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Urban Gardening auf neue Art: In Britz entsteht ein gemeinschaftlicher Waldgarten

So stellt sich der von den Forschern beauftragte Illustrator Arian Rassoul das naturnahe Ökosystem eines städtischen Waldgartens vor: mit blühenden Baumkronen, darunter liegender Strauchschicht und Pflanzen am Boden. Foto: Arian Rassoul

„Das hier ist der perfekte Ort." Zufrieden schaut Jennifer Schulz um sich. „Die Fläche ist noch nie bebaut gewesen, sie hat die richtige Größe, der Boden ist schadstofffrei und es stehen hier bisher nur wenige große Bäume und Sträucher", sagt die Wissenschaftlerin. Zudem ist das Gebiet gut erreichbar - ein Glücksfall. Hier, am Rand des Britzer Gartens, im Süden von Berlin, hat Schulz Großes vor.

Der Waldgarten soll ein Ort der Begegnung und Erholung werden

Wo im Moment noch braune Rinder mit langen Hörnern auf einer umzäunten Weide das Gras kurzhalten, soll in den kommenden Jahren zusammen mit interessierten Bürgern ein Waldgarten entstehen. Obst- und Nussbäume, Beerensträucher, Gemüsepflanzen und Kräuterstauden werden dann einen parkartigen Obst- und Gemüsegarten inmitten der Stadt bilden.

Ein Ort der Begegnung, Erholung und Bildung soll die Anlage sein, in dem die Anwohner und andere Mitstreiter gärtnern und ernten, wünscht sich Schulz. Aber auch eine grüne Lunge, die die angrenzenden Wohnbezirke im Sommer kühlt und den Wasserhaushalt reguliert. Und natürlich eine Nasch-Oase. Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg, weiß Jennifer Schulz. Gemeinsam mit ihrem Forschungsteam von der Universität Potsdam stellt sie mit Mitteln des Bundesamts für Naturschutz seit einem Jahr im Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben „Urbane Waldgärten" die Weichen für das ambitionierte Ziel.

Im Britzer Garten kann der gemeinschaftliche Waldgarten entstehen

Die Idee für einen solchen urbanen Waldgarten hat Schulz aus Südamerika und Südeuropa mitgebracht, wo sie lange Jahre lebte und als Landschaftsplanerin ähnliche Projekte plante und realisierte. Als sie vor einigen Jahren nach Deutschland zurückkehrte, reizte es die Forscherin, auch hier so etwas zu initiieren. Lange suchte sie nach geeigneten Flächen in Berlin, um hier das Pilotprojekt auf den Weg zu bringen und wissenschaftlich zu begleiten. Sie weiß, dass das Pflanzen und Bewirtschaften eines Waldgartens zwar herausfordernd ist. Die größere Hürde sieht sie aber woanders: „Das Schwierigste wird es sein, über die anfängliche Euphorie hinaus eine stabile Gemeinschaft an Gärtnern und Mitwirkenden zu bilden."

Mit ihrem Team untersucht Schulz sowohl biologische, soziale als auch rechtliche Fragen. Die Erkenntnisse sollen dabei helfen, Waldgärten zukünftig auch in anderen Städten erfolgreich anzustoßen und langfristig zu betreiben. Wie wirkt sich ein Waldgarten auf die Bodengesundheit oder die biologische Vielfalt aus? Verändert er die Lebens- und Wohnqualität im Stadtquartier? Wirkt er sich, wie Studien andernorts zeigen, etwa positiv auf psychische Erkrankungen aus oder lässt er die Kriminalität sinken? Welche Betreibermodelle sind möglich?

Im Bezirksverband Berlin-Süden der Kleingärtner, der unter seinem Dach etwa 9000 Kleingärtner vereint, fanden Jennifer Schulz und ihr Team einen Partner, der die Waldgartenpläne voll und ganz unterstützt. Auf der Fläche im Britzer Garten sollten demnächst sowieso Kleingärten entstehen. Das Areal, das 2,7 Hektar umfasst, ist als Ersatzfläche für andernorts durch Bauvorhaben verloren gegangene Parzellen festgelegt.

Viele Familien wünschen sich einen Gemeinschaftsgarten

Mindestens 5000 Quadratmeter davon könnten als gemeinschaftlicher Waldgarten entwickelt werden, kann sich der Geschäftsführer des Vereins, Manfred Hopp, vorstellen. „Hier könnten etwa 20 Familien oder auch mehrere Einzelpersonen gemeinschaftlich gärtnern", sagt Hopp. Er befürwortet es, Kleingärten auch einmal anders als bisher zu gestalten und versteht die Pläne als große Chance für das Kleingartenwesen. Dieses müsse sich öffnen und auf neue Bedürfnisse reagieren, um zukunftsfähig zu bleiben. „Es ist ein schönes Projekt und wir können kaum erwarten, dass es losgeht", sagt er.

