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Manege frei: Tierschützer und Zirkusse streiten über Löwen und Co.

In Stuttgart ist der Streit um ein Wildtier-Verbot für Zirkusse neu entbrannt. Tierschützer kritisieren die Haltung der Tiere. Zuständig ist zwar der Bund, aber immer mehr Städte erlassen eigene Regelungen.

Vom Julian Weber, dpa

Stuttgart – Von den blauen Plakaten grüßen zwei Elefanten, imposante Stoßzähne ragen aus ihrem Maul. Ihre Rüssel flankieren eine goldene Krone. Zusammen kündigen sie den nach eigenen Angaben größten Zirkus der Welt an: den Circus Krone. Der Betrieb gastiert seit Donnerstag auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart. Mit dabei sind 23 Löwen, drei Tiger, sechs Elefanten, ein Nashorn - und die Diskussion um ein Wildtier-Verbot in Zirkussen.

Hinter dem Zelt des Circus Krone reihen sich die Käfige. In einem aalt sich ein Löwe mit königlicher Mähne in der Sonne, die Beine weit von sich gestreckt. Von den Besuchern trennt ihn nur ein Gitter aus Stahl, vom Asphalt eine dünne Schicht aus Sägespänen. Die Elefanten stehen in einem Zelt, es riecht nach Dung. In einer anderen Ecke des Geländes kreischen quietschbunte Papageien. Insgesamt sind etwa 100 Tiere mit dem Zirkus nach Stuttgart gereist.

Die Befürworter des Wildtier-Verbots kritisieren vor allem die Bedingungen, unter denen die Tiere gehalten werden. «In einem fahrenden Zirkus kann man den Ansprüchen der Tiere nicht gerecht werden», sagt Martina Klausmann vom Landestierschutzverband. Außerdem seien die Sicherheitsbestimmungen nicht ausreichend - das habe man 2015 in Buchen (Neckar-Odenwald-Kreis) gesehen. Damals war eine Elefantenkuh aus ihrem Zirkus ausgebrochen und hatte einen Spaziergänger getötet.

Während Elefanten, Löwen und Co. in der Manege ihren großen Auftritt haben, kommt es deshalb vor dem Zirkuszelt immer wieder zu Protesten. Die Tierrechtsorganisation Peta hat auch in Stuttgart eine Aktion angekündigt. Als Tiere verkleidet wollen Tierschützer die Besucher mit Plakaten und Flyern über die Problematik informieren.

Damit wolle man ein Zeichen setzen und Stuttgart darin bestärken, an dem Wildtier-Verbot festzuhalten, sagt eine Sprecherin. Denn auf den öffentlichen Plätzen der Landeshauptstadt dürfen seit 2011 nur Zirkusse gastieren, deren Vorführungen ohne Wildtiere auskommen. Für den Cannstatter Wasen gilt noch bis April 2019 eine Ausnahmeregelung.

Für Zirkusfreunde ist das Verbot ein Alptraum. «Dieses Verbot ist in keinster Weise gerechtfertigt. Die Zuschauer sehen die Tiere als willkommene Bereicherung», sagt Ulf Körber von der Gesellschaft der Circusfreunde. Falls das Verbot weiter bestehen sollte, könne man zusehen, wie eine wichtige Kultureinrichtung zu Grabe getragen werde. Der gemeinnützige Verein hat in Stuttgart eine Kundgebung und eine öffentliche Zoobesichtigung geplant.

Die rechtliche Situation ist kompliziert. Ein generelles Wildtier-Verbot zum Tierschutz kann nur der Bund verabschieden. Laut Staatsministerium hat die Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag aber vereinbart, für eine Bundesratsinitiative zum Wohl der Zirkustiere einzutreten. Dieser Vorschlag scheitere jedoch immer wieder an der Bundesregierung, sagt Tierschützerin Klausmann.

Die Städte im Südwesten reagieren unterschiedlich auf die Forderungen. Einige hätten ein Verbot beschlossen, andere seien liberaler und setzten auf verstärkte Prävention, sagt Gerhard Mauch, Dezernent beim Städtetag in Stuttgart. Der Kommunalverband habe sich nicht für ein Verbot ausgesprochen.

