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Impfstrategie: Operation Freiheit - Wie die anderen es besser machen - WELT

Die Bundesrepublik will schneller impfen - aber wie? Bei der Analyse lohnt ein Blick ins europäische Ausland, etwa nach Polen, Dänemark oder Griechenland. Doch nicht jedes Instrument der anderen Staaten dürfte Deutschland gefallen.

Deutschland steht beim Impfen im europäischen Vergleich schlecht da. Mit einer Impfquote von rund zehn Prozent liegt das Land EU-weit nur auf Platz elf. Diese Misere ist selbst verschuldet. Verbesserungsvorschläge aus dem Ausland gibt es jedoch viele: mehr Dosen aus einer Ampulle herausholen, die Impfreihenfolge flexibler handhaben, Termine digital vergeben oder Impfstoffe auch woanders einkaufen. Eine Übersicht.


Dänemark: Die siebte Dosis impfen

Schon im Dezember hat etwa Dänemark festgestellt, dass man kreativ werden müsse. Die Menge des Impfstoffs, den die EU besorgt hatte, war zu knapp. Aus einer Ampulle des Biontech-Vakzins sollten sich fünf Dosen herausholen lassen. Anfang Januar empfahl die Europäische Arzneimittelagentur (EMA), auch die sechste Dosis zu entnehmen. Doch in Dänemark wurden sofort spezielle Spritzen besorgt, die eine noch feinere Dosierung ermöglichten. So können Ärzte sieben Dosen aus einer Ampulle herausholen.

Laut der Gesundheitsbehörde bedeutet das, dass mit derselben Lieferung zehn Prozent mehr Menschen geimpft werden. „Das erklärt zu einem hohen Maße, warum Dänemark schneller ist als andere europäische Länder“, sagt Camilla Fuget von der Universität Kopenhagen. Dieses hohe Tempo sorge außerdem dafür, dass in Dänemark fast kein Impfstoff ungenutzt in den Kühlschränken herumliege. Gut 94 Prozent aller gelieferten Dosen hat das Land bereits verimpft.


In Nordrhein-Westfalen kündigte das Gesundheitsministerium im Februar zunächst an, dass aus einer Ampulle ebenfalls sieben Dosen entnommen werden dürften. Doch als ein Impfarzt die dafür notwendigen Spritzen einsetzte, machte das Ministerium einen Rückzieher. Die Verwendung der Spritzen sei nicht erlaubt.


Frankreich: Reihenfolge umwerfen

„Solange ihr Impfstoff im Kühlschrank liegen lasst, sperre ich die Leute nicht wieder ein“, soll Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Anfang März laut Berichten des TV-Senders „BFM“ in einer internen Sitzung gesagt haben. Also suchte man nach Wegen, das Impfen zu beschleunigen – mit Erfolg: Seit Anfang März legt das Land eine beeindruckende Aufholjagd hin und ist kurz davor, Deutschland zu überholen.

Zwar hat ein Gremium aus Wissenschaftlern und Medizinern im vergangenen Herbst eine Impfreihenfolge ausgearbeitet, nach der nun alle über 50-Jährigen mit Vorerkrankungen dran wären, doch die bremste das Impftempo. Deswegen scheint sie jetzt nicht mehr allzu bindend zu sein. Offiziell bestätigt wird dies nicht, aber es gilt unter den Franzosen als offenes Geheimnis, dass nun auch Menschen über 50 ohne Vorerkrankungen ihre Dosis bekommen können. So häufen sich Berichte von Menschen, die unkompliziert einen Impftermin erhalten haben. Auf Twitter erklären selbst Menschen unter 50 Jahren, dass sie in den Impfzentren abends unbürokratisch übrig gebliebene Impfdosen gespritzt bekamen.


In Deutschland mehren sich die Forderungen nach einer pragmatischeren Handhabung der Impfreihenfolge. Nach Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat am Freitag auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder dies ins Spiel gebracht. Sobald die Hausärzte impfen dürfen, solle man nicht mehr an der „starren Prioritätenreihenfolge“ festhalten. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte dagegen noch am Dienstag genau davor. Die Reihenfolge dürfe durch die Hausärzte auf keinen Fall verändert werden.


Griechenland: Termine digital vergeben

Die Impfkampagne in Griechenland trägt den Namen „Operation Freiheit“. Etwas tun, um daran teilzunehmen, müssen die Bürger des Landes allerdings nicht. Sobald sie an der Reihe sind, werden sie automatisch per SMS informiert, wann und wo sie sich zum Impfen einzufinden haben. Per Textnachricht kann man den Termin bestätigen oder elektronisch umbuchen. Ältere Menschen ohne Internet können dies auch in der Apotheke oder im nächsten Bürgerzentrum tun.

Das ist nur möglich, weil die griechische Regierung zu Beginn der Pandemie Weitsicht bewiesen hat. Da wurden nämlich sämtliche Patientendaten für ein System zur elektronischen Ausstellung von Rezepten digitalisiert. Die digitale Terminvergabe sorgt nun dafür, dass Griechenland deutlich schneller impfen kann und dass kaum Impfstoff weggeworfen werden muss. Warteschlangen vor Impfzentren oder gar Telefonhotlines, die ältere Menschen und deren Angehörige in die Verzweiflung treiben, gibt es in Griechenland ebenfalls nicht.


Ungarn: In China und Russland bestellen

Es sah erst nach einer reinen PR-Strategie von Ungarns Premier Viktor Orbán aus, um die EU unter Druck zu setzen. Doch nun entpuppt es sich als erfolgreiche Strategie: Schon Ende des vergangenen Jahres hat die ungarische Regierung mit Peking und Moskau vereinbart, fünf Millionen Dosen des chinesischen Vakzins Sinopharm und zwei Millionen Dosen von Russlands Sputnik V-Impfstoff zu kaufen. „Wir wären in einer viel schwierigeren Lage, wenn wir den chinesischen und russischen Impfstoff nicht hätten“, erklärte die Gesundheitsbehörde NNK auf Anfrage.


In der Tat ist ein Großteil der im Land eingetroffenen Dosen des Biontech-Impfstoffs bereits verimpft. Auch die Vorräte an Moderna- und AstraZeneca-Vakzinen neigen sich dem Ende zu. Von den 550.000 Dosen des chinesischen Impfstoffs, die Mitte Februar geliefert wurden und seit gut zwei Wochen verimpft werden, sind noch 71 Prozent auf Lager. Auch die 325.000 bereits gelieferten Sputnik V-Dosen aus Moskau sind bei Weitem noch nicht aufgebraucht. Die EMA prüft Sputnik bereits, allerdings gibt es seitens der EU keine Bestrebungen, Dosen in Moskau zu bestellen.


Polen: Hausärzte einbinden

Wer sich in Polen impfen lassen möchte, hat viele Optionen. Neben Kliniken kann man seine Spritze auch beim Hausarzt, dem Kinderarzt oder dem Zahnarzt bekommen. Die polnische Regierung hat keine Zeit verloren und die niedergelassenen Ärzte schon im Dezember eingebunden. Insgesamt gibt es in Polen deshalb 6500 Impfpunkte – ein enormes Angebot. Diese kleinteilige Impfkampagne sorgt dafür, dass der Impfstoff schnell zu den Menschen gelangt und nur wenige Dosen liegenbleiben. 92 Prozent des gelieferten Vakzins sind bereits verimpft.

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