Cheryl Strayed ist Autorin des Buches „Der große Trip", das Millionen Leserinnen weltweit fasziniert hat. Mit Mitte Zwanzig wanderte die US-Amerikanerin drei Monate lang auf dem Pacific Crest Trail, einem Pfad durch den Osten Amerikas, der Mexiko und Kanada verbindet. Im COSMO-Interview erzählt sie, wie die Wanderung in der Wildnis sie verändert hat und warum die Nähe zur Natur für sie unverzichtbar ist.
Jessica Schober
COSMOPOLITAN: Frau Strayed, wie fühlt es sich an monatelang alleine durch die Wildnis zu laufen?Cheryl Strayed: Wenn man das erste Mal rausgeht in die Wildnis, dann fühlt man sich zunächst sehr verloren. Wir leben normalerweise in einer urbanen Welt, umgeben von Dingen, die Menschen gemacht haben. In der Wildnis sieht man dann, dass Menschen tatsächlich nur einen sehr geringen Einfluss auf die Welt haben. Da draußen regieren die Bäume.
Ich fühlte mich wie ein Eindringling in dieser fremden Welt. Aber nachdem ich ein paar Wochen da draußen war, fing ich an mich als Teil der Natur zu fühlen. Ich schreibe in meinem Buch ja über dieses Gefühl, wie der Weg zu meinem Zuhause wurde. Da gibt es diesen Moment, als ich nachts draußen vor meinem Zelt stand und ich weit hinten die Lichter einer Stadt sah. Und da habe ich mich plötzlich draußen mehr Zuhause gefühlt als in der Stadt bei diesen Lichtern.
Warum haben Sie die Strapazen auf sich genommen?Ich habe mich wohlgefühlt in der Wildnis. Nachdem man eine Zeit lang draußen war, wird man selbstbewusster. Am Anfang kam ich mir klein und unbedeutend vor in dieser großen und großartigen Landschaft. Manchmal schaut man einen Berg an und denkt: „Wow, dieser Berg ist so viel größer als ich". Aber ich glaube, als ich da draußen war, begriff ich: Ich bin Teil dieser großartigen Natur. Ich habe genauso meinen Platz in dieser Welt wie dieser große Berg. Ein Gefühl, das sehr gelassen macht.
Sie sagen, Sie haben sich da draußen wohlgefühlt. Haben Sie nichts vermisst?Natürlich hätte ich lieber in einem bequemen Bett geschlafen. Ich war körperlich außerhalb meiner Komfortzone. Für alle alltäglichen Dinge musste ich mich mehr anstrengen, als ich es gewohnt war. Wenn ich Wasser haben wollte, konnte ich nicht den Wasserhahn aufdrehen. Ich musste erst mal eine Wasserquelle finden und dann mühevoll das Wasser durch meinen Filter pumpen.
Wenn ich schlafen wollte, musste ich mein Zelt aufbauen. Wenn ich essen wollte, musste ich meinen Gaskocher anschmeißen. Das ist nicht immer angenehm, aber es gibt dir ein Gefühl von Stärke und Resilienz. Alles, was ich zum Überleben brauche, ist in diesem Rucksack. Manchmal bin ich tagelang gelaufen ohne einen anderen Menschen zu treffen, aber ich habe es alles allein geschafft. Das ist ein unglaubliches Gefühl von Selbstgenügsamkeit.