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BERLIN BREMST

Die Hauptstadt macht Ernst und stellt sich als Erste den Steigerungen der Mietpreise in den Weg. Wo jetzt was gilt - alle Informationen für Mieter und Vermieter


Von Hannah Steinharter


Seit 1. Juni ist es so weit: Berlin führte als erstes Bundesland die Mietpreisbremse ein. So können dort die Preise für Neuvermietungen nicht mehr unbegrenzt weitersteigen. Damit sind Hoffnungen der Mieter und Verärgerung der Vermieter verbunden. Das hat schon im Vorfeld für zahlreiche Diskussionen gesorgt. Begrenzungen galten nämlich bislang lediglich für Preiserhöhungen in der Mietzeit. Nun unterliegen auch Neuvermietungen bestimmten Richtlinien.

Großstädte im Visier. Besonders Wohnungssuchende in Ballungsrämen setzen große Hoffnungen in die Preisbremse. Sie sind bisher häufig Leidtragende der angespannten Mietlage. Das knappe Angebot führt oft zu drastischen Erhöhungen der Nettokaltmieten. Die Preisaufschläge betragen stellenweise bis zu 50 Prozent. Seit 1. Juni besteht deshalb die Möglichkeit, in angespannten Wohnungsmärkten die Mietpreisbremse einzuführen. Das neue Gesetz soll gerade in begehrten Vierteln vieler Metropolen und Unistädte die Mieten deckeln und so eine extreme Mietpreissteigerung bei der Wiedervermietung verhindern. Vermieter dürfen demnach bei einer Neuvermietung in ausgewählten Städten nur noch maximal zehn Prozent über die ortsübliche Miete hinausgehen. Diese bestimmt sich in der Regel nach dem aktuellen Mietspiegel (s. Kasten rechts).

Jens-Ulrich Kießling, Ex-Präsident des Immobilienverbands IVD, sieht darin jedoch keine Lösung für das eigentliche Grundproblem - die angespannten Wohnungsmärkte: „Jedem sollte klar sein, dass eine Mietpreisbeschränkung allein keine Entspannung der Märkte erwirken wird. Damit schiebt der Gesetzgeber das eigentliche Problem vor sich her - die Schaffung von ausreichendem Wohnraum für eine wachsende und alternde Gesellschaft."

Preisdeckel mit Ausnahmen. Trotz Bremse soll aber weiterhin in den Neubau von Wohnungen investiert werden. Um Baumaßnahmen attraktiver zu gestalten, deckelt das neue Gesetz nicht alle Mieten. Es gibt durchaus Ausnahmeregelungen (s. Rechnungen S. 70). Denn nicht nur Mieter sollen vor zu hohen Neumieten geschützt werden, auch Vermieterinteressen werden berücksichtigt: So müssen sie bei der Neuvermietung keine niedrigere Miete festlegen, als bisher mit dem Vormieter vertraglich vereinbart war. Auch wenn laut Mietpreisbremse also eine niedrigere Miete angemessen wäre, greift die Regulierung in diesem Fall nicht. Der Vermieter soll bei einer Neuvermietung schließlich nicht schlechter dastehen als vorher.

Bei Vermietungen von neu gebauten oder komplett modernisierten Wohnungen darf der Vermieter den Mietpreis ganz ohne Beschränkungen festlegen. Voraussetzung für Letzteres ist allerdings, dass mindestens ein Drittel der Kosten, die für einen vergleichbaren Neubau zu zahlen wären, in die Modernisierung investiert wurden. So hofft man, das eigentliche Grundproblem der Wohnungsknappheit weiter zu bekämpfen.

Gut gemeint . . . Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) warnt jedoch vor flächendeckenden Negativ-Auswirkungen: „Die Mietpreisbremse wird Investoren abschrecken und zum Gegenteil ihres eigentlichen Zwecks führen: zu einem noch geringeren Wohnungsangebot für preisbewusste Mieter."

Erste Fakten. Ausgerechnet Berlin hat als Erste die Mietpreisbremse zum 1. Juni eingeführt - obwohl das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg den Berliner Mietspiegel zeitgleich für unbrauchbar erklärt hat. Begründung des Berliner Senats: Die Entscheidung des Amtsgerichts beziehe sich nur auf einen konkreten Einzelfall und kippe daher nicht die geplante Mietendeckelung. Auch habe das Urteil keine Auswirkungen auf den neuen qualifizierten Mietspiegel, der am 18. Mai erschienen und von einem anderen Anbieter erstellt worden ist.

Die Entscheidung der Richterin macht jedoch generell auf dringend zu klärende Probleme aufmerksam. Ein qualifizierter Mietspiegel muss nämlich nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt werden. Doch was heißt das genau? Entsprechende Richtlinien hat die Bundesregierung bisher noch nicht festgelegt, auch wenn laut Justizministerium bereits daran gearbeitet wird. Der Großstadtbeauftragte der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Kai Wegner, fasst zusammen: „Nach dem Urteil des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg müssen wir verhindern, dass mit dem Mietspiegel eine tragende Säule der Mietpreisbremse ins Wanken gerät."

Der Blick auf Deutschland. Nicht nur Mieter und Vermieter sind über die Mietpreisbremse und deren Folgen uneinig. Auch die meisten Bundesländer befinden sich bisher in unterschiedlichen Phasen der Planung (s. Deutschlandkarte S. 68). Hamburg hat inzwischen nachgezogen und die Mietpreisbremse für das gesamte Stadtgebiet eingeführt. Auch in Nordrhein-Westfalen gilt sie seit 1. Juli in 22 größeren Städten. Baden-Württemberg peilt dies noch im Sommer 2015 an und ermittelt gerade die Regionen mit angespannten Wohnungsmärkten. Auch Rheinland-Pfalz wird die Mieten 2015 deckeln, der genaue Starttermin ist hier jedoch noch nicht bekannt. Ein Gutachter hat dafür schon die Städte Mainz, Trier und Landau für die Mietpreisbremse ins Gespräch gebracht. Und Thüringen hat Weimar, Jena und Erfurt im Visier. Man befinde sich mit den Kommunen allerdings noch im Gespräch, ein genauer Termin für die Einführung der Deckelung ist noch nicht bestimmt, heißt es auf Nachfrage.

Anders sieht es in Niedersachsen aus: Mit der Mietpreisbremse ist zumindest im Jahr 2015 nicht mehr zu rechnen. Ein eventueller Beschluss der Bremse für bestimmte Gebiete durch das Landeskabinett sei erst für 2016 vorgesehen, erklärt das Finanzministerium. Auch in Mecklenburg-Vorpommern liegt eine Einführung in weiter Ferne, da bisher keine angespannten Wohnungsmärkte festgestellt worden seien, so das Ministerium für Wirtschaft, Bau und Tourismus.

Sicher ist jedoch, dass das Berliner Urteil bestimmt nicht die letzte Entscheidung bleiben wird. „Ohne einheitliche Standards, regelmäßige Aktualisierungen und stärkere Differenzierungen in der Berechnung der Vergleichsmieten droht die Mietpreisbremse weitere Rechtsstreitigkeiten zu provozieren anstatt den Markt zu beruhigen", warnt Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfelds Finanz- und Immobilienmärkte im Kölner IW. Die Mietpreisbremse wird also weiterhin bundesweit für Gesprächsstoff sorgen.


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