Mit erhobener Hand betritt sie die Bühne. Winkt nach rechts, winkt nach links. Das wirkt royal, ist gleichzeitig aber auch furchtbar skurril. "Als erstes kommt die Welt und dann unsere Probleme, was wären sie noch wert, wenn's uns morgen nicht mehr gäbe?", fragt die 24-jährige Elif ins Publikum. Am Freitagabend präsentiert sie ihr zweites Album "Doppelleben" im ausverkauften "Lido". Darin setzt sich die gebürtige Berlinerin mit der schwierigen Beziehung zu ihren Eltern, die 1987 als Gastarbeiter aus der Türkei nach Berlin kamen, gescheiterten Beziehungen und der inneren Zerrissenheit auseinander.
Und das ist es auch, was diesen Abend auszeichnet. Elif ist extrem privat, extrem ehrlich, extrem offen. So auch nach ihrem Song "Anlauf nehmen". "Wie ihr sehen könnt, habe ich sehr viel kürzere Haare. Nach einer Trennung musste ich sie mir abschneiden. Mich befreien."
Ihre Stärke liegt in den leisen Tönen. Es ist eine Stimme, mit der man gerne den Abend verbringt, die nach einem gemeinsamen Glas Wein bei Nacht klingt. Mal ganz stark und dann wieder so zerbrechlich. Ein Tor zu ihrer Seele. Trotz ihrer Zweifel ist diese Elif aber auch eine Träumerin. "Ich möchte irgendwann unbedingt mal in der Waldbühne spielen", sagt sie. "Lasst uns so tun, als wären wir dort." Als die Zuhörer ihre Handylichter anmachen, ist der Saal hell erleuchtet. Im Takt werden die Lichter von links nach rechts geschwenkt, während auf der Bühne eine atemberaubende Lichtshow präsentiert wird. Und dann ist da noch eine andere Seite an ihr. Die Perfektion. Die sieht man, wenn sie sich wieder ihre Haare richtet, ihr akurates Outfit, Rollkragenpulli und Mini-Rock, ganz in schwarz. Oder wenn sie darum bittet, bei "Baba" bitte nicht mitzuklatschen, lieber mitzusingen. Das sei besser für den Song. Nichts überlässt sie dem Zufall.
Elif wächst in Moabit auf, hat drei Geschwister. Ihre Kindheit beschreibt sie als laut, chaotisch und verspielt. Aber da sind eben auch diese zwei Kulturen, mit denen sie sich auseinandersetzen muss. Auf der einen Seite das konservative türkische Elternhaus, auf der anderen das freie Berlin. 2009 erlangt die Berlinerin erste öffentliche Aufmerksamkeit mit ihrer Teilnahme bei dem Fernsehformat "Popstars", erreicht sogar das Finale. Dabei habe sie gelernt, was sie nicht möchte, sagt Elif jetzt. Keine Choreografien tanzen, nicht auf Englisch singen, nicht ständig beurteilt werden. Es folgen Auftritte mit ihren eigenen deutschen Songs im Vorprogamm bei Tim Bendzko und Bosse. 2013 veröffentlicht die Berlinerin ihre erste Single "Unter meiner Haut" und das gleichnamige Album. Zwei Jahre später erreicht sie mit dem gemeinsamen Remix von Gestört aber Geil, Koby Funk und Wincent Weiss ihre ersten Single-Platzierung.
Mit einer Coverversion von Marlene Dietrichs "Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre" schließt Elif den Abend ab. Ganz verspielt zeigt sich die Berlinerin auf einmal. Ein süßer Abschied.
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