1 abonnement et 1 abonné(e)
Article

CeBIT - Früher war alles besser

Von Georg Elser am 13. März 2015 um 17:42 Uhr


Die CeBIT. Eigentlich eine Legende, eine Institution, ein fester Termin im Kalender jedes IT-affinen Bundesbürgers. Einmal im Jahr den Weg zum Messegelände in Laatzen/Hannover antreten? Pflicht! So war es jedenfalls lange Zeit. Ganze Generationen haben die CeBIT miterlebt, Väter stolz ihre Söhne mitgenommen, Pärchen und ganze Familien liefen über das riesige Areal. Die CeBIT war ein lebhafter Mix aus Eventbühne und Fachmesse. Produktneuheiten, Livemusik, Showeinlagen mit Stars und Sternchen oder einfach nur Werbegeschenke abstauben - irgendwie war für jeden immer etwas dabei. 

Die Messe war bunt, laut und hatte in leichten Zügen Ähnlichkeit mit einer Kirmes. Es gab Gewinnspiele, Verlosungen oder einfach nur Kamelle für die johlende Masse. Sinnbildlich für diese Zeit wurde das Bild des mit zahlreichen Tüten und Rucksack bepackten Besuchers, der jeden Stand abklapperte, um einfach nur irgendetwas abzugreifen („Gibt es bei Ihnen ‘was umsonst?“). Ein einfühlsamer Kollege bezeichnete diese Gäste einmal als „Beutelratten“.

Und was hat die CeBIT alles erlebt: 1986 als eigenständige Messe eröffnet, wurde sie gleich im ersten Jahr vom Tod des Computerpioniers Heinz Nixdorf überschattet. Der starb am 17. März 1986 ausgerechnet auf dem Messegelände an einem Herzinfarkt. Nach dem Schock im ersten Jahr ging es in den Folgejahren jedoch immer weiter bergauf, die Messe erfreute sich von Jahr zu Jahr zunehmender Beliebtheit.

Commodore und die Fans

Das lag nicht zuletzt auch am Erfolg der Heimcomputer von Commodore, die mit dem C64 und Amiga 500 Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger Jahre ihre Blütezeit erlebten. Der PC hatte seinen Siegesmarsch noch nicht angetreten, so wurde der Stand von Commodore regelmäßig zum Mekka einer treuen Fangemeinde. Die Begeisterung rund um die Marke Commodore und die Messe war sogar so groß, dass die Szene der Computerfreaks eigene Demos für die Messe programmierte und – sogar gemeinsam mit Commodore als Veranstalter - zu Parties einlud (siehe Fotogalerie unten).

Wer heute über die CeBIT flaniert und damals nicht dabei war, wird kaum glauben, dass sich die folgenden Szenen auf ein- und derselben Messe abspielten: Man stelle sich Hunderte von Jugendlichen vor, die, mit einem Dosenpils in der linken und Edding in der rechten Hand bewaffnet, am Wochenende zum Commodore-Stand pilgerten, einfach um dort eine große Party zu veranstalten.

Zu den Ritualen gehörte das Verewigen des eigenen Szene-Pseudonyms bzw. Gruppennamens („Eazy-E / PiRATES was here!“) auf den umliegenden Wänden (umgangssprachlich nur „The Wall“ genannt) ebenso dazu wie die legendären „Sticker-Competitions“. Das Ziel: Einen Aufkleber der eigenen Gruppe so hoch wie möglich am Messestand von Commodore anzubringen, damit er über allen anderen thronte. Selbstredend, dass dabei auch das eine oder andere Bier eines Konkurrenten durch die Luft flog, um die Aktion zu vereiteln. Unvergesslich, wie mehrere angetrunkene Wahnsinnige sich auf die Schultern des anderen stellten, nur um einen Aufkleber knapp unterhalb der Decke an die Wand zu klatschen, um dann unter großem Gejohle als Pyramide einzustürzen.

