KI? Hat hier jemand KI gesagt? Der Frankfurter Kunstverein mit einer kühlen Versuchsanordnung, die vor allem den menschlichen Wunsch nach Nähe zur Maschine zu thematisieren scheint.
Die Empathie muss für allerlei herhalten dieser Tage. Gern wird sie als konstituierende Super-Eigenschaft eines jeden emotional gesunden Menschen vorgebracht – und das entfaltet seine Gültigkeit auch umgekehrt: Wer sich unempathisch zeigt, muss ein gefühlloses Monster sein. Regelmäßig verbreiten auch renommierte Redaktionen Erkenntnisse über sogenannte Psychopathen, wenngleich diese Zuschreibung so in keinem Diagnoseschlüssel der Welt vorkommt. Am anderen Ende der Skala wird Empathie als überbewertet oder gar schon einmal „gefährlich“ deklariert.
In solch Für und Wider wird die verhandelte Fähigkeit nun ihrerseits, was sie vermeintlich gerade nicht sein soll, ein praktisches Werkzeug zum Zwecke. Und wo Form und Inhalt schon verschmelzen, da lässt sich wirklich nicht mehr so leicht erklären, wo und wieso überhaupt ein Unterschied gemacht werden sollte zwischen Mensch und Technik, die seine (erwünschten) Verhaltensweisen aufgreift. Die interessantere Frage, die jetzt die Ausstellung „Empathische Systeme“ im Frankfurter Kunstverein aufwirft, ist denn auch weniger die des unheilvoll anmutenden Missbrauchs menschlicher Empathiefähigkeit durch Technik. Sondern vielmehr, wo der Wunsch nach Nähe herrührt, den der Mensch der Maschine schon ohne viel Zutun entgegenbringt.
Hierzu startet man am besten in der obersten Etage, wo zwei Exemplare aus Theo Jansens „Strandbeest“-Reihe regungslos artig auf ihr Publikum warten. Normaler Weise tollen die aus Plastikröhren, Planen und allerlei anderem Strandgut zusammengesetzten Exoskelett-Wesen durch die Gegend, hier erscheinen sie wie fossile Dinosaurier im Museum. Der studierte Physiker und Autodidakt-Künstler Jansen widmet sich seit dreißig Jahren der Konstruktion „neuer Lebensformen“, wie er sie nennt. Einmal durch Wind oder Muskelkraft in Bewegung gesetzt, kriechen die wie gigantische Raupen oder tänzeln sie wie stolze Krabben über den Strand. Und man kann sich sofort vorstellen, wie die Untoten dort, in einem niederländischen Badeort, zum beliebten, wenn auch mit einigem Respekt aus der Ferne beobachteten Strandmaskottchen werden – sollten sie denn tatsächlich eines Tages autonom zwischen Sand und Meer umherrennen.
Noch tun sie das nur zu ausgewählten Terminen, wie „Strandbeest“-Fans in Internetforen beklagen: Theo Jansens Kunst ist vor allem als Potential zu sehen, das manchmal in der wirklichen Welt sich entfaltet. In diesem Sinne ließe sich auch die Arbeit von Takayuki Todo lesen: Denn wo bekommt die breite Masse schon einmal Gelegenheit, die heiß diskutierten humanoiden Roboter überhaupt in Aktion zu sehen? Weniger im Forschungslabor denn an Orten wie hier, in der Kunstausstellung!
Dort starrt nun in einer nach vorn geöffneten White Cube-Kabine ein ebenso weißes Köpfchen scheinbar regungslos vor sich hin. Erst wer sich ihm nähert, bekommt SEER in Aktion zu sehen: Plötzlich beginnen seine blauen Pupillen, ihr Gegenüber zu verfolgen. Mechanische Gelenke surren, während sich der humanoide Roboterkopf windet und neigt, die Augenbrauen hebt und senkt, um den Blick seines Betrachters zu erwidern, und seine Lider klappern, wenn er die Augen dabei schließt und wieder öffnet. Zumindest kurzzeitig versucht wohl ein jeder, SEER zu lesen, ihn gar – völlig aussichtslos – mit Zurufen und Gesprächen für sich zu gewinnen. Den Grusel aufzulösen, den die Begegnung auch mit sich bringt.
Regelrecht spröde und kühl zeigen sich demgegenüber die Arbeiten von Yves Netzhammer. Zeichnungen, Videos und mechanisch bewegte Installationen bespielt der Schweizer Künstler mit dem für ihn typischen Repertoire aus digital gestalteten Gliederpuppen und dreidimensionalen Formen – eine krude Gruppe von Archetypen, an deren aalglatter Oberfläche jede sinnliche Erfahrbarkeit abperlt wie das Wasser an der Armatur mit Lotus-Effekt.
Während Netzhammers Arbeiten als Vexierbild zwischen Belanglosigkeit und präziser Bedeutung, schwanken, transformieren auch die Formen permanent vom einen ins andere Aggregat. Aus abstrakten Zylindern werden plötzlich Robben oder Wale, und die emotionale Regung folgt (zusammen mit dem sentimentalen Soundtrack) auf dem Fuße: Jetzt ist sie da, die im Videotitel angekündigte „Subjektivierung der Wiederholung“. Man darf sich vorgeführt fühlen.
Apropos Vorführung. Am besten liest man so auch erst ganz zum Schluss, was SEER, der Simulative Emotional Expression Robot, da eigentlich genau macht bei seinem Versuch, jenes unter dem Namen uncanny valley bekannte Unbehagen zu überwinden, das sich als Abgrund zwischen Mensch und menschenähnlicher Technik auftut: Nichts weiter, als den Blick seines Gegenübers so treffend wie möglich nachzuahmen. Das bedarf einiger Auswertung und Mechanik. Allerdings nicht einmal den Hauch von artifizieller Intelligenz.
Bis 08.09. im Frankfurter Kunstverein, kein Katalog
[Kurzfassung in der taz]
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