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Smoothies: Mit frechen Früchten zur Marktführerschaft

Einer Plakat einer viel diskutierten Werbekampagne von True Fruits.

Innovative Werbung hat aus dem Bonner Start-up True Fruits den deutschen Marktführer für Smoothies gemacht. Der Mittelständler steht mindestens genauso für gutes Marketing wie für Obst-Püree.


Eine Frau schält im Büro eine Banane und beißt rein. Plötzlich steht der Chef in der Tür und schaut lüstern dabei zu. Die Frucht sieht auf einmal wirklich wie ein Phallus aus. Dann kommt die Botschaft: Trinken Sie besser einen Smoothie. Der ist auch pures Obst, erspart aber Peinlichkeiten wie diese. „Safer Snaxxx“ eben.

Es ist ein typischer Werbefilm des Smoothie-Herstellers True Fruits. Frech und schamlos zu sein ist das Markenzeichen der Bonner. Und entsprechend gehen ihre Werbeaktionen regelmäßig in den sozialen Medien durch die Decke. Kalkulierte Provokation sei das, sagt Ingo Rentz, Redakteur beim Marketing-Branchenmagazin Horizont. Er findet auch: „Das muss man sich erstmal trauen.“


True Fruits ist inzwischen so erfolgreich, vor allem dank dieser Art von Marketing, dass der Fruchtsaft-Konzern Eckes-Granini im Frühjahr 35 Prozent der GmbH gekauft hat. Nun gibt True Fruits keine Interviews mehr, die Gründer – einst sehr kommunikativ – sind abgetaucht. Von Eckes kommt nur die Bestätigung, dass man an der Smoothie-Firma mitverdienen will. Offenbar möchte sich True Fruits aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Sinn und Zweck? Unklar. Dass sie auch ihre Werbestrategie entschärfen, ist aber unwahrscheinlich. „Warum sollte man die Marke ihrer Seele berauben?“, fragt Werbeexperte Rentz.


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Grundlage für den Saftladen – so nennen ihn Marco Knauf und seine Mitgründer Ina Koster und Nic Lecloux selbst – ist ein dünnes Püree aus Obst und Gemüse. Vor 12 Jahren gründeten die drei ihr Start-Up noch während des Studiums. Heute beschäftigen sie 31 Menschen und haben im vergangenen Jahr 43 Millionen Euro umgesetzt. Produziert werden die Smoothies extern, in Baden-Württemberg.

Ihre ersten Flaschen brachten die Gründer im Jahr 2006 noch persönlich bei Einzelhändlern vorbei. Damals war das Konzept „Smoothie“ in Deutschland völlig neu. Kaum aber hatte True Fruits den Fuß bei Rewe, Edeka und Co in der Tür, da setzte der britische Konkurrent Innocent nach Europa über. Auch Chiquita führte mit großem Fernseh-Trara Smoothies in Deutschland ein. Gewonnen hat dennoch True Fruits. Seit 2015 sind die Bonner Marktführer. Und der Verband deutscher Fruchtsaftindustrie (VdF) sagt dem Smoothie weiteres Wachstum voraus.

True Fruits‘ Erfolg gründet besonders auf einer gewissen Schamlosigkeit und enormem Selbstbewusstsein in der Werbung. Wie im Herbst 2016 mit den Plakaten für neue Chiasamen-Smoothies: „Besamt und befruchtet“ stand drauf. Oder „Oralverzehr – schneller kommst du nicht zum Samengenuss“. Als die Stadt München eins der Motive verbot, plakatierte True Fruits dennoch weiter, schrieb einfach „Zensiert“ quer über das Bild.


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Diese Frechheit in der Kommunikation hat System. Als ein Nutzer True Fruits auf Facebook „sexistisch“ nennt, beschimpfen die Bonner ihn als „Brombeersohn“. Im folgenden Entschuldigungs-Video von Werbechef Nicolas Lecloux serviert ein nackter, nur mit Schürze bekleideter Mitarbeiter Kaffee. Nic Lecloux sagt dazu trocken, er wolle den Sexismus-Vorwurf in aller Form zurückweisen. All diese Frechheiten sind hausgemacht, keine Agentur hat sie erfunden, sondern der studierte Betriebswirt, Schwerpunkt Marketing, mit seinem Team.

„True Fruits hat erkannt, dass es da draußen zu viel gleichförmige, biedere und nichtssagende Werbung gibt,“ erklärt Horizont-Redakteur Rentz. „Und in die Lücke, die dadurch entsteht, ist das Unternehmen gnadenlos gestoßen.“ Ähnlich provokante Werbung gebe es nur vom Autovermieter Sixt. Die meisten Unternehmen hätten nicht den Mumm zu so etwas. „Wer Produkte für alle herstellen will, darf es sich mit niemandem verscherzen. Ich glaube, unter vielen Werbetreibenden ist die Angst vor einem Imageschaden sehr verbreitet.“


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True-Fruits-Gründer Marco Knauf ist das Risiko nach eigenen Worten egal. „Ich mag Leute, die sich nicht verstellen und sich so geben, wie sie wirklich sind“, lässt er sich auf der Webseite des Unternehmens zitieren. „So musst du auch als Marke sein, dich nicht verstellen. Bleib du selbst, bleib authentisch.“ Die Kommunikation des Unternehmens war schon authentischer, aktuell ist sie eingefroren. Das bestätigen auch andere Journalisten. Man darf gespannt sein, ob die Firma mit dem neuem Co-Eigner ansonsten weiter ganz sie selbst sein kann.

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