Seit Montag sind sie geklettert. Vorschriftsmäßig, in Sicherheitsmontur mit Warnweste, Bauhelm und doppeltem Karabinerhaken. Jarek Zylinski und Marcin Kwiatosz seilen sich an dem 42 Meter hohen Stromast auf und ab. Die Reparaturarbeiten des Energiebetreibers Westnetz nach dem Unitymedia-Großausfall erwiesen sich diese Woche als recht schwierig und damit langwierig. Seit Montag wurde die Glasfaserleitung in schwindelerregender Höhe erneuert, die ein Kabeldieb über Nacht gekappt hatte. Fünf Masten waren betroffen, insgesamt 1,5 Kilometer Kabel beschädigt, die das Medienunternehmen beim Netzbetreiber Amprion - zuständig für die Glasfaserkabel - gemietet hat, um seine Kunden zu versorgen.
Der Kriminalfall hat die Rheinberger die zurückliegenden neun Tage arg beschäftigt. Zwangsläufig. Kein Internet, kein Festnetz. Beim TV-Empfang konnte Unitymedia ein Provisorium einrichten. Der Anbieter fing mit einer mobilen Station - ein Mercedes Sprinter mit Schüssel parkte an der Alpener Straße - das Satellitensignal ein und speiste es ins Netz. Das kam bei RP-Leser Jürgen Kroneberg in Alpsray allerdings nicht an. „Mein Bild wurde im Sekundentakt unterbrochen", sagte er. Von Fernsehen könne keine Rede sein. Er vermutet, dass seine recht neue Horizon-Box das Signal nicht umsetzen könne. Wie Unitymedia-Sprecher Helge Buchheister sagte, könne der Bildausfall nur fürs Bezahlfernsehen gelten. Das brauche Internet. „Die öffentlich-rechtlichen Sender müssten empfangbar gewesen sein."
Bei den beiden anderen Dienstleistungen waren dem Unternehmen die Hände gebunden, so Buchheister. Der Netzbetreiber habe es sich „vermutlich aus Sicherheitsgründen" nicht aus der Hand nehmen lassen, die Kabellücke über 1,2 Kilometer selbst zu schließen und so erst am Montag mit der Ausbesserung begonnen.
Tatort war das Werksgelände der Schachtanlage Rossenray in Kamp-Lintfort. Hier hatten Unbekannte in der Nacht auf Dienstag, 16. Oktober, in 42 Meter Höhe das Breitbandkabel vermutlich mit einem Bolzenschneider gekappt und 200 Meter davon abtransportiert. Dabei wurde eine halbe Stadt kommunikativ regelrecht lahmgelegt. Das zwei Zentimeter dicke Kabel war oben auf den Spitzen der Masttürme sehr straff gespannt. Eine lebensgefährliche Aktion. „Da hatte jemand mächtig Glück, dass die Spitze beim Abschneiden nicht abgeknickt ist", sagt ein Mitarbeiter der Firma Bilfinger FRB kopfschüttelnd. „Das muss da oben schaurig gewackelt haben."
Bei den Fachleuten auf der Baustelle herrscht Fassungslosigkeit über so viel kriminelle Energie. Das Kabel wiegt pro Meter sechs Kilo. Wer sich für ein Glasfaserkabel in solche Gefahr begibt, bleibt spekulativ. Michael Moog, Bauleiter von der Westnetz, kann sich nur vorstellen, dass der Kabeldieb es auf massives Aluminium abgesehen hatte.
Moog schaut immer wieder den Mast hoch. Er überwacht die Arbeiten in der Höhe. Bis gestern Nachmittag wurde noch emsig geklettert. Die Enden wieder so aneinander zu binden, dass das superschnelle Signal wieder ungehindert fließt, ist ein hochkompliziertes Verfahren. Das erfordert Fingerspitzengefühl und Konzentration. Christian Klopsch der Firma Vitronet Holding spinnt am Boden die hauchdünnen Fäden nach und nach ein. Farbe für Farbe; sorgfältig, damit bloß kein Fehler passiert. Die Käbelchen werden zusammen in die Kabeltrasse eingebunden, die dann wieder auf die Mastspitze kommt. „Den Kollegen steht der Schweiß dabei auf der Stirn", so Moog.
Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen. Wie hoch der Schaden ist, kann bislang niemand sagen. Der materielle ist überschaubar. Weniger der Imageschaden für den Mieter der Netztrasse. Die betroffenen Unitymedia-Kunden sind sauer. „Verständlich. Wir bedauern die Unannehmlichkeiten sehr", so der Sprecher, der auch eine interne Panne einräumen muss. Das Unternehmen hatte bereits am Dienstagsabend den Kunden, deren Handynummer bekannt war, per SMS mitgeteilt, dass alles wieder gut sei. War's aber nicht. „Das hat bedauerlicherweise zu zusätzlichen Irritationen geführt."