„Der Wunsch nach Gemeinschaftsgärten ist groß", sagt Jennifer Schulz. Besonders Familien mit berufstätigen Eltern und kleinen Kindern würden sich einen Garten wünschen, in dem gemeinsam gehackt, gesät, geerntet und eingekocht wird. Mit einer Einzelparzelle, deren Pflege und Bewirtschaftung bestimmten Ansprüchen genügen muss, sieht sich diese neue Gärtnerklientel häufig überfordert. Ein Gemeinschaftsgarten bietet außerdem Möglichkeiten des intensiven Austauschs zwischen den Generationen. Die Jüngeren könnten von den Erfahrungen der Älteren profitieren und vielleicht selbst neue Ideen und Pflanzensorten oder Impulse für den Natur- und Klimaschutz mitbringen.

Der Waldgarten hat auch Bildungsanspruch - Die Berliner sollen mehr über die Natur lernen

Positive Effekte des Gärtnerns erhoffen sich Schulz und ihre Partner nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Natur. „Der Waldgarten soll einen Beitrag für die biologische Vielfalt leisten", betont die Forscherin. „Der Bebauungsplan für diese Fläche schreibt ganz klar vor, dass die Biodiversität gefördert und das Klima aufgewertet wird." Beide Punkte würde ein strukturreicher Waldgarten erfüllen, der mit seinen blühenden Baumkronen, der darunter liegenden Strauchschicht und den Pflanzen am Boden ein naturnahes Ökosystem mit neuen Lebensräumen schafft. Mit einem Langzeitmonitoring, in dem dokumentiert wird, wie sich die Vielfalt an Pflanzen und Tieren und verschiedene Klimaparameter im Laufe der Zeit entwickeln, möchte Jennifer Schulz diese Hypothese untermauern.

„Alle möglichen Beerensträucher, Rhabarber, Beinwell, Rucola, Minze, Mangold" - Jennifer Schulz gerät ins Schwärmen, wenn sie all die Nutzpflanzen aufzählt, die in einem Waldgarten neben den Obstbäumen gedeihen können. „Wir haben eine unendliche Vielfalt an Nahrungspflanzen, kennen und nutzen aber nur einen Bruchteil davon." Vor kurzem hat sie selbst einen Waldgarten mit mehr als 200 Arten von Nutzpflanzen angelegt, in Portugal brachte sie vor einigen Jahren sogar mehr als 700 Arten auf fünf Hektar Fläche unter.

Ihr Projekt versteht sie auch als Bildungsangebot. Die Waldgärtner werden von Beginn an in der Planung und Pflege ihrer grünen Oase unterstützt und lernen so nicht nur einiges über die Bedürfnisse und richtigen Standorte ihrer Pflanzen, sondern auch über die Stoffkreisläufe in der Natur. Ein Waldgarten ist sehr ertragreich, betont Schulz. Denn die Pflanzen werden so angeordnet, dass sie sich in ihren Licht- und Nährstoffbedürfnissen ergänzen. Die Vielfalt sorgt außerdem dafür, dass nahezu ganzjährig geerntet werden kann.

Die Nachbarschaft soll den Waldgarten selber pflegen

Wie wird der Britzer Waldgarten also in 20 Jahren aussehen? Jennifer Schulz möchte sich noch nicht festlegen. „Wir haben derzeit noch viel mehr offene Fragen als Antworten," sagt sie. Letztlich sollen die Bewohner aus der Nachbarschaft, die den Waldgarten pflegen, selbst entscheiden, was sie sich wünschen: ob der Garten jederzeit und für alle zugänglich sein soll und es ob Zäune geben wird, wer das Obst und Gemüse ernten darf und ob es neben einem Gemeinschaftshaus mit Schulungsmöglichkeiten auch private Lauben geben soll.

Zugleich steht die Frage: Haben auch weitere Kleingärtner in dem gesamten neu zu gründende Kleingartenverein Interesse am Leitbild Waldgarten? „Es ist ein Entwicklungsprozess, der hier stattfinden muss", sagt Jennifer Schulz. Eines ist aber sicher: „Das Projekt steht und fällt mit einer guten Gemeinschaft."

Mitstreiter gesucht: Für den ersten gemeinschaftlichen Waldgarten im Süden Berlins sucht das Projektteam der Universität Potsdam nach Interessenten, die sich tatkräftig einbringen wollen. Am 24. Juli findet von 18 bis 20 Uhr ein Workshop im Pyramidengarten am Columbiadamm 120 in 10965 Berlin statt.

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