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Vom richtigen Umgang mit Trauernden: Bloß nicht totschweigen

Kinder und Jugendliche haben in Bildern festgehalten, wie sie sich den Tod und das Jenseits vorstellen.

„Du musst jetzt stark sein." Oder: „Melde dich, wenn du etwas brauchst." Wenn jemand stirbt, ist das Umfeld der Trauernden oft überfordert, zieht sich zurück oder flüchtet sich in Plattitüden. Jungverwitwete Eltern und Experten geben Tipps, was stattdessen hilfreich sein kann.


Als hätte ihm jemand den Hammer über den Kopf gezogen. So beschreibt Michael Berner die Zeit nach dem 2. Oktober 2017, dem Todestag seiner Frau. Vier Wochen bevor seine Frau die Diagnose Krebs bekam, hatte das Paar noch ein Haus in Stuttgart-Vaihingen gekauft. Ein Dreivierteljahr später war der Vater plötzlich alleine mit den elf und dreizehn Jahre alten Töchtern.

Anfangs waren die Anteilnahme und die Hilfsbereitschaft riesig. Befreundete Eltern kochten für die Kinder mit, nahmen sie nach der Schule mit zu sich, stellten Essen vor die Tür und fragten vor allem immer wieder nach, wie es ihm, der plötzlich Witwer war, und den Kindern, die keine Mutter mehr hatten, ging. „Doch nach der Beerdigung hat das ziemlich schnell aufgehört“, sagt Michael Berner, der eigentlich einen anderen Nachnamen hat – so wie alle Witwen und Witwer auf dieser Seite. Die Trauernden wollen ihre Freunde und Verwandten nicht verärgern, wenn sie über unpassende Floskeln oder fehlende Unterstützung sprechen.


Plattitüden sind nicht hilfreich

Nach der Beerdigung hörte Michael Berner immer öfter Sätze wie: Melde dich, wenn du Hilfe brauchst. Ein Angebot, das sicher nett gemeint ist, bei Trauernden aber als Plattitüde ankomme: „Ich war damals gar nicht in der Lage, mich zu melden, wenn ich etwas gebraucht habe.“ Als noch schlimmer empfand er Aussagen, die ihn zusätzlich unter Druck setzten, etwa „Michael, du musst jetzt stark für die Kinder sein“ oder „Das Leben muss ja weitergehen“. Wenn er so etwas zu hören bekam, verspürte er zusätzlich zu der unbändigen Trauer auch noch Wut.

Erfahrungen wie der Witwer sie gemacht hat, kennt Hubertus Busch gut. Er ist Klinikseelsorger am Stuttgarter Olgahospital und leitet mehrere Trauergruppen. „In den Gruppen ist es sehr oft ein Thema, wie andere mit einem umgehen“, sagt er. Eltern, die früh ein Kind verloren haben, hörten zum Beispiel oft: Ihr seid ja noch jung, ihr könnt noch viele Kinder bekommen. Oder auch: Zum Glück hat das Kind noch nicht so viel mitbekommen. Für die trauernden Eltern würden sich solche Aussagen anfühlen, „als würden sie gegen Beton laufen“, sagt Busch und rät: „Man sollte sämtliche Aussagen vermeiden, in denen Schicksale verglichen oder relativiert werden.“


Viele Menschen weichen aus oder verstummen

Denn selbst langjährige Freundschaften und Beziehungen werden gestört, wenn man in solchen Situationen unpassende Tipps abgibt oder dem Hinterbliebenen aus dem Weg geht. „Viele Menschen haben den Reflex, Trauernden auszuweichen und zu verstummen“, weiß Busch. „Die Leute befürchten, dass sie die Menschen an den Verlust erinnern, diese dann anfangen zu weinen und in der Trauer abstürzen.“ Einige würden sogar die Straßenseite wechseln oder den Kontakt zu der Person komplett abbrechen – aus Angst, nicht mit deren Trauer umgehen zu können.

