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Warum Giffeys "Meilenstein" nicht ausreicht

Quelle: imago images

Deutschland hat zu wenige weibliche Führungskräfte. Woran das liegt und was sich ändern muss, liegt in der Hand der ganzen Gesellschaft und nicht nur der Politik.

Frauen und Männer müssen gleichbehandelt werden. Beim Einkommen, bei der Verteilung von Erwerbsarbeit und unbezahlter Sorgearbeit. So steht es in der Gleichstellungsstrategie von Familienministerin Franziska Giffey, die das Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedet hat. Die Ministerin spricht von einem Meilenstein. Dennoch reicht dieser Schritt noch lange nicht aus.


Es muss sich grundlegend etwas in unserer Gesellschaft verändern, um das Problem von rein männlichen Führungsebenen zu verändern. Die Frage ist dabei nicht, ob es genügend qualifizierte Frauen in Deutschland gibt, sondern weshalb ihr Weg zu einem gut bezahlten Job so steinig ist.


In Lehrbüchern sind Ärzte immer männlich

Die Probleme beginnen schon in der Schule. Da wird in Lehrbüchern das Bild vermittelt, Piloten, Ärzte und Vorstandschefs seien männlich. Pflegekräfte und Erzieher sind demnach immer weiblich. Wenn es um die Berufswahl geht, orientieren sich Kinder zwar zuerst an den Eltern, dann aber eben auch an den Rollenbildern, die ihnen woanders vermittelt werden.

Diese vorgegebenen Bilder gilt es deutlich früher als bisher zu durchbrechen, um Mädchen schon im Grundschulalter mitzugeben: Diese Jobs kann auch eine Frau erledigen - genauso gut. In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Studien, die belegten, dass Mädchen im Durchschnitt über alle Fächer hinweg bessere Noten haben als ihre männlichen Mitschüler. Dennoch wählen sie seltener technische oder naturwissenschaftliche Studienfächer oder Ausbildungsberufe. Dafür sind sie stärker in den - leider deutlich schlechter bezahlten - sozialen Berufen präsent.


Doch die Umstände machen es Frauen schwer, ambitionierte berufliche Ziele zu verfolgen. Noch immer tragen sie die deutlich höhere Last bei den Aufgaben des Haushalts. Genau dort sind die Partner gefragt, denn Gleichberechtigung beginnt schon beim Küchentisch abräumen. Und natürlich bei der Kinderbetreuung. Denn wer bleibt meist zu Hause, wenn die Kinder auf die Welt kommen? Natürlich die Frau. Doch häufig begrenzt sich die Auszeit nicht nur auf die letzten Wochen der Schwangerschaft und die erste Zeit nach der Geburt.


Mütter nehmen deutlich häufiger Elternzeit

Die Elternzeit wird immer noch zum großen Teil von den Müttern in Anspruch genommen - nur wenige Väter beantragen die Hälfte oder gar mehr der gesetzlich möglichen 14 Monate Elterngeld. Sollte dieser Fakt nicht bei einer Lücke im Lebenslauf und der damit entgangenen Erfahrung berücksichtigt werden? Ich denke schon. Denn Frauen fühlen sich ohnehin schon oft unter Druck gesetzt, schnell wieder in den Beruf zurückzukehren, um den Anschluss nicht zu verpassen. Dieser Druck muss endlich weg. Und genau dafür muss die Betreuung besser organisiert werden. Damit Frauen wieder in den Beruf zurückkehren können - und damit sie auch später im Alter genug Geld zum Leben haben.


Eine Frau, die sich beispielsweise mit 41 Jahren für eine 50-Prozent-Stelle entscheidet, um die gemeinsamen Kinder zu betreuen, muss nicht nur in der Gegenwart enorme finanzielle Einbußen verkraften. Hat sie zuvor etwa das Durchschnittsgehalt aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verdient, bekommt sie im Alter eine Rente von 1.021,67 Euro - im Gegensatz zu 1.585,47 Euro, wenn sie Vollzeit weitergearbeitet hätte. Diese Rechnung hat Niklas Füsser von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland aufgestellt. Dabei ist es in der Regel die Frau, die ihre Arbeitszeit reduziert - aus dem einfachen Grund, dass ihr Partner meist mehr verdient und es sich ja nicht rechnet, wenn er beruflich kürzer tritt.


Förderung von Aufstiegschancen bei Teilzeit-Arbeit

Die Betreuung eines Kindes spielt bei der Teilzeitarbeit eine ebenso wichtige Rolle, wie die Förderung von Frauen durch die Arbeitgeber. Nur wenn ein Chef die Leistung einer Frau, die weniger arbeitet aber dennoch viel leistet, anerkennt, und ihr Möglichkeiten zur Weiterentwicklung bietet, kann sich an dem Modell etwas ändern. Auch eine Teamleiterin kann mit verminderter Arbeitszeit einen herausragend guten Job machen. Und sorgt vielleicht sogar dafür, dass auch die anderen Mitarbeiter ohne schlechtes Gewissen pünktlich nach Hause gehen können.


Die Gleichstellungsstrategie mag ein Anfang sein. Doch was an dieser Stelle fast noch mehr zählt, sind die Gespräche miteinander - die Männer, die ihren Frauen zeigen, dass sie genauso fest im Familienboot sitzen und ebenso Verantwortung für die Kinderbetreuung und den Haushalt zeigen. Denn genau diese Männer sind es, die eine neue Idee zur Gleichstellung in die Betriebe tragen und die Diskussion darum befeuern können.

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