Die Stimmung zwischen den USA und dem Iran ist seit Langem frostig. Vor gut einem Jahr haben die USA einseitig das Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt. Es gibt wieder verschärfte Sanktionen. Jeder, der Geschäfte mit dem Iran macht, muss mit Konsequenzen aus den Vereinigten Staaten rechnen. Und obwohl es sich in Deutschland nur um Drohungen handeln kann, weil die amerikanischen Sanktionen für deutsche Unternehmen eigentlich nicht gelten, haben sie unter anderem Auswirkungen für Bankkunden hier in Deutschland.
Arsalan Nassoohi aus Hamburg blättert durch seine Bankunterlagen. Er stoppt beim Kündigungsschreiben der Commerzbank. "Ich war zuerst verblüfft, denn ich hätte das gar nicht erwartet. Das kam wirklich wie aus dem Nichts." Der Deutsche, der in Teheran geboren wurde, war mehr als 20 Jahre Kunde bei der Bank - und immer sehr zufrieden.
Zuerst erklärt er sich die Kündigung seines Geschäftskontos wie folgt: "Ich dachte, gut, es ist halt die Firma, und wir haben immer noch gut 20 Prozent legale und offiziell nicht sanktionierte Geschäfte mit dem Iran. Die Commerzbank ist da vielleicht empfindlich, möchte in so etwas gar nicht mehr drin sein. Das war für mich absolut nachvollziehbar."
Die ganze Familie ist betroffenSeine Firma exportiert zu dem Zeitpunkt noch Gummi-Metall-Produkte für Pkw und Lkw in den Iran, also zum Beispiel Stoßdämpfer, Motorlager oder Gummipuffer. "Aber als wir dann privat getroffen wurden, als ich dann gesehen habe, dass mein Bruder zeitgleich - und mein Vater auch - diese Kündigungen erhalten haben für Privatkunden, hat der Spaß für mich aufgehört."
Sein Bruder Arastoo sitzt neben ihm. Seiner Frau und auch seinem damals erst zweijährigen Sohn wurden die Konten gekündigt. "Der wusste ja noch nicht mal, was eine Bank ist", lacht Arastoo.
Auffällige KontokündigungenDie Commerzbank erklärt, dass die Kontokündigungen nichts mit der Nationalität oder dem Geburtsort der Kunden zu tun haben. Diese Annahme sei in jeder Hinsicht falsch. Die Commerzbank führe auch für Iraner und Personen mit Iran-Bezug Konten.
Michael Tockuss von der Deutsch-Iranischen Handelskammer erklärt hingegen, dass es auffällig sei, dass schon Tausende Konten von Iranern oder Deutschen mit Bezug zum Iran gekündigt wurden. "Wir beobachten seit Jahren, dass deutsche Banken Konten von Firmen, aber auch von Einzelpersonen kündigen, die irgendeinen Bezug zum Iran haben. Zum Teil scheint es zu genügen, dass diese Leute im Iran geboren sind. Wir haben Fälle von Leuten, die seit 30 Jahren nicht mehr im Iran waren. Auch deren Konten sind gekündigt worden."
Software sucht auffällige Kandidaten rausWie zum Beispiel im Fall von Mani Shirazi. Er sitzt in einem Café auf dem Gelände der Universität Hamburg. Bis darauf, dass er im Iran geboren wurde, habe er nichts mit dem Land zu tun, sagt er. Neben seiner Masterarbeit arbeitet Shirazi für ein Unternehmen, das Haushaltsgeräte unter anderem in die Vereinigten Arabischen Emirate liefert. Da ist der Iran nicht weit weg. "Und entsprechend dazu lag anscheinend bei den Banken die Vermutung nahe, dass ein Iran-Geschäft doch betrieben wird - und entsprechend dazu wurden die Kündigungen ausgesprochen."
In seinem Studium hat er einen ehemaligen Mitarbeiter einer Compliance-Abteilung kennengelernt. "Der hatte mir erklärt, dass die im Compliance-System bestimmte Daten einspeisen, und anhand dieser Daten sucht dann eine Software die auffälligen Kandidaten raus. Dann wird noch mal manuell geprüft. Und wenn dann mit dem alles stimmt, wird die Kündigung ausgesprochen."
Zahlungsverkehr mit dem Iran eingestelltShirazi wurden Konten bei der Deutschen Bank und der Postbank gekündigt. Die beiden Banken teilen mit, dass sie sich streng an alle deutschen, europäischen und amerikanischen Sanktionen halten. Allein aus Gründen von Nationalität oder Herkunft würden keine Konten gekündigt.
Die meisten angefragten Banken geben an, ihren Zahlungsverkehr mit dem Iran eingestellt zu haben. In einem internen Informationsschreiben der NordLB, das NDR Info vorliegt, heißt es: "Aufgrund des US-Bezugs der NordLB besteht für die Bank ein nicht kalkulierbares Risiko bei der Ausführung von Iran-Geschäften."
Und die DZ Bank nennt als Gründe für die Einstellung des Iran-Geschäfts in einem Rundschreiben, die "zunehmenden Anforderungen an die Prüfung der Sanktionskonformität für Warenexporte als auch die Wahrung der Reputation".
Ein Kunde als Risiko?Banken müssen wissen, wer ihre Kunden sind, erklärt zum Beispiel die Deutsche Bank. Das System heißt offiziell KYC ("Know your customer"). Ziel ist es, Geldwäsche, kriminelle Machenschaften und Terrorismus zu bekämpfen. Bei Verstößen - etwa gegen die amerikanischen Iran-Sanktionen - drohen hohe Geldstrafen bis zu Haftstrafen oder der Entzug der Geschäftserlaubnis. Und da scheint jeder Kunde, der auch nur ansatzweise eine Verbindung zum Iran hat, ein schwer zu überprüfendes Risiko zu sein.
Kerstin Föller von der Hamburger Verbraucherzentrale rät Betroffenen, bei den Banken ganz genau nachzufragen, warum ihnen gekündigt wurde. "Denn dieses Handelsembargo soll ja nur gegen Leute gehen, die tatsächlich noch Handel dort treiben - und nicht automatisch jeden stigmatisieren."
Unternehmen in ErklärungsnotShirazis Firma ist inzwischen zu einer regionalen Bank gewechselt. Was bei einem Kunden für Verwunderung gesorgt hat, berichtet er: "Der Kunde sollte uns was überweisen - und dann habe ich irgendwann mal eine E-Mail bekommen, dass er die Bank nicht kenne und deswegen jetzt erst mal nicht überweisen möchte, weil er nicht weiß, wohin er überweist. Er fragte mich dann auch tatsächlich, ob wir nicht ein Konto bei einer bekannten Weltbank hätten wie der Deutschen Bank unter anderem. Das war dann ein bisschen schwierig zu erklären, weil eine Kündigung geht ja oft einher mit schlechter Zahlungsmoral oder wenn das Konto nicht immer gedeckt ist. Das wirft kein gutes Licht auf das Unternehmen, wenn sie auf einmal gekündigt werden."
Die Banken berufen sich meist auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Nach denen dürfen sie ein Konto ohne Angabe von Gründen jederzeit fristgerecht kündigen.