Die Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch sind - und damit fängt es an - das einzige Schostakowitsch-Festival weltweit. Gerade fand es zum zehnten Mal statt - in einem winzigen Kurort in der Sächsischen Schweiz. Zuerst sind da diese Graffiti, die man immer sieht, bevor man von Bad Schandau die Serpentinen nach Gohrisch hochfährt: Hastig hat jemand "No AfD" und"No Nazis" auf die Rückseite eines Straßenschildes gepinselt. In dieser Region, in der die bei der Europawahl Ende Mai mit 32,9 Prozent stärkste Kraft geworden ist, wirkt das in seiner Harmlosigkeit wie ein Lausbubenstreich. Friedlich geht es in dem 2200-Seelen-Bergdorf zu. Die Einwohnerzahl steigt, es gibt einen neuen Kindergarten und einen schicken Campingplatz, auf den man sehr stolz ist. Die Menschen haben Arbeit und Häuser mit Weinranken am Küchenfenster. Ein seltsam verschwiegenes Paradies ist dieses Gohrisch, mitten in seinen dunkelgrünen Bergen.
Kaum verändert hat sich der Ort, seit der Komponist Dmitri Schostakowitsch hier 1960 ein paar Tage verbrachte. Er war eingeflogen worden, um sich als Inspiration für die Propagandafilm-Musik zu Fünf Tage - Fünf Nächte das zerbombte Dresden anzuschauen, und wurde im damaligen Gästehaus des Ministerrates der DDR untergebracht. Hier komponierte er anstelle der Filmmusik sein berühmt gewordenes 8. Streichquartett, das einzige Werk, das außerhalb der Sowjetunion entstand. Der damals 53-Jährige arbeitet sich darin an seinen Initialen D-Es-C-H ab, die nach fünf Sätzen in einem bleichen Morendo verklingen - als wäre das Quartett Schostakowitschs eigenes Requiem. Der kleine Teich, an dem er damals unter einer Buche gesessen hat, liegt noch immer einfach so da. Nur der Baum fehlt. Er hat im Januar dieses Jahres die Bank zertrümmert, auf der Schostakowitsch gearbeitet hatte.