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Interview

Santtu Matias Rouvali im Gespräch - Radiointerview

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EIN DIRIGENT IST AUCH PSYCHOLOGE
08.01.2019 von Friederike Wipfler

Mit gerade einmal 32 Jahren hat Santtu-Matias Rouvali schon eine beachtliche Karriere hinter sich: Derzeit ist der charismatische Finne Chefdirigent in Tamere und Göteborg. Nun kommt er erstmals nach Bayern und gibt am 9. Januar sein Debüt bei den Münchner Philharmonikern.

Santtu-Matias Rouvali | Bildquelle: Kaapo Kamu
Bildquelle: Kaapo Kamu

BR-KLASSIK: Man sagt häufig über Finnen, dass sie wortkarg und zurückhaltend sind. Wie viel von diesem Klischee steckt in Ihnen?

Santtu-Matias Rouvali: Das kann schon sein. Aber wenn sie beispielsweise Alkohol trinken oder einfach eine gute Zeit haben, öffnen sie sich - und reden mehr, als man vielleicht annehmen würde.

BR-KLASSIK: Ist das der Grund, warum Sie jetzt ein Bier trinken?

Santtu-Matias Rouvali: Nein ... Es ist nur so, dass ich Bayern liebe. Ich war zwar vorher noch nie hier, aber das Bier ist gut und das Leben scheint doch sehr entspannt.

VOM SCHLAGZEUG ANS DIRIGENTENPULT

BR-KLASSIK: Sie haben Ihre musikalische Karriere als Schlagzeuger begonnen. Wie kommt man vom Schlagzeuger zum Dirigieren?

Santtu-Matias Rouvali: Als ich vier oder fünf Jahre alt war, haben mich meine Eltern, die auch Musiker sind, mit in die Orchesterprobe genommen. So konnten sie sich das Geld für einen Babysitter sparen. Und als kleiner Junge ist man natürlich am meisten fasziniert von den Dingen, die visuell am interessantesten erscheinen. Naja, und das sind eben Schlagzeuger und Dirigenten.

Hoch im Norden ist es leichter, Stücke auf seine eigene Art zu interpretieren.
Santtu-Matias Rouvali
BR-KLASSIK: Sie sind Chefdirigent in Tampere und in Göteborg. Hier in München dirigieren Sie nun die Philharmoniker. Worin unterscheidet sich ein nordisches von einem deutschen Orchester?

Santtu-Matias Rouvali: Um ehrlich zu sein - da gibt es gar nicht so viele Unterschiede. In Skandinavien sind die Orchester allerdings nicht so alt, die Klangkultur ist dort nicht so traditionsreich wie in Zentraleuropa. Das ist der Grund, warum Musiker in Zentraleuropa eine ganz eigene Spielweise haben. Hoch im Norden, in Skandinavien, ist es leichter, Stücke auf seine eigene Art zu interpretieren.

BR-KLASSIK: Und was macht Ihre Interpretation aus?

Santtu-Matias Rouvali: Ich habe einen starken Willen. Wenn ich etwas erreichen will, dann mit aller Kraft, und ich muss versuchen, die Musiker dazu zu bringen. 70 Prozent unserer Arbeit ist die eines Psychologen, um andere Menschen für die eigene Sache zu gewinnen.

BR-KLASSIK: Zum Programm, das Sie hier in München aufführen: Sie haben das Stück "En Saga" von Sibelius mitgebracht. Welche Bedeutung hat Sibelius für Sie?

Santtu-Matias Rouvali: Ich möchte immer ein Stück aus meinem Heimatland mitbringen. Sowas wie eine finnische Identität oder auch Mentalität. Quasi eine Botschaft aus Skandinavien. In der Musik von Sibelius ist alles drin: Sie erzählt von der Politik, von der Natur, von den Menschen und davon, wie verzweifelt wir einmal waren. Heutzutage ist das anders, 2018 wurden wir von der UN schließlich zum glücklichsten Volk der Welt erklärt.

LACHEN ÜBER SIBELIUS

BR-KLASSIK: Hört man denn jetzt einen Unterschied, wenn ein deutsches Orchester im Vergleich zu einem nordischen Sibelius spielt?

Santtu-Matias Rouvali: Ja, absolut! Und zwar, wenn sie nicht wissen, was Sibelius mit dieser Musik ausdrücken wollte. Wenn die Musik total verrückt wird und überhaupt keinen Sinn ergibt, kommt es oft dazu, dass die Musiker anfangen zu lachen. Aber genau das ist das wichtigste, was man über Sibelius wissen muss. Wenn es nämlich chaotisch wird, dann steht das für die politische Situation. Es gab damals eine Bedrohung durch Russland, die wir jetzt übrigens wieder haben. Und an anderer Stelle beschreibt er die Natur. Ich lebe ganz in der Nähe des Ortes, wo Sibelius früher lebte. Es ist eine wunderschöne Waldgegend in Finnland, ein bisschen ab vom Schuss. Damals, als die Zentraleuropäer ihr Wiener Schnitzel gegessen haben, da haben die Finnen im Wald ein Feuer angemacht und Würstchen gegrillt. Das sagt etwas aus über die vermeintliche Einfachheit.

Es wäre schön, die Münchner Philharmoniker mal nach Finnland zu holen und zusammen in die Sauna zu gehen.
Santtu-Matias Rouvali
BR-KLASSIK: Und wie schaffen Sie es, dass die Musiker hier das verstehen?

Santtu-Matias Rouvali: Man muss es schon erklären. Natürlich wollen die Musiker das nicht immer unbedingt hören. Aber wenn es notwendig ist, nehme ich mir die Zeit und erzähle ihnen, was hinter dieser seltsamen Musik steckt. Trotzdem wäre es schön, die Münchner Philharmoniker mal nach Finnland zu holen und zusammen in die Sauna zu gehen, im eiskalten Wasser zu schwimmen, Würstchen zu grillen und Wodka zu trinken. Und dann, nach einer Woche, Sibelius nochmal zu spielen. (lacht laut)

BR-KLASSIK: Wenn Sie nicht gerade in der Weltgeschichte unterwegs sind, wo findet man Sie dann und was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Santtu-Matias Rouvali: Bei mir zu Hause auf dem Land. Ich gehe gerne jagen und manchmal auch fischen - und danach ich in die Sauna. Und dann schlafen.

BR-KLASSIK: Und was machen Sie nach einem erfolgreichen Konzert?

Santtu-Matias Rouvali: Ich rauche immer noch, ich muss damit aufhören. Aber in der Raucherecke treffe ich immer Leute, die mir eine Kneipe empfehlen. Und dann gehen wir dort hin. Und danach gibt‘s etwas Essen - ich liebe Fastfood. Kebab und Hotdogs. Irgendwie finde ich immer eine Currywurstbude.

INFOS ZUM KONZERT IN MÜNCHEN

Freitag, 11. Januar 2019, 20 Uhr
München, Philharmonie im Gastei

Jean Sibelius:
"En Saga" op. 9
Edward Elgar:
Konzert für Violoncello und Orchester e-Moll op. 85
Sergej Prokofjew:
Symphonie Nr. 5 B-Dur op. 100

Harriet Krijgh (Violoncello)
Münchner Philharmoniker
Leitung: Santtu-Matias Rouvali

BR-KLASSIK überträgt den Mitschnitt am 19. Januar 2019

Infos zu Tickets und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage der Münchner Philharmoniker.

Sendung: "Leporello" am 9. Januar 2019 um 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK.