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Warum Konsum uns auf Dauer nicht glücklich macht, eine kurze Arbeitswoche aber schon

via Pixabay

40 Stunden Arbeiten, womöglich in einem unliebsamen Job, Geld scheffeln, es gegen Waren und Dienstleistungen tauschen, die man eigentlich nicht braucht - das ist unser aller Leben, hier und heute.

Und warum? Weil der Belzebub im Schlipsanzug uns glauben macht, dass dieses Auto, dieses Smartphone und dieses Kleid uns glücklich machen. Aber nur solange, bis das neue Modell das alte binnen eines Augenzwinkerns zu (Sonder-)Müll erklärt.

Und dennoch konsumieren wir weiter, unsere Häuser und Wohnungen platzen vor Massen an Kleidung, Accessoires und Elektronik. Den Überblick über unser Hab und Gut haben wir dabei längst verloren. „Manchmal ist es einfacher, eine neue Hose zu kaufen als nach der Alten in dem übervollen Kleiderschrank zu suchen", sagte mir mal jemand. Und Zeit, um sich an den neuen Sachen zu erfreuen haben wir erst recht nicht, denn morgen früh müssen wir ja wieder zur Arbeit...

Ist das der Sinn des Lebens? Arbeiten, um zu konsumieren? Konsumieren, ohne Zeit zu haben zum Genießen? Soll dieser Lebensstil uns auf Dauer glücklich machen? Ich habe Zweifel und den starken Verdacht, dass uns dieses Leben nur das bringt: Burnout und vorzeitige Vergreisung. Riesige Müllhalden unter giftigen Dunstwolken. Und einen bald unbewohnbaren Planeten.

Auf der Suche nach einer Lösung aus diesem Dilemma, besuchte ich mal einen Vortrag von Niko Paech, Thema „Befreiung vom Überfluss: Es geht auch ohne Wirtschaftswachstum". Und ich muss sagen: Danach war ich nicht mehr dieselbe. Ein Gedanke machte sich breit: Niko Paech for Präsident!

Der Vortrag liegt zwar schon ein paar Jahre zurück. An Aktualität hat er allerdings nicht verloren. Noch gar nicht. Leider. Im Folgenden versuche ich, den Vortrag zusammen zu fassen.


Wer ist Niko Paech?

Niko Paech forscht und lehrt u.A. in den Bereichen Klimaschutz, nachhaltiger Konsum, Nachhaltigkeitskommunikation und Postwachstumsökonomik. /Er selbst lebt auch das, was er predigt. Er kauft sich keine neuen Kleidung, besitzt kein Auto und fliegt nicht in Urlaub.


Die Lügen der Wirtschaftswachstum-Befürworter

Der Vortrag greift ein Thema auf, das wohl immer wieder diskutiert wird, aber bei der großen Mehrheit der Wirtschaftsheinis auf taube Ohren stösst: Es geht um Postwachstumsökonomie.

Ganz unverblümt veranschaulicht Paech die Lügen, die uns Otto-normal-Menschen seit Jahrzehnten (oder gar Jahrhunderten?) seitens der Wirtschaft propagiert werden:


Lüge 1: Wirtschaftswachstum wird nachhaltiger und klimafreundlicher, wenn wir nur genügend technischen Fortschritt vorantreiben, bessere Technologien entwickeln, grünere Autos bauen, etc.
Lüge 2: Ständiges Wirtschaftswachstum wird uns glücklicher machen und soziale Sicherheit bringen.

Die Mär' vom grenzenlosen Wachstum ist eine Illusion

Grenzenloses Wachstum auf einem Planeten mit begrenzten Rohstoffen? Finde den Fehler! Denn schon jetzt stoßen wir an Grenzen:


Ressourcen- Grenzen

Wir stehen vor einer Verknappung von Ressourcen. Dabei ist längst nicht nur das Öl gemeint, sondern auch andere essentielle Ressourcen wie

Metalle und Seltene Erden (wegen Coltan, das in jedem Handy oder Smartphone gebraucht wird, werden in Afrika Kriege geführt), Trinkwasser (auch in Europa) und Landflächen zum Anbau von Nahrungsmitteln (in Deutschland!)

