1 abonnement et 3 abonnés
Article

Baden-Baden-LA8 Teil 2 Ausstellungsbesprechung "Gediegener-Spot"

Sammelalben und Krähwinkel-Bilder in der Ausstellung Gediegener Spott, im LA8 in Baden-Baden, Foto: Helga Waess

Ausstellungstipp "Gediegner Spott. Bilder aus Krähwinkel" in Baden-Baden, Museum LA8  - noch bis 2. September 2018

Teil 2: Die Karlsbader Beschlüsse beschränkten vor gut 200 Jahren die „Preßfreiheit" aller Druck-Erzeugnisse


Spätestens als im Jahr 1819 in den Karlsbader Beschlüssen die „Preßfreiheit" durch die allgemeine staatliche Zensur aller Schriften und Druckerzeugnisse jedwede Freiheit verliert, schlägt die Stunde der Interpreten einer bürgerlichen Realität mit satirischen Mitteln. „Presse" als Begriff war erst seit Mitte des 18. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum für gedruckte Zeitschriften und Zeitungen gebräuchlich - vorher schloss der Begriff die Gesamtheit aller Druckerzeugnisse ein. Jetzt, das heißt 1819 sollte auf einmal jeder Text, der in den Druck ging, genehmigt werden.

Wie sollte der Kritiker dieser rigorosen Zensur umgehen?

Auf der Suche nach einer Nische für die Freiheit des geschriebenen Wortes und die Einbindung versteckter Kritik in massenhaft verbreiteten Druckerzeugnissen wird die Verbildlichung politischer Satire ein wichtiges Mittel unverfänglich anmutender Druckgraphik.

Scheinbar plump, naiv und fast einfältig kindlich interpretierten Künstler Belehrungs-Grundsätze und Sinnsprüche, die der Erziehung der Gesellschaft dienen sollten.

Die Exaktheit der Erwachsenenwelt wurde in den rund 200 in Baden-Baden ausgestellten Werke sozusagen in die einfache Kindersprache übertragen und dadurch für die politische Zensur nicht fassbar. Damals wie auch heute schmunzelte der Betrachter über jene einfache bildnerische Umsetzung.

In der Krähwinkel-Satire fand sich eine Nische für die Meinungsfreiheit

Noch wurde in den 1820er/30er Jahren, wie Dr. Gisela Vetter-Liebenow, die Direktorin des Wilhelm Busch Museums aus Hannover, im Katalog zur Ausstellung ausführt, darüber diskutiert, ob Honoratioren, wie der Bürgermeister, der Pfarrer oder der Lehrer das Ziel politischer Satire sein durften.

Wie umgingen Spottverse und Bilder mit versteckter Kritik die Presse-Zensur im Vormärz?

Personen des öffentlichen Lebens wurden nicht namentlich genannt, sondern lediglich das von ihnen repräsentierte Amt. Alte Sinnsprüche wurden neu und kritisch interpretiert. Das Kirchen- oder Stadtratsamt fand sich in jenen Bildern wieder und so übte man versteckte Kritik, die in realen Texten zensiert worden wäre.

Die Erfindung des Ortes KRÄHWINKEL - ein „Musterbild beschränkter Kleinstädterei"

Der Schriftsteller Jean Paul hatte im Jahr 1801 den Namen „ Krähwinkel" wohl erstmals gebraucht. Wie sich dieses Synonym für das literarische Bild von einem beschränkten und einfältigen Bürgertum anbot, zeigt auch Kotzebues Buch über „ Deutsche Kleinstädter", welche im Jahr 1803 literarisch in Krähwinkel beheimatet sind.

Heinrich Heine, der als Student in Berlin von der überfüllten 200.000 Einwohnerstadt schnell genug hatte, kam ebendort erstmals in einem Theaterstück mit dieser fiktiven, kleinbürgerlichen Stadt und ihren stoffeligen Einwohnern, eben jenen Krähwinklern in Berührung. Fortan krähwinkelte es auch bei Heine.

Die Baden-Badener Ausstellung im LA8 zeigt, wie dankbar die Erfindung des Ortes KRÄHWINKEL in der Literatur der Zeit als ein „ Musterbild beschränkter Kleinstädterei " (Vgl. Grimmsches Wörterbuch, 1854) von den damaligen Bildmedien aufgegriffen wurde. Hierzu nutzte man den Vorteil der Vervielfältigung: denn Colorierte Kupferstiche konnten in größerer Stückzahl produziert und verbreitet werden. Krähwinkel war stets nur ein fiktiver Ort und so jenseits jeder Kritik an der Obrigkeit und den realen politisch-sozialen Verhältnissen. Die staatliche Zensur konnte hier nicht greifen!

Rétablir l'original