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4 Women

Was heißt es heute, eine Frau, eine Künstlerin zu sein? Bunu Dhungana (Kathmandu/Nepal), Rita Martin (Heidelberg/BRD), Salma Abedin Prithi (Dhaka, Bangladesch) und Jaana Rau (Basel, Schweiz) − die 4 Women, präsentieren seit Oktober im Mannheimer Kunstverein ihre Arbeiten und beschäftigen sich in ihrem künstlerischen Schaffen mit diesen Fragen. Sie setzen sich thematisch mit Geschlechterrollen auseinander, hinterfragen und reflektieren sie. Diese Rollen werden von verschiedenen Faktoren beeinflusst, etwa Sexualität, Klasse, Kaste, Nationalität, Ethnizität oder Religion. Die vier Künstlerinnen sammelten Erfahrungen in unterschiedlichen geographischen, soziokulturellen und religiösen Zusammenhängen.

Sie nutzen vielseitige Medien, etwa Fotografie, Performance, Zeichnung, Audio und Video, um ihre Kreativität zum Ausdruck zu bringen. Die einzigartigen Ausdruckweisen ergeben in der Ausstellung vielfältige Rhythmen, die sich zwischen Poesie, leichtem Humor und scharfem sozio-politischen Kommentar bewegen. Eröffnung war am Sonntag 04.10.2020. Es sprachen Dr. Friedrich W. Kasten, 1. Vorsitzender MKV und Marlène Harles, die Kuratorin der Ausstellung. Die Ausstellung endet am 22. November 2020.

Die mit Sorgfalt auf Papier gebrachten Figuren von Jaana Rau aus Basel beginnen als androgyne (zwitterhafte) Marionetten, von unsichtbaren Fäden geführt, in Erwartungsnetze gehüllt und mit bestimmten Rollen besetzt. Sie lösen sich langsam von dem, was erwartet wird. Die Puppen, geführt von nicht sichtbaren Fäden, entwickeln eigene Bewegungen und entdecken ihren Körper als Mittel zum (Wieder-)Zugang zur Welt. Jaana Raus Schwerpunkte sind Zeichnungen und Videos. Sie ist mit zwölf schwarz-weiß Zeichnungen aus der Serie „Analyse eines Blickes" (2019) und einer Rauminstallation - Öl auf fünf hängenden Papierbahnen - vertreten. Die Werke entstanden in den Jahren 2017 bis 2019. Jaana interessiert sich für Körper-, Selbst- und Fremdwahrnehmungen. Sie versucht mit ihren Arbeiten, einen Raum zu öffnen, in dem Selbstreflexion auf eine subtile Art stattfinden kann. Neben ihren eigenen Projekten arbeitet die Schweizerin immer wieder mit anderen Künstler/innen zusammen. Dieses Jahr beendete sie das Kunststudium an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel, wo sie auch lebt und arbeitet. Zur Eröffnung ist sie angereist. Eines ihrer Anliegen ist es, mit ihrem Schaffen etwas „sichtbar zu machen, was nicht sichtbar ist".

Salma Abedin Prithi kombiniert unechte Hochglanz Arrangements alltäglicher Haushaltsgegenstände mit verträumten Sequenzen. Sie untersucht und hinterfragt die gesellschaftlichen Normen und kulturell sanktionierten Verhaltensweisen, die Frauen in der Gesellschaft, in der sie aufgewachsen sind, unterdrücken. Sie ist mit der Serie „Gloomy Sunday (2014 -ongoing), 25 Fotografien - Digitaldruck auf Alu-Dibond - und zwei Videoarbeiten vertreten. Sie erforscht in ihrer Arbeit die Verletzlichkeit und den psychologischen Kampf gewöhnlicher Menschen im heutigen Südasien. Salma A. Prithi befasst sich in erster Linie mit der Ungleichheit der Geschlechterrollen, häuslicher Gewalt und sozialen Ungleichheiten. Sie schafft oft Porträts in einem intimen Raum, bei denen sie gewöhnliche Menschen ablichtet und dies als einen Prozess der gemeinsamen Heilung und des Protestes begreift. Ihre jüngste Arbeit „Mundane" ist eine Kombination aus Tableau vivant (lebende Bilder) und Archivaufnahmen von Zeitungen. Beide zusammen ergeben ein Zeugnis alltäglicher Gewalt in Bangladesch. Tableau vivant stellt lebende Personen in einem Werk vor. Salma ist Preisträgerin des Magnum Foundation Social Justice Fellowhips 2019 und der Joop Swart Masterclass 2020. In erster Linie setzt sie sich mit ihrer Beziehung zur Mutter auseinander und der zur Gesellschaft.