Neuheiten

Der Erfolg der Messe lag nicht zuletzt aber auch an echten Highlights und exklusiven Produktneuheiten. Anders als heute, wo Firmen wie Apple und Samsung zu eigenen Veranstaltungen einladen, wurden damals tatsächlich noch Neuheiten auf der Messe präsentiert. Bill Gates höchstpersönlich führte einem staunenden Publikum damals das neue Windows 95 vor.

2002 kamen aufgrund der Terroranschläge vom 11. September deutlich weniger Gäste, dieser Trend sollte sich bald verfestigen. Dennoch gab es Höhepunkte wie den Besuch des brasilianischen Weltfußballers Ronaldo im Jahr 2005. Der wurde als Stargast auf dem Stand von Siemens präsentiert und gab eine Autogrammstunde. Der Andrang war so groß, dass den Sicherheitskräften die Schweißperlen auf der Stirn standen und der Siemens-Stand wegen Überfüllung abgesperrt werden musste. Am nächsten Tag machte die Hannoversche Allgemeine auf der Titelseite mit einem großflächigen Foto eines überglücklichen Messebesuchers auf, der stolz neben Ronaldo posierte und ein signiertes Trikot ergattern konnte. Auch Stars aus dem Show- und Musikgeschäft gehörten immer zum Rahmenprogramm. Die Musikshow The Dome wurde auf der CeBIT aufgezeichnet, die Fantastischen Vier gaben ein Konzert und präsentierten ihren Hit „Troy“.

Und die Messe war nicht nur für Besucher ein Vergnügen. Wer in den Neunziger- und Nullerjahren selbst einmal auf der CeBIT gearbeitet und nach Feierabend eine der berühmt-berüchtigten Messeparties besucht hat wird sich daran sicherlich noch erinnern. Bei Cocktails, Bier und (Live-) Musik mischte sich eine bunte Melange aus Anzugträgern, Entscheidern, Messehostessen und geladenen Gästen, um bis weit über Mitternacht Geschäft und Vergnügen miteinander zu verknüpfen. Wie bei jeder guten Firmenparty landete dabei nicht jeder auch immer im eigenen (Hotel-) Bett, auch das gehörte einfach zur Messe mit dazu.

CeBIT heute

Von all diesen Dingen ist auf der CeBIT gefühlt so gut wie gar nichts mehr übrig gebleiben. Wer in den letzten Jahren der Messe als Privatmensch einen Besuch abgestattet hat, der wird sich unter Umständen wie ein Brasilianer am Südpol gefühlt haben. Alles dreht sich ums Geschäft, wohin man nur schaut: Immer die gleiche Kombination aus Anzug und Krawatte, einem monotonen Gesichtsausdruck, der sich mit aufgesetzter Freude abwechselt, dazu hochwichtiges Smartphone-Getue. Keine Musik, keine Show, und von Werbegeschenken erst recht keine Spur. Im Grunde ist das auch gewollt, schließlich hat die Messe sich strategisch konsequent auf Fachbesucher und Entscheider ausgerichtet.

Dennoch blutet einem altgedienten Besucher das Herz, wenn man sich daran erinnert, wie die Messe früher war. Im Jahr 2001 erzielte die CeBIT mit 830.000 Besuchern einen absoluten Besucherrekord. Im letzten Jahr waren es mit 210.000 Besuchern dagegen so wenig wie nie zuvor. Der Name ist noch der gleiche, aber er ist leider nur noch eine leere Hülle. Außen groß, innen blutleer. Vom Leben und den Emotionen, welche die CeBIT über Jahrzehnte wecken konnte, spürt man nichts mehr.

Was bleibt, sind die Erinnerungen. Zu ihnen passen die Textzeilen der Fantastischen Vier aus dem bereits erwähnten Song „Troy“: „Du hattest gute Zeiten, wir waren mit dabei, wir werden dich begleiten, wir bleiben troy“.

Rétablir l'original