Glücks-Grenzen

Ein Mantra, dass immer wieder gepredigt wird, ist: Materieller Wohlstand wird unser Leben erleichtern, was dazu führen wird, dass wir zu Glückskeksen mutieren.

Fehlanzeige, sagt Paech. Zwar geht es uns, was materiellen Wohlstand angeht, besser - das, was sich in den 1980ern-90ern nur die Oberschicht zu leisten im Stande war, kann heute jeder Bürger ebenfalls. Wenn Hartz IV- Empfänger sich mit ihrem Smartphone an einem Flugschalter nach Mallorca noch schnell ein Samurai-Schwert bei Ebay ersteigern, so ist es heute keine Utopie mehr.

Aber glücklicher hat uns solch ein Wohlstand irgendwie nicht gemacht. Es ist sogar schon soweit gekommen, dass nicht nur Psychologen und Soziologen sich mit dem Thema „Glück" befassen.

So ganz nach dem Motto „Wir sind frei, wir haben kein Recht darauf, unglücklich zu sein" versuchen Wirtschaftswissenschaftler Zusammenhänge zwischen der gesellschaftlichen Lage und der Befindlichkeit des Subjekts zu erörtern. Ihre Überschriften lauten „Fluch der Moderne: Verdammt zum Glück" (Bruckner 2001) und „Das erschöpfte Selbst" (Ehrenberg 2004). Die Menschheitsgeschichte wird als Siegeszug gegen Repressalien jeglicher Art beleuchtet - frei von Kirche, frei von Diktaturen, frei unser Leben so zu gestalten, wie wir es schon immer wollten.

Diese Freiheit haben wir nun auch. Sollte eigentlich bedeuten: Wir müssten glücklich sein ohne Ende. Müssten. Sind wir aber nicht. Zu sehen ist dies, so Paech, an der Zunahme an Antidepressiva, die in den letzten Jahren dramatisch gestiegen ist. Offenbar brauchen die Menschen mittlerweile chemische Substanzen in Form von Medikamenten, um sich „glücklich" zu fühlen.


Kritik an „Green Economy"

Zwar hat die Wirtschaft auf die letzten großen Krisen (etwa die Finanzkrise, Schuldenkrise, vielleicht auch Fukushima) reagiert und sich um mehr „grüne" Produkte bemüht. So wurde mehr Bionade produziert, 3-Liter-Autos gebaut und Bio-Cotton-Jutebeutel genäht, so Niko Paech. Dennoch sei die Annahme, dass das Wirtschaftswachstum verträglicher sei, wenn es „grün" werde, nichts weiter als ein Mythos.


Das Problem: „Green Economy" will uns glauben lassen, dass wir an unserer Lebensweise nichts ändern brauchen, denn das würde ja die neue, verbesserte Technologie schon für uns übernehmen.


Paech veranschaulicht dies an einem Werbeplakat. Darauf zu sehen ist ein rasendes Auto in einer grünen Landschaft und daneben der Slogan: „Ändern sie nicht Ihren Fahrstil. Sondern Ihr Auto." Die Botschaft ist fatal, so Paech, denn je mehr Nachhaltigkeitssymbole verfügbar sind, desto mehr schädliche Praktiken lassen sich damit kompensieren:


So glauben wir, dass wenn wir ein umweltfreundliches Auto fahren, wir dann keine Umweltsünder mehr sind, auch wenn wir damit täglich 100 Kilometer zwischen Arbeit und Bio-Eigenheim zurücklegen. So glauben wir, dass wenn wir nur genügend „Bio"-gelabelte Getränke trinken, wir nicht auf den alljährlichen Flug auf die Malediven verzichten müssen. Die Verwendung von ökologischen Produkten entspräche einem Ablasshandel in der Kirche, so Paech.

Materieller Wohlstand und Stress - gibt's da einen Zusammenhang?

Trotz materiellen Wohlstands scheinen viele Menschen unglücklich zu sein. Weder das herkömmliche noch das „grüne" Wirtschaftswachstum haben dazu beigetragen, dass Menschen sich glücklich fühlen. Woran liegt das?