Durch die Bewegungen ihres Körpers erforscht Rita Martin die Begrenzungen des physischen und sozialen Raums. In Fotografien und Videoarbeiten fängt sie verschiedene Rhythmen ihres Körpers ein. Sie streckt und beugt sich, greift, tritt ein und schafft sich, mit dem Tastsinn und dem Geist, ein Bewusstsein für ihre Umwelt. Die Heidelbergerin Rita Martin arbeitet mit Video, Performance und performativer Photographie. Ihre Arbeiten drehen sich um den Körper und um Körper und Raum. Sie hat an der Freien Akademie in Mannheim studiert und ein Gaststudium an der Kunstakademie Karlsruhe in der Klasse von Silvia Bächli absolviert. Ihre Arbeiten werden seit gut 20 Jahren regelmäßig gezeigt. Als Referentin, Organisatorin und Künstlerin nimmt sie seit Jahren an der Frauen- und Lesbenbewegung teil, die sie als ihre politische Heimat sieht. Rita Martin setzt sich mit sich selbst und dem Raum auseinander. Die anderen Künstlerinnen setzen sich mit sich selbst und der Gesellschaft auseinander. Martin ist in der Mannheimer Kunsthalle mit Fotografien aus der Serie „The Mattiazzo Room" vertreten, die in den Jahren 2017 bis 2020 entstanden sind und einer Video Performance von knapp 20 Minuten mit dem Titel „Strai(gh)t Space", aufgenommen 2013. Die Performance wird am 21.10.2020 nochmals gezeigt.

Indem sie die Kamera auf sich selbst richtet, offenbart Buna Dhungana kleine (und größere Momente) des Eigenwillens und der Beharrlichkeit, angesichts der soziokulturellen Normen. Sie untersucht die Spuren - die Auswirkung von Fragen, Zweifeln, Geheimnissen und Emotionen - die sozialen Beziehungen, Familie und Freunde auf ihrem Körper und ihrer Psyche hinterlassen. Bunu Dhungana nutzt die Fotografie als Medium, um die Welt um sich herum zu erforschen und zu hinterfragen. Während sie sich in ihren persönlichen Projekten hauptsächlich mit Gender beschäftigt, ist sie beruflich vielseitig aufgestellt - von visueller Ethnographie und der Arbeit mit NGOs/NG bis in den kommerziellen und journalistischen Bereich. Bunu glaubt, dass visuelle Geschichten Menschen erreichen, sie ansprechen und Gespräche beginnen können. Zurzeit arbeitet sie mit photo.circle und der Nepal Picture Library zusammen. Bunu zeigt Arbeiten aus der Serie „Confrontations", die zwischen 2017 und 2020 entstanden. Zu sehen sind von ihr in der Kunsthalle Portraits (Fotografien -Digitaldruck auf Alu-Dibond). Eine Slideshow, Audioinstallation und Texte.

In den letzten Jahren haben sich Kunstinstitutionen vermehrt der Kunst von Künstlerinnen gewidmet. „Die schaffende Galatea. Frauen sehen Frauen" (2019) in der Kunsthalle „Talstraße" in Halle oder „Fantastic Women" (2020) in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt am Main sind nur zwei Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum. Diese Ausstellungen könnten den Eindruck erwecken, dass sich die Dinge geändert haben und Frauen mehr Repräsentation in der Kunstszene finden. Aber diese Ausstellungen sind oft Retrospektiven und/oder einigen wenigen Künstlerinnen vorbehalten. Zeitgenössisch schaffende Künstlerinnen bleiben in vielen Fällen unterrepräsentiert. Eine Veränderung kann nur dadurch herbeigeführt werden, dass wir Raum für uns selbst einnehmen. Und die Ausstellung „4 Women" im Mannheimer Kunstverein, ist dieser Raum.

Öffnungszeiten: Di, Do bis So 12 bis 17 Uhr, Mi 14 bis 19 Uhr.

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