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Plazabase: Besser als Google

Mit 52 Jahren hat Jörg Jonas-Kops ein Unternehmen gegründet, weil er überzeugt war, dass Googles Datenbrille die Welt verändert. Die Brille und seine erste Anwendung waren ein Flop. Doch jetzt sorgt er mit dem Start-Up PlazaBase in Wiehl dafür, dass der Begriff „Industrie 4.0" mit Leben gefüllt wird.

Der Moment der Wahrheit kam für Jörg Jonas-Kops 2013. Der Mann aus Gummersbach hatte als IT-Spezialist lange bei großen Beratern gearbeitet und war in der Schweiz unter Vertrag. Da stellte Google der Welt eine schlichte Frage: „Was würdest Du machen, wenn Du Glass hättest?" Wer eine kreative Antwort lieferte, durfte die revolutionäre Computerbrille für 1.500 Dollar kaufen. Jonas-Kops Antwort auf #ifihadglass: „Virtuelle Wohnungsbesichtigungen für Makler."

Er bekam seine Brille. Aber die Anwendung floppte. Und auch Google Glass erwies sich als Fehlschlag. Für den leicht ergrauten Start-Up-Unternehmer war es dennoch die Initialzündung.

Jonas-Kops hatte zunächst die Makler-Anwendung programmiert. Mit Google Glass auf der Nase konnten sie Luxuswohnungen weltweit interaktiv präsentieren. Denn Glass ist ein Smartphone im Brillengestell, die Sprachsteuerung hält die Hände frei. Doch die Geschäftsidee trug nicht: Bei teuren Immobilien wollen sich Käufer ein unmittelbares Bild machen.

Aber so hat Jonas-Kops alles gelernt, was man über die Schwächen von Glass wissen muss. Und das Potenzial erkannt. „Glass musste bei Privatanwendern scheitern - wer will sich schon dem Gefühl aussetzen, ständig gefilmt zu werden", erläutert der heute 54-Jährige: „Aber in Unternehmen gibt es gigantische Einsatzbereiche."

Also kündigte der Diplom-Ökonom seinen Job, gründete die Kops & Konsorten UG mit der Marke PlazaBase und legte am Küchentisch in Wiehl los. Zunächst koppelte er die Brille vom Google Universum ab und entfernte alle überflüssigen Funktionen. Dann programmierte er ein autarkes Betriebssystem, machte Glass mit einem intelligenten Powerpack industrietauglich und fand mit MAN gleich den ersten potenten Kunden.

MAN wollte mit Glass zwei Probleme lösen: Lagerhaltung und Kundendienst sollten digitalisiert und damit effektiver werden. Daraus entstanden die ersten zwei Anwendungen.

Im Hochregallager von MAN gaben die Arbeiter ihre Handscanner ab und bekamen Google-Brillen, die in das System „Pick by Glass" eingebunden sind. Vor ihren Augen erscheint nun die Liste der Aufträge mit allen Infos. Über Sprachbefehle („Ok, Glass. Next Glass.") werden die Punkte abgearbeitet, über die Kamera jedes Teil gescannt und im SAP-System erfasst, Fehler sofort erkannt.

Im Außendienst kann der Techniker auf einer Ölplattform einen Experten in der MAN-Zentrale über die Brille live zuschalten, auf die Datenbanken zugreifen und alle Arbeitsschritte dokumentieren.

„Durch Glass wird die Arbeit effektiver, aber auch viel angenehmer", erläutert Jonas-Kops. Akzeptanzprobleme gebe es im industriellen Bereich nicht, bei MAN sei jeder Schritt mit dem Betriebsrat besprochen.

Ausgehend von diesen Basisanwendungen gibt es ein unbegrenztes Feld an Einsatzmöglichkeiten, PlazaBase konzentriert sich auf Industrie, Sicherheit und Gesundheit. Diese Sparten seien besonders sensibel und schwierig, aber mit Hilfe von Branchenpartnern unendlich skalierbar. Bislang, so Jonas-Kops, setzen in Deutschland erst 30 Unternehmen die Brille ein. Werde der Mittelstand erschlossen, dann sei das aber ein „Monstermarkt".

Vieles ist noch Zukunftsmusik, aber PlazaBase hat bereits einige Modelle umgesetzt. Dabei geht es im Kern immer darum, Mitarbeiter gezielt zu unterstützen und durch einen Prozess zu führen, sie schnell anzulernen und auch zu kontrollieren.

In einer Heidelberger Galvanisierungsfirma wird der Produktionsprozess über die App „Make by Glass" gesteuert. In Dubai ist die Polizei mit dem System aus Wiehl ausgestattet. Dort gleicht die Brille Gesichter, Fahrzeugkennzeichen und Halterdaten miteinander ab. Die Schweizer Bundesbahn kontrolliert bald mit der Brille, ob die Lastwagen auf der „rollenden Landstraße" durch den Gotthard passen.

Auch für Krankenhäuser gibt es ein Programm: „Bislang hat ein Arzt einen Tag lang Wunden begutachtet, die Dokumentation dauert dann einen halben Tag. Das macht er jetzt digital in einem Schritt und hat die Hände für seine Untersuchungen frei", sagt der Geschäftsführer.

Damit die Brille ihr Potenzial in Unternehmen ausspielen kann, hat das sechsköpfige PlazaBase-Team einen Baukasten entwickelt, der sich in jedes gängige System integrieren lässt, von SAP bis hin zum Krankenhaus-Infosystem. Der Kunde bekommt Brillen, passende Apps und vor allem eine Plattform, die die Geräte steuert, administriert und alle Daten zusammenführt. „Das ist eine echte Internet-of-Things-Plattform", sagt Jonas-Kops. Weil sie Menschen und Maschinen in die Informationsabläufe von Produktion, Qualitätssicherung und Service einbindet.

Das gesamte System läuft auf eigenen Servern in Deutschland. Mit Google hat es bis auf die adaptierte Brillen-Hardware nichts mehr zu tun. Und selbst die bezieht das Unternehmen inzwischen in leistungsstärkeren Varianten von anderen Herstellern.

Bislang ist das Unternehmen eigenkapitalfinanziert, jetzt steht eine Finanzierungsrunde an. Zudem zieht PlazaBase in den Mediapark nach Köln. Große Erwartungen setzt Jonas-Kops in die Gesundheitsregion Köln/Bonn, in deren Rahmen er u.a. mit dem renommierten Kölner Gesundheitsökonomen Wolfgang Goetzke kooperiert. In der Digital City von Potsdam entsteht ein zweites Standbein.

Jonas-Kops hat viele Visionen; seine persönliche sieht so aus: „Wenn ich mal auf Pflege angewiesen bin und es hier im Bergischen kaum noch einen Arzt gibt, dann freue ich mich über den Pfleger, der über Datenbrille oder Kontaktlinse einen Mediziner zuschaltet, der Zugriff auf meine Akte hat, mich begutachtet und womöglich eine Krankenhauseinweisung erspart." Für den agilen PlazaBase-Chef liegt dieses Szenario hoffentlich in weiter Ferne. Technisch möglich ist es mit „Care by Glass" schon jetzt.

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