amanda, Maggi und Cici sicher. Die jungen Damen aus den USA und Kanada studieren ebenfalls im ersten Semester in Dresden und haben dort, hört hört!, Werbung für den weltschönsten Weihnachtsmarkt gesehen. Von Dresden ging’s nach Königstein nach Nürnberg, man wolle noch viel mehr Weihnachtsmärkte besuchen, es sei faszinierend, wie unterschiedlich der Glühwein überall schmecke. „Und die Größe!“, rufen die drei freudig aus, und meinen aber die der Märkte und nicht der Tassen. Bratwurst, auch super, sagen sie, doch auch hier scheinen „the different sizes“ den meisten Eindruck zu machen. Probiert habe man bislang nur einen Strietzel, der sei aber wohl eher was tschechisches, sowie eine Waffel, die, habe man sich sagen lassen, eine belgische Spezialität sei. Aber den echten Nürnberger Lebkuchen, wissen Amanda, Maggi und Cici, den werden sie als nächstes gleich probieren. Unbedingt!