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Klamauk mit viel Kawumm

Deutschlandfunk Kultur, Lesart, 10. April 2018: Zwei tollpatschige Agenten, viel Slapstick und ein Gag nach dem anderen: "Clever & Smart" war in Deutschland ein Verkaufsschlager. Der Carlsen-Verlag legt die Comic-Serie des spanischen Zeichners Francisco Ibáñez neu auf. Ich habe den Erfinder des Comics in Barcelona für Deutschlandfunk Kultur getroffen.

"Humor funktioniert überall gleich", sagt Francisco Ibáñez. Der Mann muss es wissen. Schließlich ist er Spaniens international erfolgreichster Comiczeichner. In über 30 Ländern kennt man seine trotteligen Agenten Mortadelo und Filemón, wie Clever und Smart im Original heißen.

Ibáñez – dicke Brille, schütteres Haar und unverwüstliche 82 Jahre – sitzt im Büro seines spanischen Verlages und blättert durch die ersten Exemplare der deutschen Neuauflage. An ihrem Erfolg hat er, natürlich, keine Zweifel.

"Ich liebe diese etwas altmodischen Slapstick-Filme wie Dick und Doof. Das gefällt überall – und genau das gleiche mach ich mit meinen Comics: Ein Gag hinter dem anderen. Und zum Schluss ein Schild mit der Aufschrift Ende."

208 Clever & Smart-Bände hat Ibáñez seit 1958 gezeichnet, alle nach dem gleichen Muster: Fred Clever und Jeff Smart erhalten einen abstrusen Auftrag, den sie entweder mit Bravour in den Sand setzen oder durch puren Zufall zu Ende bringen. Zwischendurch verkleidet sich Clever als Känguruh, Goldfisch oder Bettvorleger, Smart steckt Prügel ein und der durchgeknallte Wissenschaftler Dr. Bakterius bringt mit seinen Erfindungen alle an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Dazu gibt’s Fensterstürze, Beulen, Explosionen. Klamauk mit viel Kawumm, der funktioniert, eben weil er sich ständig wiederholt.

Warum er ausgerechnet in Deutschland so viele Fans habe? Der Altmeister zuckt mit den Schultern. Es hätte auch anders kommen. Schließlich verballhornte Ibáñez in seinem ersten, 1972 auf deutsch erschienen Band sämtliche Klischees: von dumpfbackigen preußischen Pickelhaubenträgern bis zu einem strohblonden Diktator mit dem hübschen Namen Bruteztrausen.

"Ich hab damals nach deutschen Begriffen im Wörterbuch gesucht, aber wenn mir das zu aufwändig war, hab ich einfach was erfunden, was deutsch klang – man muss halt überall ein ‚Hausen‘ dranhängen."

Der Condor-Verlag versuchte damals die Nazi-Anspielungen zu mildern und machte aus Bruteztrausen Tyrannis. In der Neuauflage von "Keine Angst, wir retten die Welt!" hat der Carlsen-Verlag ihn Brutalovic getauft, die Übersetzungen auch anderswo entschlackt und behutsam aktualisiert. An einer Stelle fragt Fred Clever nach Angelina Jolie, an anderer Stelle wird über Fake News geschimpft. Das war's auch schon mit Zeitgeist und Zielpublikum geschuldeten Anpassungen. Der Rest ist Original späte 60er.

Neben den Klassikern sollen auch einige der aktuelleren Bände übersetzt werden. In ihnen sorgen Kim Jong Un, Donald Trump und der skandalumwitterte Schatzmeister von Spaniens korrupter Volkspartei für Zeitbezug. Ein Zugeständnis an Ibáñez treuestes Publikum: Die spanischen Babyboomer, die in den 60er- und 70er-Jahren mit den bunten Heftchen des Verlagshauses Bruguera Lesen lernten, wollen was zu lachen haben.

"Meine Bücher lassen sich auf zwei Arten lesen: Die Kinder lachen über die Verfolgungsjagden und Prügeleien – und die Erwachsenen gucken auf die aktuellen Bezüge, was macht der, was sagt jener. Wenn man das gut macht, kann man beide Gruppen erreichen. Außerdem bleiben durch solche Gastauftritte auch Mortadelo und Filemón jung. Was ich nicht will, ist Gesellschaftskritik betreiben oder politische Satire. Das können die Karikaturisten aus den Zeitungen viel besser."

Reine Unterhaltung – mehr wollte und konnte Francisco Ibáñez nie. Der erste Mortadelo und Filemón-Band erschien mitten in der Diktatur.

"Auf Franco irgendwie Bezug zu nehmen, war undenkbar! Denn dann hätte die Zensur das einkassiert und ich hätte im Valle de los Caídos Steine klopfen dürfen. Wir konnten am Anfang nicht mal die Polizei Polizei nennen. Statt dessen habe ich Gendarmerie oder Police geschrieben. Beim Arbeiten hatte ich immer ein Auge auf dem Papier, ein anderes bei der Zensurbehörde. Ich hätte es mir allein schon zeitlich nicht leisten können, irgendetwas neu oder anders zeichnen zu müssen. Ich hatte einfach zu viel zu tun."

Bis zu 20 Seiten pro Woche produzierte er zu Hochzeiten, seine Kollegen kamen auf gerade mal fünf oder sechs. Massenware zu fabrizieren: Das hat Ibáñez ebenso wenig gestört wie der Vorwurf, bei den belgischen Großmeistern Hergé und Morris abgekupfert zu haben. Für den persönlichen Stempel blieb dennoch Platz: Irgendwo taucht fast immer unvermittelt eine Aubergine oder ein sechsbeiniges Krabbeltierchen auf.

"Ich liebe meine Gewohnheiten", sagt Ibáñez – im Alter ganz besonders. Auch mit 82 setzt er sich jeden Morgen pünktlich um acht an den Zeichentisch.

"Ich arbeite eigentlich genauso viel, aber ich produziere weniger, ich bin langsamer geworden. Ohne Arbeit wäre mir langweilig, ich wüsste einfach nicht, was ich machen sollte. Hobbys wie Boule oder Skat interessieren mich nicht. Ich will zeichnen. Wenn die Leute mich fragen, wann ich aufhöre, sage ich immer: Meine Rente wird 'bumm', der große Knall. Und zwar dann, wenn mir beim Zeichnen der Kopf auf die Tischplatte fällt."

Bei Clever und Smart würde sich das vermutlich so anhören. Und bereits im nächsten Bild spazierte Francisco Ibánez dann ganz unversehrt und beulenfrei weiter.


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