C/O Berlin lässt in der umfangreichen Schau zum Pionier der Farbfotografie Joel Meyerowitz dessen Color- und Schwarz-Weiß-Arbeiten in einen Dialog treten
Sieht man die Schwarz-Weiß-Bilder bekannter Fotografen wie Helmut Newton oder Richard Avedon, fehlen die Farben überhaupt nicht. Ganz anders ist es hingegen bei Annie Leibowitz oder Wolfgang Tillmans. Bei ihren Aufnahmen ist man sich sicher, Farbe zu brauchen. Sie offenbart etwas.
Im C/O Berlin wird nun eine umfassende Retrospektive des New Yorker Fotografen Joel Meyerowitz gezeigt, der als Pionier der farbigen Fotografie gilt. Er erkannte das Potenzial der Farbe bereits zu Beginn seiner Arbeit 1962, obwohl diese bis in die 1980er-Jahre eigentlich der Werbeindustrie vorbehalten war. Die künstlerische Fotografie blieb bis dahin in dichotomem Schwarz-Weiß, denn für sie galten bunte Fotos als kommerziell, billig und vor allem vulgär.
Meyerowitz zählt neben Stephen Shore, Joe Maloney und Joel Sternfeld zu den Wegbereitern der „New Color Photography" in den Vereinigten Staaten, die hier ein komplettes Umdenken hervorrief. Er hielt mit seiner Kleinbildkamera zufällige Straßenszenen New York Citys fest: Frauen vor einem Schönheitssalon, ausgelassene Menschen am Strand, eine junge Frau übersät mit Sommersprossen. Mit seinen Bildern zeigt er, dass diese Motive ohne Farbe keine Tiefe hätten, sie würden keine Geschichte dahinter erahnen lassen. Es wäre nicht erkennbar, dass die Dame vor dem Salon ein knallpinkes Kleid trägt, der Sonnenschirm rot-blau gestreift ist oder die Sommersprossen der jungen Frau dieselbe Farbe wie ihre Haare haben.
Die französische Bildhauerin Louise Bourgeois schrieb einmal, dass Farbe stärker als Sprache sei. Diese Meinung teilt Joel Meyerowitz möglicherweise nur partiell, denn er begann zwar in Farbe zu fotografieren, später jedoch auch in Schwarz-Weiß. Eben diese Tatsache wird in der Retrospektive behandelt und erstmalig gegenübergestellt. Manche Motive treten als Paar auf, eines bunt und eines schwarz-weiß - seine Intention dahinter wird deutlich. Eine Braut steht inmitten eines Parks, daneben ein Mann mit Hut auf einem Liegestuhl. Der Hintergrund auf der Fotografie in Schwarz-Weiß bleibt dunkel, wodurch sich das Brautkleid hervorhebt, es dominiert das Bild. Hier scheint allein die Form zu zählen, denn aus ihr entspringt die ausschlaggebend starke Kontrastierung. Das Exemplar in Farbe hingegen wirkt belebt, sommerliche Luft, Gelächter aus dem Hintergrund, das satte Grün der Wiese scheint alles einzuhüllen. Die Farbgebung bestimmt das Bild.
Ob die Farbe nun stärker als die Sprache ist, sogar ganz für sich sprechen kann oder manche Motive diese gar nicht nötig haben, scheint schwer festzumachen. Die Retrospektive von Joel Meyerowitz zeigt jedoch, wie Farbe unser Sehen sowie unsere Wahrnehmung verändert, Situationen lebendiger macht und Menschen hervorstechen lässt. Farbe erzählt Geschichten.
Joel Meyerowitz. Why Color? Retrospective C/O Berlin, Amerika Haus, Hardenbergstr. 22-24, Charlottenburg, Mo-So 11-20 Uhr, 9.12-11.3.2018, Eintritt 10 €, erm. 6 €, Eröffnung: Fr 8.12. um 19 Uhr, www.co-berlin.org
In: tip 25/2017, 5.12.2017