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Baden-Baden-LA8 Teil1: Ausstellungsbesprechung-Gediegener-Spot

Krähwinkel - Ehemann unter dem Pantoffel - Bild aus der Ausstellung "Gediegener Spott" - Foto: Helga Waess

Ausstellungstipp "Gediegner Spott. Bilder aus Krähwinkel" in Baden-Baden, Museum LA8

Teil 1: Die bildliche Selbstdarstellung der Gesellschaft vor 200 Jahren wirkte wie Instagram heute

Eine künstlerische Nische für die Meinungsfreiheit in Bildern mit gesellschaftlicher Satire


BADEN-BADEN. Wie umgeht man die staatliche Zensur der Medien? Eine heutzutage in vielen Ländern nicht unerhebliche Frage. Und: wie eine humorvoll anmutende Ausstellung in Baden-Baden zeigt, ist sie bereits vor 200 Jahren gestellt worden. Damals fand man einen geradezu belustigenden Weg!


Krähwinkel. Ein fiktiver, literarischer Ort


Krähwinkel. Ein fiktiver, literarischer Ort, der das Bürgertum der Biedermeier-Welt zum Sammeln satirischer Spott-Graphiken und zum verblüfften Lachen über die eigene Realität veranlasste. Die wortwörtliche bildnerische Interpretation von geflügelten Begriffen des Bürgertums führte dazu, dass Leitfäden der Erziehung und Sprichworte verdreht wiedergegeben wurden. Ja, sogar Generäle, Bürgermeister und Stadträte, Pfarrer und Schulmeister oder Eheleute und Junggesellen wurden auf den Arm genommen.

Kaum, dass ich diesen Satz schreibe, habe ich auch schon Bilder vor Augen: eines, das zeigt wie der Bürgermeister den Stadtrat mit ausgestreckten Armen trägt und so „auf den Arm nimmt" oder ein anderes auf dem er den Rat der Stadt purzeln lässt, als er die Versammlung samt Sofa „aufhebt". In einem weiteren kolorierten Bild hält eine Ehefrau einen Pantoffel über ihren Mann, der „tapfer" sein Kreuz im Arm trägt. (Abbildung)


Auf dem Ausstellungsplakat und auf dem Cover des Kataloges führt eine Dame einen Herrn an der „Nase herum" - mit Daumen und Zeigefinger hat sie diese im festen Griff. Und schließlich karikiert der Künstler seine eigene Zunft, als er Kunststudenten zeigt, die bunte Streifen auf die Wege in einer Landschaft malen, weil sie das „Land durchstreifen", um sich zu bilden.(Abbildung) Diese Darstellung von Christian Gottfried Heinrich Geißler finden wir in der Ausstellung auch auf zwei Bierkrügen aus dem Jahr 1825.


Mit spöttelnden, fein gezeichneten Satire-Blättern erreichten die Kritiker in der Zeit des Vormärz' (circa 1830-1848) jedermann und umgingen mit ihnen geschickt die Einschränkung der Pressefreiheit. Die staatliche Zensur der Presse war nach den Karlsbader Beschlüssen von 1819 besonders streng. Kritiker des Systems fanden in jenen bunten und fein ausgeführten Kupferstichen einen Weg, um die Zensur zu umgehen. Hier wurde in Bild und Spruch eine freie Meinung geäußert. Krähwinkel war ein fiktiver Ort und für die Zensur nicht greifbar. Er war also bestens geeignet um die"Spießbürger"-Idylle der eigenen Zeit und die herrschende Ordnung zu karikieren.


Kräwinkelbilder wirkten vor 200 Jahren wie Instagram heute

Jeder konnte sie sich leisten und jeder wollte sie sammeln: die „ Bilder aus Krähwinkel". 


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