Die Verantwortlichen vom Circus Krone sehen die Verbotsvorhaben gelassen. «Die Städte verstoßen mit diesen Regelungen gegen das Grundgesetz. Deshalb fallen die Verbote auch wieder wie die Fliegen von der Wand», sagt der Tierschutzbeauftragte vom Circus Krone, Frank Keller. In Chemnitz sei ein ähnliches Verbot bereits gekippt worden, da es die Berufsfreiheit der Tiertrainer einschränken würde.



Was spricht für Wildtiere im Zirkus - und was dagegen?

Ein Gastspiel des Circus Krone in Stuttgart entfacht erneut die Diskussion um ein Wildtier-Verbot. Was spricht für die Haltung der Tiere im Zirkus, was dagegen?

PRO: Zirkusfreunde betonen, dass die Kunststücke der Tiere an natürliche Verhaltensweisen angelehnt seien. Auch die Haltung von Elefanten, Löwen und Co. sei artgerecht. «Alle Tiere besitzen großzügig bemessene Innen- und Außengehege, die in ihrer Gestaltung auf die biologischen Bedürfnisse der Tiere eingerichtet sind», heißt es in einem offenen Brief der Gesellschaft der Circusfreunde. Diese Vorgaben würden vom Veterinäramt regelmäßig überprüft.

«Der Circus Krone ist der meist kontrollierten Tierhaltebetriebe der Welt. Wir werden einmal pro Woche kontrolliert - das passiert in keinem Stall zur Schweinemast», sagt Frank Keller, Tierschutzbeauftragter vom Circus Krone. Die meisten Tiere stammten ohnehin nicht mehr aus freier Wildbahn.

«Die Zeiten sind vorbei, in denen man mit dem Blasrohr nach Afrika (gefahren) ist und Wildtiere mitgebracht hat. Unsere Löwen sind zum Beispiel bereits in der 16. Generation in menschlicher Obhut geboren und aufgewachsen», sagt Keller. Laut der Gesellschaft für Circusfreunde käme das Freilassen einem Aussetzen gleich.

KONTRA: Tierschützer kritisieren vor allem die Bedingungen der Haltung. «Die Unterbringung in kleinen Gehegen, die ständigen Transporte sowie die von Gewalt und Zwang geprägte Dressur führen zu Verhaltensstörungen, Krankheiten und oftmals zu einem frühen Tod», heißt es in einer Erklärung der Organisation Peta.

Durch die provisorischen Gehege könnten die Zirkusse ein Sicherheitsrisiko darstellen. «Zwischenfälle wie 2015 in Buchen zeigen, dass es nicht sicher ist. Sachschäden sind immer möglich», sagt Martina Klausmann vom Landestierschutzverband. Damals tötete ein entlaufener Elefant einen Spaziergänger in Buchen (Neckar-Odenwald-Kreis).

Der Landestierschutzverband widerspricht auch der Ansicht, dass die Tiere im Zirkus nicht mehr wild seien. «Laut Biologen dauert die Domestizierung von Tieren, wie etwa dem Wolf, mehrere Jahrtausende. Nach ein paar Generationen ist das noch lange nicht der Fall», sagt Klausmann. Die Tiere könnten zwar an den Menschen gewöhnt sein, aber ihr Instinkte ließen sich nicht einfach abschalten. Ein Leben in Freiheit sei jederzeit möglich.


Das Wildtier-Verbot der Stadt Stuttgart

In Stuttgart gilt seit 2011 ein Wildtier-Verbot für Zirkusbetriebe. Auf den öffentlichen Plätzen der Landeshauptstadt dürfen daher nur Zirkusse gastieren, deren Vorführungen ohne Wildtiere auskommen. Das sogenannte Stuttgarter Modell sah bisher aber eine Ausnahme für den Cannstatter Wasen vor, da dort ausreichend Platz für die Gehege und Ställe ist.  
Im Januar hob der Gemeinderat diese Sonderregelung aber auf. Ab dem 1. April 2019 gilt das Verbot in ganz Stuttgart. Private Plätze sind von dieser Regelung aber nicht betroffen. Dem Gemeinderatsbeschluss zufolge geht es um Tiere wie Menschenaffen, Delfine, Greifvögel, Pinguine, Nashörner, Wölfe, Krokodile, Bären, Elefanten, Flusspferde, Giraffen, Robben, Großkatzen, Lamas, Papageien, Kängurus oder Zebras.

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