Dieses Verhalten sei zum einen verletzend, zum anderen liege darin eine falsche Annahme begründet, sagt Busch: „Die Trauer ist immer da, egal ob man darauf angesprochen wird oder nicht.“ Und gerade am Anfang hätten Hinterbliebene ein großes Bedürfnis zu erzählen. Letztlich werde die Trauer oder das Leben des anderen durch Gespräche nicht leichter, aber sie hätten etwas Heilsames, das der andere nicht vergesse.


Nicht nur am Anfang unterstützen

Das Umfeld dürfe Trauernden ganz offen begegnen: „Man sollte signalisieren, dass man ein offenes Ohr, etwas Zeit sowie die innere Bereitschaft hat, sich mit der Person zu unterhalten.“ Wer sich mit solchen Gesprächen schwer tut, kann zumindest am Anfang praktische Hilfen bieten – also Wäsche waschen, ein warmes Essen kochen oder die Kinder zum Sport bringen. Denn unmittelbar nach dem Tod einer geliebten Person funktionieren bei Trauernden auch ganz alltägliche Abläufe nicht mehr einfach so, sagt Busch. „Viele müssen sich dazu zwingen, wenigstens einen Joghurt am Tag zu essen.“

Sowohl Seelsorger als auch Trauernde betonen, dass es wichtig sei, Betroffene über die erste Zeit hinaus zu unterstützen. „Am Anfang erhält man viele Karten mit schönen Worten, wird ständig gefragt und bekommt Hilfe angeboten. Nach zwei bis drei Monaten kommt plötzlich nichts mehr, aber genau dann fällt man in das richtig tiefe Loch“, sagt Sonja Balinger. Auch sie ist Mitglied in einer Trauergruppe. Ihr Mann ist im Dezember 2017 mit 49 Jahren gestorben, sie war 40. „Anfangs haben mir Umarmungen oder ein längerer Händedruck mehr geholfen als Worte.“ Mittlerweile empfinde sie es als wohltuend, wenn sie gefragt werde, wie es ihr gerade gehe, denn „Ablenkung ist nicht immer das Richtige“.


Die richtige Wortwahl ist bedeutsam

Die Stuttgarter Trauerbegleiterin Karin Jäckle empfiehlt, in Gesprächen auf die Wortwahl zu achten. „Den meisten ist es lieber, wenn man klar sagt: Eine Person ist gestorben, statt dass man jemanden verloren habe.“ Mit dem Begriff „loslassen“ sollte man ebenfalls vorsichtig sein, rät sie. Doch solche Feinheiten sollten kein Grund sein, nichts zu sagen. „Man darf auch ruhig seine eigene Unsicherheit aussprechen.“

Außerdem sei es wichtig, auch Jahre später noch Geburtstage, Todestage und Weihnachten „mitzudenken“, sagt Jäckle. „Es reicht vielleicht schon, ein Blumen-Emoji per Whatsapp zu schicken, um der Person zu zeigen, dass man an sie denkt.“ Außerdem könne man anbieten, einen Kaffee oder ein Bier trinken zu gehen und Erinnerungen auszutauschen. „Man muss nicht den ganzen Abend über den Verstorbenen reden, ein Satz ist häufig genug.“


Die Feier in der Firma war zu viel

An dem Todestag seiner Frau kürzlich haben Michael Berner sehr viele Leute angesprochen. In der Teeküche seiner Arbeitsstelle wurde sogar eine kleine Feier ausgerichtet, denn seine Frau hatte bei derselben Firma wie er gearbeitet. „Tatsächlich war mir das dann aber zu viel. Ich wollte nicht an dem Tag auf einmal von 10 oder 20 Leuten hören: ‚Wie geht es dir gerade?’“. Wohler habe er sich am Abend gefühlt, als einige Freunde einfach vorbeikamen: „Klingeln, mich in den Arm nehmen, die Tränen kullern lassen und dann über etwas anderes reden. Das war genau richtig.“

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