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Sexismus: Welche Sprüche sich Joggerinnen anhören müssen – Laufkolumne von Anna Achilles

Dienstagabend, Leidenszeit: Mit Lauffreundin Lena jogge ich an der Spree entlang. Wir haben es gleich geschafft: nur noch ein Kilometer. Ein paar Meter von uns entfernt stehen zwei Männer um die 20, mit Basecaps, die Hände in der Hosentasche. Wir laufen an ihnen vorbei, ignorieren ihre abcheckenden Blicke. Da ruft einer der beiden: "Sport-BH hilft, Mädels." Er grinst frech. Der andere johlt. Ich bin so perplex, dass ich überhaupt nicht reagiere, sondern einfach weiterlaufe. Nach wenigen Sekunden verlangsame ich meine Schritte und drehe mich zu Lena. "Was war das denn?", frage ich. "Kein Plan", antwortet sie und guckt skeptisch in Richtung ihrer Brüste: "Wackelt da so viel, wenn ich laufe?". "Nee, gar nicht", sage ich entrüstet, "diese Typen sind einfach Idioten."

Das Problem: Solche Sprüche sind keine Seltenheit. Trage ich Alltagskleidung, quatscht mich niemand dämlich an. Joggend, im Sportoutfit, dagegen ständig: von harmlosen "schneller-schneller"-Rufen über anzügliche Aufforderungen zum Beischlaf bis zu absurden Kommentaren wie "Mädchen, du schaust viel zu sauber aus". Eine Freundin berichtet, dass ihr beim Laufen manchmal Männer hinterherjoggen, die sie kaum losbekommt. Eine andere erzählt, dass ein Typ mit der Hand signalisiert habe, er wolle ihr an die Brust fassen.

Schon klar, dass man das andere Geschlecht beim Sportmachen gerne anguckt. Das gilt übrigens auch für Frauen. Aber es gibt einen Unterschied zwischen Abchecken und Belästigung. Außerdem: Haben Sie jemals erlebt, dass eine Frau einem Jogger "geiler Arsch" hinterherruft und dann mit ihren Freundinnen High Five einschlägt? Eher nicht. Und ja, natürlich sind die meisten Männer ganz anders. Bloß: Es sind die Ausnahmen, die im Gedächtnis bleiben. Die Folge: Viele fühlen sich verunsichert. Es gibt Frauen, die ungern alleine laufen. Und wenn doch: nur mit Handy.

Joggerinnen sind leichte Opfer

Aber warum werden Sport treibende Frauen zur Steilvorlage für sexistische Kommentare? Liegt es an der Kleidung? Klar, Sportoutfits sind körperbetont: Die Leggings sitzen eng, im Sommer ist das Outfit knapp. Aber mal ehrlich: Brauchen wir nach dem Hot-Pants-Verbot jetzt auch noch eine Regelung für Sportkleidung? Sollen wir nur noch in schlabbrigen Jogginghosen laufen? Oder uns lieber gleich komplett in einen weißen Schutzoverall einhüllen, so wie Chemiker im Labor? Nein, bitte nicht. An sexistischen Kommentaren sind nicht die Läuferinnen schuld.

Übrigens: Lange Zeit wurden Beach-Volleyballerinnen genötigt, auf dem Platz Bikini-Höschen zu tragen, deren Seitenrand nicht breiter als sieben Zentimeter sein durfte. Jetzt sind endlich auch Shorts erlaubt. Auch die Rock-Pflicht für Boxerinnen wurde - glücklicherweise - abgewehrt. Bitte keine neuen Kleiderordnungen. Alle sollen selbst entscheiden dürfen, was sie tragen möchten.

Außerdem: Selbst ein Lauf-Overall wäre kein Garant gegen sexistische Kommentare. Die Hemmschwelle, Sport treibende Frauen zu beleidigen, ist einfach geringer. Vermutlich würde sich keiner dieser Männer trauen, eine Frau im schicken Kleid oder Hosenanzug anzusprechen. Aber Joggerinnen sind leichte Opfer. Sie sind quasi wehrlos: nur in enge Funktionsfaser gehüllt, ohne Handy, ohne Handtasche. Verteidigungsmöglichkeit gleich Null.

Noch dazu fühlt man sich eh schon beschissen: Man schwitzt, kämpft gegen die Anstrengung und kriegt kaum Luft. Außerdem hat der Sprücheklopfer den Überraschungsmoment auf seiner Seite. Bevor die Läuferin realisiert, was ihr da zugerufen wurde, ist sie schon einige Meter weitergelaufen. Jetzt noch mal umdrehen, um den Typ zur Rede zu stellen? Auch doof. Dann verliert man wertvolle Trainingszeit.

Vielleicht fühlen sich manche Männer von sportlichen Frauen herausgefordert, weil sie selbst keine 500 Meter am Stück rennen können. Oder sie müssen sich vor ihren Kumpels profilieren.

Das nächste Mal...

"Warte mal kurz", sage ich zu Lena. Ich laufe ein paar Meter zurück, zu den Typen mit den Basecaps. Als sie mich sehen, verschwindet ihr Grinsen aus dem Gesicht. Sie sehen verunsichert aus. Ich stelle mich direkt vor sie, drücke den Rücken durch, um mich großzumachen. Dann hole ich tief Luft: "Wisst ihr was, ihr kleinen Klugscheißer", rufe ich aufbrausend. Zur Unterstützung hebe ich die rechte Hand. "Lauft ihr erst einmal zehn Kilometer unter einer Stunde. Dann können wir weiterreden. Bis dahin haltet ihr gefälligst die Klappe." Dann drehe ich mich um und jogge weg.

Okay, ich muss zugeben: Diese Szene habe ich mir ausgedacht. Aber das nächste Mal werde ich so reagieren.

Was Anna Achilles sonst noch beim Laufen erlebt, lesen Sie im E-Book: "Atemlos durch die Stadt - Blutjunge Lauf-Anfängerin gibt alles".

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