Paech sagt, wir sind schlichtweg überfordert und gestresst. Und hat damit recht, denn ihr kennt es sicherlich: Gerade habt ihr euch ein neues Smartphone zugelegt, euch mit Ach und Krach an die neuen Funktionen und die neue Tastatur gewöhnt und dann bäm!, schon schmückt das neue Modell die Schaufenster. Noch schöner, noch leistungsfähiger, noch lifestyliger. Und auch wenn ihr euch gegen den Neuerwerb entscheidet: Ihr habt euch mit der Frage „Kaufen oder nicht kaufen?" befasst, eueren Kopf damit beschäftigt. Allein diese Tatsache verbraucht eure Energie.


Diese dauernde Bombardierung mit neuen Sachen im Sekundentakt führt zur Überreizung. Der Existentialist Sartre kommt mir in den Sinn: Wir sind dazu verdammt, frei zu sein, sagte er einst, frei dazu, sich für alles oder nichts entscheiden zu können. Diese Entscheidungsfreiheit, die eigentlich auch ein Zwang ist, verursacht Stress und macht krank. Unglück ist vorprogrammiert.


Ziel ist: Reduktion!

Die einzige Möglichkeit, um aus dem Teufelskreis aus

Kaufkraftanstieg Optionenvielfalt Reizüberflutung Zeitknappheit Überforderung

auszusteigen, sieht Paech in der Reduktion.


Seine These lautet: Um nachhaltig zu leben, brauchen wir eine andere Balance zwischen Freiheit und Verantwortung. Freiheit bedeutet dabei nicht, viel zu haben, sondern wenig zu brauchen. Nachhaltigkeit heißt für ihn schlicht: Reduktion!


Und der Ausweg wäre das Anstreben einer Postwachstumsökonomie. Wir könnten mit weniger Konsum glücklich sein, sagt er, denn „Glück" hängt von der Zeit ab, die einer Handlung oder einem Konsumobjekt gewidmet wird. Um etwas genießen zu können, muss man entschleunigen! Daher wäre der erste Schritt zum glücklich sein die Reduktion des kommerziellen Sektors.


Denn kein Mensch sollte jetzt eigentlich widersprechen wenn ich sage: Wir produzieren zu viel! Kein Mensch braucht alle zwei Jahre ein neues Handy oder alle zwei Monate eine neue Jeans.


Würden wir also weniger konsumieren, und würde die Wirtschaft weniger produzieren, dann bräuchten wir auch keine 40-Stunden-Arbeitswochen. Sondern vielleicht nur 20 Stunden.


Schöne neue 20-Stunden-Arbeitswoche-Welt

Stellt euch vor: Jede*r hätte 20 Stunden mehr Zeit! 20 Stunden für all die Dinge und Projekte, die brach liegen und auf das Rentenalter warten. 20 Stunden, die ihr anderweitig produktiv nutzen könntet.


Manche Kritiker unterstellen Paech, seine Forderungen seien fortschrittsfeindlich und rückständig. Dabei plädiert er lediglich für REDUKTION statt für ABSCHAFFUNG. Diese „marktfreie" Versorgungszeit, wie Paech diese freien 20 Stunden nennt, könnte man nutzen, um z.B. selbst Gemüse anzupflanzen, selbst handwerklich aktiv zu werden - oder eben gemeinschaftsfördernde Maßnahmen zu ergreifen.


Endlich Zeit, um eine neue Fremdsprache lernen, um sich handwerklich und kreativ zu betätigen, um einfach zu leben.


Was dabei auf jeden Fall ebenfalls steigt ist Zusammenhalt. Nachbarschaftshilfe würde wieder aufleben, man hat Freunde, Nachbarn und Bekannte, die sich gegenseitig aushelfen. Mit weniger Konsum, weniger Geld und weniger Arbeitszeit können wir auskommen.


Wenn wir uns stattdessen wieder darauf besinnen, mehr selbst zu tun.

Sagt, wäre dies nicht ein wundervolleres, sinnvolleres Leben?

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