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Innovativer Mittelstand: Canyon schickt Radprofis besser bergab

Die Produktionshalle von Canyon in Koblenz.

Die Mitarbeiter von Canyon stimmen sich eng mit Profisportlern ab. Da sie deren Bedürfnisse mit immer neuen Modellen erfüllen, verkaufen sich die Hochpreisräder blendend.


Die 700-Kilometer-Rallye Cape Epic in Südafrika ist das womöglich härteste Mountainbike-Rennen der Welt. Das liegt auch an der eingeschränkten Verpflegung: Fahrer dürfen sich nur an wenigen offiziellen Stationen mit Getränken versorgen, normalerweise passt nur eine Flasche an ein Rad. Die Mitarbeiter der Koblenzer Radfabrik Canyon wollten das für ihr Rennmodell Lux nicht akzeptieren. Sie bauten den kompletten Rahmen um und setzten die Federung an die Querstrebe. Nun ist Platz für eine zweite Flasche.

So läuft das bei Canyon. Die Entwickler arbeiten in enger Abstimmung mit den Radprofis. „Bei uns sind Mitarbeiter am Werk, die selbst vom Radfahren begeistert sind", sagt Geschäftsführer und Entwicklungsleiter Michael Kaiser. „Sie kennen die Bedürfnisse eines Radsportlers." Heraus kommen dann auch Innovationen wie eine Vorrichtung zur Trennung von Federung und Antrieb für Mountainbikes, die Bergabfahrten komfortabler machen soll. Oder der „Grail" - ein Rennrad, das dank seines speziellen Doppellenkers auch für raues Terrain geeignet ist. Fans bescheinigen Canyon, mit dem Modell das „Rad neu erfunden" zu haben.


Begonnen hat die Geschichte von Canyon in den Achtzigerjahren. Der spätere Firmengründer Roman Arnold fuhr damals Radrennen, sein Vater fing an, bei den Wettkämpfen seines Sohnes Fahrradzubehör zu verkaufen, aus einem Anhänger heraus. Das lief gut, bald schon wurde die familieneigene Garage zur festen Verkaufsstelle. Als sein Vater starb, übernahm Roman Arnold das Geschäft. 1985 eröffnete er einen Laden in der Koblenzer Innenstadt und konstruierte Ende der Neunzigerjahre sein erstes Modell.

Seitdem ist das Unternehmen enorm gewachsen. Im Jahr 2006 hatte es 50 Mitarbeiter, heute sind es fast 1000. „Wir waren vor ein paar Jahren noch ein ganz kleiner Betrieb und sind jetzt auf dem Weg zum Großunternehmen", sagt Geschäftsführer Kaiser, der Canyon als angestellter Firmenchef gemeinsam mit Roman Arnold und dessen Bruder Lothar leitet. Jährlich verkauft Canyon fast 100 000 Fahrräder, Tendenz steigend. Das Programm umfasst rund 300 Modelle, zuletzt erzielte der Fahrradhersteller einen Umsatz von gut 200 Millionen Euro.


Dabei können Kunden ihr neues Sportgerät vor dem Kauf kaum testen, obwohl es leicht 3000 Euro und mehr kostet. Canyon verkauft nur im Direktvertrieb, meist über die Webseite. Viele Kunden sehen ihr Rad erst zu Hause, wenn sie es aus dem Paket holen. Probesitzen können sie nur im Verkaufsraum der Koblenzer Zentrale.


Die Zentrale mit Produktionshalle wirkt mehr wie ein Campus im Silicon Valley als wie eine mittelständische Fabrik. 2008 gebaut, mit viel Sichtbeton, Glasflächen und einem Bistro mit Designerstühlen, soll sie den Austausch zwischen Entwicklern fördern.


Hier arbeiten sie an Innovationen, wie etwa den Mountainbikes, die sich viel komfortabler bergab fahren lassen als herkömmliche Modelle. Damit sich Sportler möglichst sicher fühlen, setzt Canyon als nach eigener Aussage einziger Fahrradhersteller weltweit auch auf Computertomografen. Die sollen die sensiblen Carbon-Bauteile auch auf kleinste Risse prüfen. Risse, die unter Belastung zu schweren Beschädigungen führen können. Die Geräte kommen bei Canyons asiatischen Zulieferern zum Einsatz, die jedes Teil scannen, bevor sie es nach Deutschland verschiffen.


Zusammengebaut werden die Teile in der großen Produktionshalle am Rand von Koblenz. Theoretisch könnte Canyon hier nun jedes Fahrrad einzeln konfigurieren und es dann dennoch am Fließband bauen, ähnlich wie in der Automobilindustrie. Bis jetzt scheitert die totale Individualisierung noch an den IT- und Lagersystemen. Sobald die aber so weit sind, will Canyon loslegen. „Unsere Montage ist eine der modernsten in ganz Europa", sagt Geschäftsführer Kaiser.


Lohn der Innovation sind sportliche Erfolge. Bei der Tour de France etwa rüstet Canyon zwei Teams aus. Und beim Ironman auf Hawaii saßen die Sieger der vergangenen vier Jahre jeweils auf einem aerodynamisch besonders raffinierten Speedmax-Modell von Canyon. Das gibt es auch für Amateure - zu Preisen ab 5500 Euro.

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