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Leica-Kamera-Werk in Portugal: Doktern wie die Deutschen

In der Euro-Krise drängen viele Portugiesen in die Bundesrepublik. Das urdeutsche Unternehmen Leica bringt die Arbeitsplätze zu ihnen: Der Kamerahersteller baut dort eine neue Fabrik. Seit 40 Jahren ist Leica vor Ort, ganze Familien arbeiten im teutonischen Arbeitstakt.

"Hier läuft alles anders als im Rest Portugals", sagt João Pecho Teixeira, 20. Acht Stunden am Tag poliert er Kamerahauben unter ständiger Kontrolle, insgesamt 500 pro Kamera, wenn man die Überprüfungen der Einzelteile mitrechnet. Von deutschen Tugenden ist die Rede, wenn man diese Fabrik in Famalicão besucht, von Dingen wie Disziplin und Gründlichkeit. "Die Fabrik steht zwar in Portugal", sagt Geschäftsführer Pedro Oliveira, 35, "doch wir leben die deutsche Mentalität." Am Ende wird auf den Kameras das Logo der Marke Leica prangen.

Leica-Teile aus Portugal? Das überrascht noch immer viele, denn der Kamerahersteller, der die Kleinbildkamera erfunden hat, gehört zu den Marken, die in aller Welt für deutsche Technikerkünste stehen, so wie Mercedes-Benz oder Porsche. Zu Leica gehört der Nimbus absoluter Präzision - nur so kann man 6000 Euro für den Body einer Analogkamera verlangen, ohne Objektive. Und Präzision, so will das Marketing seit jeher, ist nun mal "Made in Germany".

Tatsächlich werden Entwicklung, Vertrieb und Endmontage der Leicas schon immer in Deutschland erledigt, im hessischen Wetzlar, wo an diesem Donnerstag auch der Spatenstich für ein neues Werk gesetzt wird. Doch die meisten Teile werden seit fast 40 Jahren im Norden Portugals, eine halbe Stunde von Porto entfernt, in Vila Nova de Famalicão, gefertigt.

Schwitzen verboten

"Der Standort wurde damals gewählt, weil es in der Region bereits eine lange Tradition in der Uhrmacherindustrie gab", erklärt Markus Limberger, 41, Chief Operation Officer der Leica Camera AG. "Die Leute waren in der Feinmechanik entsprechend erfahren."

Das war damals vor allem Handarbeit. Und auch heute legen die über 600 Leica-Mitarbeiter in Portugal, von denen die meisten aus Famalicão und Umgebung stammen, selbst Hand an. Egal ob im Bereich Optik, Mechanik oder Montage - sie erledigen Arbeiten, die von einer Maschine nur teilweise oder gar nicht ersetzt werden können. Gearbeitet wird von 7.30 bis 16.30 Uhr - so wie in Wetzlar, und sehr früh für portugiesische Verhältnisse.

Ein gutes Beispiel für diese speziellen Tätigkeiten zeigt Maria de Geu Dias Teixieira. Sie kümmert sich um das sogenannte "Ansprengen", die Reinigung und Fixierung von Prismen. "Für manche mag das stupide wirken", sagt die 58-Jährige, "aber ich weiß, dass es etwas Besonderes ist." Sie gehört nämlich zu den einzigen drei Mitarbeiterinnen im gesamten Werk, die diese Arbeit ausüben können. Die verarbeiteten Glasflächen müssen absolut sauber sein und exakt aufeinander passen. Zittern und Schwitzen sind strengstens untersagt.

Ehefrau, zwei Schwestern, der Ehemann - alle arbeiten irgendwo im Werk

Um keine Messergebnisse zu verfälschen, trägt jeder Mitarbeiter speziell stromableitende Kleidung. Einige sind sogar mit einem Armreif, der ebenfalls die Spannung ableitet, an ihren Arbeitsplatz gekettet - natürlich freiwillig und ohne jedes Schloss. Deshalb hat Ana Filipa Rinheiro, die für die Einstellung des Entfernungsmessers an Fotoapparaten zuständig ist, damit auch kein Problem.

Sie lobt ihren Arbeitgeber: "Die Bedingungen hier sind viel besser als in anderen Betrieben des Landes ", sagt die 25-Jährige. Leica habe sich schon immer um die Rechte der Arbeitnehmer bemüht: Regelmäßige Fortbildungen, Krankenkasse, ein hohes Maß an Arbeitssicherheit, dazu Vereinsangebote und Unterstützung in familiären oder finanziellen Notlagen.

"Dadurch arbeiten die Menschen gerne hier", sagt Geschäftsführer Oliveira. Über die Hälfte der Angestellten arbeitet seit mehr als 25 Jahren in Famalicão. Teilweise sind ganze Familien bei der deutschen Firma angestellt. So wie beispielsweise Concincao Mendes Rebelo de Oliveira, 51, die zusammen mit zwei Schwestern, einem Bruder und ihrem Mann im portugiesischem Werk arbeitet. Sie ist schon seit über 30 Jahren im Optikbereich tätig, ihr Mann Adriano Da Cruz Maria seit 25 Jahren in der Finanzabteilung. Beide mögen ihren Arbeitsplatz sehr. Besonders der deutsche Einfluss gefällt ihnen. "Es ist alles gut organisiert", sagt sie. "Was gesagt wird, wird gemacht", sagt ihr 60-jähriger Ehemann, "das finde ich gut."

"Die Mentalitätsunterschiede waren nicht immer einfach"

Dass das nicht selbstverständlich ist, kann man nur erahnen. "Beide Mentalitäten, die deutsche und die portugiesische, miteinander zu vereinbaren war nicht immer einfach", sagt Geschäftsführer Oliveira, "aber inzwischen haben wir das gut hinbekommen."

Im Moment läuft es sehr gut für Leica. Nach einer selbstgemachten Krise vor rund zehn Jahren, als man in Wetzlar zunächst die Entwicklung zur Digitalfotografie verschlafen hatte, hat sich die Marke stabil entwickelt. Inzwischen setzt der Hersteller 245 Millionen Euro um und lässt sich nicht einmal von der Krisenstimmung in der Wirtschaft beeindrucken. Nicht nur in Wetzlar wird ein neues Firmengebäude errichtet, auch in Portugal entsteht eine neue Fabrik.

Manager Limberger erklärt den Erfolg mit der Qualität seiner Produkte. Das Siegel "Made in Germany" kann da nicht schaden. Auch wenn das nur die halbe Wahrheit ist.

Katharina Finke (Jahrgang 1985) ist freie Journalistin in New York. Sie berichtet aus den USA und anderen Ecken der Welt für Zeitungen, Magazine, Online-Medien und deutschsprachiges Fernsehen.

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