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Autorin erinnert sich: So schön waren Ferien mit Oma und Opa

Autorin Jessica Wagener schaukelt in Omis und Opis Garten

Der vollgepackte Opel brummte auf dem Weg in den Schwarzwald angestrengt über die Kasseler Berge. Opi schimpfend am Steuer, Omi mit der Deutschlandkarte auf den Knien, gelegentlich eine Lux aus dem Beifahrerfenster paffend, während ich gemütlich auf dem Rücksitz lümmelte. „Du hältst die Karte falsch rum, Oma!", gehörte zu den meistgesagten Sätzen.


Ach, mit Omi und Opi in die Ferien zu fahren, das war meine gesamte Kindheit über Abenteuer und Geborgenheit gleichzeitig!


Ganz egal, ob wir drei nach Nord- oder Süddeutschland fuhren, ans Meer oder in die Berge - Roadtrips würde man heute wohl dazu sagen - von der Rückbank des großväterlichen Pkw aus habe ich das erste Stückchen Welt gesehen und Freiheit geschnuppert.

Taschen packen, Stullen schmieren, alle ins Auto und los - so ging Urlaub früher. 


Unbeschwert und einfach. Flugreisen? Kannten wir nicht, brauchten wir nicht. Wenn wir in den Ferien mal nicht zusammen weggefahren sind, haben wir den Sommer im Schrebergarten verbracht. Und das war kein Stück weniger schön. Auf dem weichen Rasen hat mir Opi das Radfahren beigebracht - obwohl das Fahrrad ein bisschen zu groß war. „Du schaffst das", hat er gesagt und recht behalten, wie immer.


Wir haben zusammen aus Euro-Paletten und Decken ein Baumhaus in einem alten Pflaumenbaum gebaut. Dazu sang Opi einen alten Schlager aus seiner Jugend: „Im Garten sind die Pflaumen reif . . ." Omi hat mit den Augen gerollt und gekichert und ich habe erst Jahre später verstanden, wieso.

Barfuß rumlaufen, in der Sandkiste gegen Feuerameisen kämpfen, ins Planschbecken hüpfen, schaukeln, im Wald rumbutschern, Blaubeeren pflücken oder Omi beim Erbsenpulen und Möhrchenziehen helfen - langweilig waren Ferien bei Omi und Opi nie.


Aus dem frisch geernteten Gemüse hat Omi immer zuverlässig was Deftiges gekocht. In ihrer kleinen Küche zwischen dem viereckigen, orangefarbenen Fleischklopfer aus Plastik und dem Eierschneider, mit dem sie schon in den 60er-Jahren Brötchen bestückt hat.

Beim gemeinsamen Essen habe ich gebannt den Geschichten von früher gelauscht. Die prall gefüllten Obstbäume, das Schwimmen im Dorfteich und die frechen Streiche damals in Ostpreußen. Omis und Opis Erzählungen waren für mich besser als Bullerbü und spannender als das Ferienprogramm im TV. Ich habe sie nie vergessen. Danach gab's meist Eis, oft sogar eine zweite Portion.


Bei den Großeltern darf man eben so viel, was zu Hause nicht geht - nicht nur zweimal Nachtisch essen: lange aufbleiben und fernsehen, von morgens bis abends draußen sein und dreckig nach Hause kommen, Marmeladenbrot mit daumendick Butter drauf im Bett frühstücken, sich die Kartoffeln zerquetschen lassen, obwohl man schon längst zu groß dafür ist.

Großeltern können es sich erlauben, ihre Enkel nach Herzenslust zu verwöhnen. Sie sind nicht die Eltern, sie sehen das Leben gelassener und begegnen kleinen Katastrophen mit Langmut und Liebe. Schließlich hängt der Erziehungsauftrag nicht an ihnen, sie können deshalb viel leichter Ja sagen und beide Augen gütig zudrücken. Aufregen? Bringt eh nichts.


 Großeltern genießen ihre Enkel einfach so, wie sie sind, und lassen ihnen liebevoll Freiraum. Zugegeben: Dabei hilft natürlich auch ein bisschen die zeitliche Begrenzung des Aufenthalts. Aber bei Omi und Opi geht's nun mal nicht um Regeln, sondern ums gegenseitige Liebhaben.

Für mich riechen Ferien nach Kirschkuchen, Kartoffeln mit Bratensoße, nach den Duftwässerchen Tosca und Tabac, nach frisch gemähtem Rasen und Regentonne. Gerüche konservieren Erinnerungen, auch über Jahrzehnte hinweg.


Inzwischen war ich in Rio, auf Kuba, in Spanien und Südafrika. Aber Ferien mit und bei Omi und Opi, ob im Opel oder in der Gartenlaube, waren und bleiben die schönsten meines Lebens. Rétablir l'original