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Den Cigarren Mezger gibt es seit bald 100 Jahren

Bereits 1942, als dieses Foto entstanden ist, war das Geschäft in Cigarren Mezger umbenannt worden.

Tabak, Spirituosen, Zeitschriften und Waffen: Männer bezeichnen den Cigarren Mezger in Stuttgart-Vaihingen durchaus mal als Paradies. Dahinter steckt aber eine Geschichte von beeindruckend starken Frauen. 


Beinahe in die Hose gemacht habe sie sich damals, erinnert sich die 55-Jährige. Als junges Mädchen musste Sylvia Paetzold regelmäßig mit fünf, sechs Kisten Zigarren bepackt bei den Firmendirektoren - so nannte man früher die Geschäftsführer - vorsprechen und die Produktpalette des Familienbetriebs anpreisen. Die Unternehmenschefs rauchten die Zigarren dann bei wichtigen Terminen. Heute kann Sylvia Paetzold ganz entspannt mit solchen Situationen umgehen; sie bietet regelmäßig nicht nur Zigarren-, sondern auch Whiskyverkostungen an. Für sie gehört das zusammen: ein gutes Getränk mit einer hochwertigen Zigarre. Aus diesem Grund genießt auch sie, die eigentlich Nichtraucherin ist, hin und wieder eine Zigarre.


Tabak war eine wichtige Tauschware

Zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg, am 1. Mai 1928, hatten ihre Großeltern, Doris und Karl Mezger, das Tabakgeschäft an der Hauptstraße in Stuttgart-Vaihingen gegründet. Und die Familie hatte damals auf das richtige Pferd gesetzt: Selbst in Krisenzeiten blieb Tabak immer begehrt und eine wichtige Tauschware. Äußerlich hat sich das Gebäude bis heute kaum verändert. Tabakwaren aller Art hieß der Laden damals, es gab aber auch Presseartikel sowie etwas Bier und Schnaps. Und bereits 1942, als das historische Foto entstand, war das Geschäft in Cigarren Mezger umbenannt worden.


Auch wenn der Laden auf das Ehepaar lief, machte Doris Mezger so gut wie alles alleine – und das, obwohl sie sechs Kinder hatte. Was auch heute noch nach einem kaum machbaren Spagat zwischen Beruf und Familie klingt, war damals so etwas wie ein Skandal: eine sechsfache Mutter, die sich nicht zu Hause um ihre Kinder kümmert, sondern ein Leben als Geschäftsfrau führt. Wie gelang das der Frau, die selbst übrigens niemals geraucht hatte? „Ihre sechs Söhne haben im Laden mithelfen müssen. Und zu Hause hat die Cousine meiner Oma auf die Kinder aufgepasst und den Haushalt gemacht“, berichtet Sylvia Paetzold.

In den 1980er Jahren kamen Waffen dazu

Obwohl ihre Oma eine rationale und strenge Frau war, habe sie durchaus manchmal mit ihren eingeschränkten Rechten als Frau gehadert, weiß die Enkelin: „Wenn sie Gelder gebraucht hat oder Lieferungen ankamen, musste immer ihr Mann unterschreiben.“ Und auch als Karl Mezger längst verstorben war, lief der Laden weiter auf seinen Namen. Auf Doris Mezger konnte er aufgrund ihres Geschlechts nicht überschrieben werden.


Sylvia Paetzold hat ihre Oma noch miterlebt, sie ist in dem Laden quasi mit aufgewachsen. In den 1960er Jahren stieg ihr Vater Wolfgang Mezger mit ein, 1983 übernahm er den Laden. Damals gab es große Veränderungen: Anfang der 1980er Jahre wurde das Areal rund um den Vaihinger Markt zum Sanierungsgebiet erklärt. Mehrere Häuser wurden abgerissen und neu gebaut – unter anderem, um die Hauptstraße in Vaihingen zu verbreitern und die Verkehrs- und Einkaufssituation zu verbessern. Für zweieinhalb Jahre musste der Tabakladen in Container umziehen.


Viele rauchen gar nicht, sondern wollen Lotto spielen

Anschließend wurde das Sortiment verändert: Von nun an gab es auch Stahlwaren, also etwa Messer, außerdem Schreckschusswaffen und Zubehör für Darts. Und das Zeitschriftensortiment wurde stark ausgebaut. „Viele unserer Kunden heutzutage sind Nichtraucher. Die kommen in den Laden, weil sie Lotto spielen möchten oder weil wir mehr als 2000 Pressetitel haben, auch seltene Fachzeitschriften“, sagt Paetzold.


Generell würde der Gesundheitsaspekt inzwischen viel mehr im Fokus stehen als früher. „Viele der heutigen Pfeifen- und Zigarrenraucher sind Genussraucher, die sich gelegentlich diesen Luxus leisten und dafür auch etwas mehr Geld ausgeben.“ Kurz nachdem sie den Laden 2005 übernommen hatte, hat sie deshalb das Sortiment nochmals erweitert und verkauft seitdem auch hochwertige Spirituosen.


Manche Kunden haben herzlich wenig Ahnung

Worauf Sylvia Paetzold und ihre Mitarbeiter großen Wert legen, ist die persönliche Beratung. „Wir haben etwa 90 Prozent Stammkundschaft, davon sind einige sehr versierte Raucher, für die wir auch ganz spezielle Sorten besorgen.“


Eine ganz andere Beratung benötigen Kunden, die den Laden betreten, weil sie jemand anderem mit einer Zigarre eine Freude machen wollen, selbst aber herzlich wenig Ahnung haben. „Da fragen wir dann nach, ob es für den Beschenkten die erste Zigarre ist oder ob derjenige regelmäßig raucht. Je nachdem raten wir eher zu einer gängigen, geschmacklich sehr guten Zigarre oder auch mal zu einer kräftigeren, an der man anderthalb Stunden raucht“, sagt Paetzold.


Die amerikanischen Soldaten liebten den Laden

Was die Einzelhändlerin bedauert, sind die aktuellen Pläne von US-Präsident Donald Trump. Rund 12 000 der 34 500 in Deutschland stationierten US-Soldaten will er abziehen – und die am stärksten betroffene Region soll Stuttgart sein. „Wir würden das am Umsatz spüren“, sagt Paetzold. Schon seitdem vor Jahren viele Soldaten aus den Vaihinger Patch Barracks in ihre Heimat zurückgekehrt seien und dort eigentlich nur noch die Verwaltung besetzt sei, kämen nur noch selten Amerikaner. „Die haben oft über unseren Laden gesagt: It’s a paradise for men.“

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