Von einem wichtigen Signal war die Rede. Damals, als die Internationale Kampagne für die Abschaffung der Atomwaffen (Ican) den Friedensnobelpreis erhalten hat. Dabei war es erst im Oktober. Und das Signal ist trotzdem schon wirkungslos verpufft. Die nukleare Bedrohungslage hat sich nicht verringert. Sie ist sogar noch akuter - und das, obwohl es im Oktober auch nicht gerade rosig aussah.
Der Grund: Nordkoreas Diktator Kim Jong-Un ist im Besitz einer Atombombe. Er hat in diesem Jahr bereits 19 Raketen- und sechs Atomwaffentests durchgeführt. Der unberechenbare US-Präsident Donald Trump droht dem Nordkoreaner unverhohlen, beschließt, 400 Milliarden Dollar in die Modernisierung seines Atomwaffenarsenals zu investieren und stellt darüber hinaus das lang verhandelte Atomabkommen mit dem Iran infrage. Ein Zerbrechen hätte schwerwiegende Folgen.
Die könnten dazu führen, dass Staaten wie Saudi-Arabien bald über Atombomben verfügen. Im Zuge der Ukraine-Krise sind die Spannungen zwischen Russland und der Nato gewachsen. Truppenstationierungen und Manöver in der Ost-Ukraine sind an der Tagesordnung. Und auch im nuklearen Bereich tut sich einiges. Russland und - na klar - die USA werfen sich gegenseitig vor, gegen das Verbot landgestützter Mittelstreckenraketen zu verstoßen. Immerhin das Abkommen, das am Freitag 30 Jahre alt geworden ist und als wichtiges Startsignal für die nukleare Abrüstung gilt. Wenn es platzt, kommt eine Aufrüstungsspirale in Gang. Eine, die durch ein bloßes Signal nicht verhindert werden kann.
Ein ArmutszeugnisZur Vergabe des Friedensnobelpreises an diesem Sonntag in Oslo schicken die USA, Großbritannien und Frankreich nicht mal einen Botschafter. Alle drei sind Atommächte, dazu gehören noch Russland, China, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel. Keiner dieser Staaten hat den von Ican verhandelten UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen unterschrieben oder auch nur mitverhandelt. Sie boykottieren ihn. Ein Armutszeugnis, das zeigt, wie wenig Wert diese Staaten im Zweifel auf die Vermeidung einer Nuklearkatastrophe legen. Und wie festgefahren die internationale Situation ist. Das Misstrauen ist riesig.
Kein Land will einen strategischen Nachteil haben. Auch Deutschland gehört dazu. Die Bundesrepublik ist zwar keine Atommacht, hat den Vertrag trotzdem nicht mitunterzeichnet und duldet immer noch, dass rund 20 US-amerikanische Atombomben im rheinland-pfälzischen Büchel lagern. Diese Bomben könnten übrigens im Zuge der Modernisierung des US-Waffenarsenals ausgetauscht werden. Durch einen Nato-Vertrag müssten deutsche Flugzeuge die Bomben im Fall der Fälle abwerfen.
Nachdem der mittlerweile verstorbene Außenminister Guido Westerwelle (FDP) die Abrüstung zu seinem persönlichen Top-Thema erklärt hatte und damit am Veto des Kanzleramtes und der damaligen US-Außenministerin Hillary Clinton scheiterte, kassierte FDP-Chef Christian Lindner die Position wieder ein. Im Wahlkampf hat lediglich SPD-Kandidat Martin Schulz sich, neben Grünen und Linken, für die Abrüstung eingesetzt. Das reicht aber nicht. Viele Organisationen und Staaten reden über eine Abrüstung, aber niemand handelt. Schulz hat die Chance, Abrüstung zum Thema möglicher Koalitionsverhandlungen mit der Union zu machen. Das gilt auch für die deutsche Regierung, wenn eine erneute Große Koalition nicht zustande kommt. Sie muss endlich etwas tun, denn sonst schlägt die „Doomsday Clock" bald Zwölf.
Es ist traurig, dass 122 Staaten - darunter ist mit den Niederlanden nur ein Nato-Mitglied - ein Abkommen zum Verbot von Atomwaffen unterschreiben, es die verbliebenen aber nicht im geringsten schert. Der Vertrag hätte bahnbrechende Wirkung haben können, so ist er ein zahnloses Konstrukt ohne die geringste Wirkung. Immerhin sind die 122 Staaten ein Anfang, die international anerkanntesten sind Österreich und Mexiko. Sie müssten eine Allianz bilden, um die Atommächte zum Einlenken zu bewegen. Eine Aufgabe, die schwerer nicht sein könnte. Ihr Gelingen ist mehr als fraglich. Aber nur über öffentlichen Druck kann es überhaupt funktionieren.
Von den Atommächten wird kaum ein Impuls zur Abrüstung ausgehen, es sieht sogar eher nach dem Gegenteil aus. Es braucht einen mächtigen Staat, der endlich den ersten Schritt macht. Deutschland könnte diese richtungsweisende Rolle übernehmen - wenn es denn will. Leider sieht es danach nicht aus.