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Christianstraße in Neumünster: Wie im Wilden Westen: Kneipenbesitzerin Peggy Lu greift hart durch | shz.de

Peggy Lu lebt in ihrer Kneipe wie in einer anderen Welt. Dahinter beginnt laut der Kneipenbesitzerin das „Ghetto".

von Jana Walther 25. August 2017, 17:50 Uhr

Neumünster | Die Neonlichter im Fenster an der Ecke Christianstraße/Esplanade blinken hektisch vor sich hin. Das Wort „Karaoke" leuchtet in Pink, drumherum ein Lichtschlauch, daneben ein blaues Mikrofon. Bei Peggy Lu's scheint es wild und bunt vor sich zu gehen. Die Saloon-Bar bringt „Wild-West-Feeling" in die multi-kulturelle Christianstraße.

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Im Inneren der Neumünsteraner Eckkneipe ist es an diesem Abend noch ruhig. „Ist halt schon wieder Ende des Monats. Da ist das Geld bei vielen knapp", sagt Mitarbeiterin Sandra. Typisch für das Viertel, in dem 40 Prozent der Bewohner staatliche Hilfen beziehen.

Die schillernde Inhaberin Petra Lund - genannt Peggy Lu - kommt gegen 22 Uhr in die Theke. Sie setzt sich an die Bar, zündet sich eine Zigarette an - stilecht natürlich mit Zigaretten-Spitze. Das passt zu den Bildern von Marylin Monroe und James Dean an den Wänden. Die 44-jährige Kneipenbesitzerin liebt die 50er- und 60er-Jahre. „Rock' n' Roll und Country - das ist einfach meine Musik. Jazz und Techno haben hier Hausverbot", sagt sie lachend.

Enge Verbindung zu den Stammgästen

Mit Peggy kommen auch die ersten Stammgäste in die skurrile Kneipe, die an einen Saloon erinnert. So wie Rainer Ehrlich. Drei bis vier Mal die Woche ist der Einfelder in der Christianstraße zu Gast. Meist, um Dart zu spielen. Er möge die Atmosphäre, die Leute die hierherkommen und natürlich die Inhaberin. „Rainer gehört schon zum Inventar", sagt Peggy. Sie habe eine enge Verbindung zu den Stammgästen. Am Platz ganz außen an der Bar ist das Bild eines Mannes aufgestellt. „Er ist letztes Jahr verstorben", erzählt sie. Peggy Lu möchte die Erinnerung an ihn wachhalten.

Das Publikum in der Eckkneipe sei sehr gemischt. „Hier kommen alle her - von 17 bis 70", so die Besitzerin. Neumünsteraner aus den verschiedensten Stadtteilen, die meisten seien Deutsche. Manchmal betreten auch Bewohner der Christianstraße die Eckkneipe - darunter Menschen verschiedenster Nationalitäten. Das würde nicht immer so gut funktionieren, mit einigen habe Mitarbeiterin Sandra bereits schlechte Erfahrungen gemacht. „Die schmeißen mir das Geld einfach vor die Füße, sind unhöflich", sagt sie.

Ab und zu gebe es laut Peggy auch Probleme mit Diebstahl. Schon häufiger seien Gegenstände ihrer Inneneinrichtung spurlos verschwunden. Vor Kurzem erst ihr Lieblings-Cowboy-Hut. Das ärgere sie besonders. Sogar einen Westernsattel hätten Gäste schon mal mitgehen lassen. Wie sie das unbemerkt geschafft haben, weiß sie bis heute nicht. Und wer das war, bleibt ebenfalls unklar.

„Die Christianstraße ist zweigeteilt"

Für Peggy ist die Christianstraße ganz klar zweigeteilt. Ihre Kneipe liege auf der „besseren Seite" der Straße. Für sie gebe es eine eindeutige Grenze: „Alles, was hinter der Klostermühle ist, ist Ghetto." Sie meide diesen Teil so gut es geht. Dort fühle sie sich nicht sicher. Warum das so ist, kann sie nicht im Detail sagen. Auch Mitarbeiterin Sandra finde die Straße etwas unheimlich. Wenn sie nachts zum Auto geht, lässt sie sich meist von Stammgästen wie Rainer begleiten. Wenn sie die Kasse macht, habe sie jedes Mal Sorge, dass etwas passiert. „Bisher habe ich aber Glück gehabt", sagt sie und klopft auf den Tresen. Auch in der Kneipe kämen ab und zu „düstere Typen" aus der Umgebung vorbei. Peggy sei da ganz rigoros, anders gehe es nicht: „Wenn man gut aussortieren kann, kommt man klar." Mehr möchte sie zu den Bewohnern der Straße nicht sagen. Ansonsten würde sie ihrer Ansicht nach den Verfassungsschutz „am Hals haben", sagt sie.

Doch meist ist die Stimmung hier ausgelassen. Wenn Peggy gut drauf ist, greift sie schon mal selber zum Mikrofon und gibt einen Oldie oder Schlager zum Besten. Auch die Spülbürste musste schon für eine Performance herhalten. So wie vor zwei Monaten bei der Feier zum zehnjährigen Bestehen. Da wurde die Bürste schnell umfunktioniert und Peggy schmetterte den Schlager „Heut' Abend hab' ich Kopfweh" von Ireen Sheer.Stammgast Rainer hat alles mit dem Handy aufgenommen und auf Youtube gestellt.

Auch Schauspieler und Musiker Big Harry besucht die Kneipe regelmäßig. Peggy und er seien seit Jahren befreundet, sie kennen sich aus ihrer Heimat Kappeln. „Ich bin eben ein echtes Angeler Deern." Da liegt es nahe, dass Big Harry auch mal zur Gitarre greift und die Gäste im Peggy Lu's unterhält.

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