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Kultur im Allgäu: Schätz(l)e statt Spätzle

Gandalf, Momo, Kronjuwelen: Warum in die Ferne schweifen? Wenn das Gute liegt so nah. In Allgäus Städten lässt sich manch kultureller Schatz heben. Ausstellungen und Museen zeigen die Werke bedeutender heimischer Künstler, Literaten und Maler – vom Mittelalter bis heute.

Von Franziska Horn

Er zählt zu den schillerndsten Persönlichkeiten des Mittelalters und prägte den Süden von Deutschland: Der Stauferkaiser Friedrich von Hohenstaufen, genannt Friedrich II., verlieh der Stadt Wangen um das Jahr 1217 die Stadtrechte. Schon damals nannte man den sagenhaften Kreuzzügler „das Staunen der Welt“. Heute staunt die Welt noch immer – über seine Kaiserkrone, die zum Kronschatz des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gehört. Eine Nachbildung ist auf der Waldburg in Wangen zu besichtigen. 800 Jahre ist dieser Kronschatz nun alt. Doch bis heute gilt: Diamonds are a king‘s best friend! (www.schlosswaldburg.de/museum/).

Machen wir einen Zeitsprung und einen Satz nach Kaufbeuren: Wussten Sie, wie viele gro-ße Schriftsteller und Literaten hier geboren wurden? Beginnen wir mit der ersten Berufs- Schriftstellerin Deutschlands: Sophie von La Roche kam 1730 hier zur Welt. Auch Heimat- romantiker Ludwig Ganghofer wurde 1855 in Kaufbeuren geboren, verbrachte jedoch nur die ersten fünf Jahre seines Lebens im Allgäu. Noch ein großer Name: Auch Hans Magnus Enzensberger erblickte hier das Licht der Welt, 1929 war das. Die Literaturwelt feiert den heute 90-Jährigen für seine Gedichte, Essays und Prosa. Allen drei Künstlern widmet das Stadtmuseum Kaufbeuren eine gesamte Etage und zeigt beispielsweise rund 400 Objekte aus Ganghofers Besitz. Die Stadt Kempten überrascht dagegen mit einem Superlativ: Das hiesige Alpinmuseum beherbergt die größte alpingeschichtliche Ausstellung Europas. Daneben weckt das Kempten-Museum im Zumsteinhaus mit seinen Original-Objekten Lust auf 2000 Jahre Stadtgeschichte (https://kempten-museum.de).

Noch ein Aha-Moment? In der Nachkriegszeit bot die Gruppe 47 Schriftstellern eine Plattform, sie kam erstmals 1947 am Bannwaldsee bei Füssen zusammen. 1958 las der Autor Günter Grass in Großholzleute bei Isny aus seinem damals noch unveröffentlichten, heute millionenfach verlegten Werk „Die Blechtrommel“ vor, oder besser: zwei Kapitel seines fast vollendeten, 700 Seiten starken Romans. Der ebenfalls anwesende Marcel Reich-Ranichki lobte den Autor als „vorzüglich und originell“. Grass erhielt prompt den sporadisch vergebenen Preis der Gruppe 47.

Und nun Hand auf‘s Herz: Haben Sie schon mal von Friedrich Hechelmann gehört? Nein? Der Maler und Illustrator ist ein berühmter Sohn des Orts Isny. 1948 geboren, hat Hechelmann viele bekannte Werke illustriert, Balladen, Märchen, sogar die Bibel. Sein bekanntestes Werk ist wohl „Momo“ von Michael Ende. Einige seiner visionären Bilderwelten zeigt die Kunsthalle im Schloss Isny (https://kunsthalle-schloss-isny.de/). Memmingen wird 2020 kulturell hochinteressant. Nicht nur, weil die Stadt frei nach dem Motto „Kunst für alle“ keinen Eintritt für ihre Museen verlangt. Auch, weil besonders hochkarätige Künstler aus den eigenen Reihen stammen: Bernhard Strigel, geboren 1461 in Memmingen, prägte am Übergang von der Spätgotik zur Renaissance die sogenannte Memminger Schule und war Hofporträtist von Kaiser Maximilian I. Das gleichnamige Strigel-Museum beleuchtet heute das Werk der spätmittelalterlichen Künstlerfamilie Strigel (www.memmingen.de/strigel-museum.html). Gut 400 Jahre später sorgt ein weiterer Sohn der Stadt für Furore: Der heimische Dichter, Maler und Illustrator Josef Madlener (geb. 1881 in Amendingen/ Memmingen, gest. 1967 in Memmingen) malte impressionistische Landschaften oder bildete Volkstümliches wie die schwäbische Weihnacht ab, gerne auch gegenständliche Sujets wie das Schaf. 1935 brachte Madlener eine Kunstkartenserie im Postkartenfomat im Münchner Verlag F.A. Ackermann heraus. Die Postkarten wiederum inspirierten den Mythenforscher J. R. R. Tolkien, besonders die Figur „Der Berggeist“ hatte es ihm angetan – sie diente als Vorlage für Zauberer Gandalf aus „Herr der Ringe“. Der legendäre Gandalf mit seinen buschigen Augenbrauen und dem langen weißen Bart ist also ein Allgäuer, wenn man so will. Madlener selbst, das zeigen Porträts, sah übrigens Gandalf gar nicht unähnlich. Tolkien be- glaubigte den Ursprung der Vorlage später persönlich und schriftlich. Josef Madleners Werke und Nachlass sind fester Bestandteil der Mewo Kunsthalle. In ihrem Depot befinden sich rund 800 Gemälde und gut 2000 grafische Arbeiten (www.mewo-kunsthalle.de)

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