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Wandern wirkt: Zurück zu den Wurzeln

Gesundheitliche Aspekte des Wanderns: Wandern wirkt – auf Körper, Geist und Seele. Das wissen wir Menschen seit langem. Draußen sein, in Bewegung sein, das gehört zu unserer DNA. Die Natur ist jener Ort, von dem wir stammen. Und an den wir zurückkehren, um uns wohl zu fühlen. Am besten zu Fuß. In den letzten Jahrzehnten wurde dieses Wissen wissenschaftlich untermauert. Hier einige Meilensteine der Forschung.   


Bereits in der Antike wurde Gesundheit als ein Zustand des äußeren und inneren Gleichgewichts angesehen, der durch eine bestimmte Lebensführung zu beeinflussen und auszubalancieren ist. Das Wissen um das Zusammenspiel von Körper und Geist fand im viel zitierten (und oft missbrauchten) Leitsatz „Mens sana in corpore sano“ seinen Ausdruck. Zu Körper und Geist kommt als drittes Element die Seele hinzu – der Bereich jenseits des Verstandes. Dabei sind die Emotionen, anders als physiologische Parameter, das am wenigsten erfassbare Element. Damit haben wir also drei Wirkungsfelder, auf die wir einen Blick werfen. Zur Emotion: Alexander von Humboldt schrieb 1845 in seinem großen Werk „Kosmos“: „Um die Natur in ihrer ganzen erhabenen Größe zu schildern, darf man nicht bei den äußeren Erscheinungen allein verweilen; die Natur muß auch dargestellt werden, wie sie sich im Innern der Menschen abspiegelt, wie sie durch diesen Reflex bald das

Nebelland physischer Mythen mit anmutigen Gestalten füllt, bald den edlen Keim darstellender Kunstthätigkiet entfaltet." Etwas moderner drückt das beispielsweise der Biologe Dr. Nobert Jung aus Berlin aus. In seinem Vortrag von 2014 „Der Dialog mit der Natur“ an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HHNE)) sagte er: „Natur ,spiegelt‘‘ sich quasi automatisch im Innern des Menschen ab, erzeugt eine Resonanz, ist korresponsiv, erzeugt also eine psychische Veränderung und ist damit ,kein bloßes Produkt unserer Stimmungen‘‘, sondern ruft sie hervor.“ Jung beschreibt Humboldts Erkenntnis als „etwas Unangenehmes für manchen Naturwissenschaftler: Die von außen beschreibende, messende und interpretierende Naturwissenschaft kann nicht die ganze Wirklichkeit erkennen (...) und ist also nur die Hälfte der Wahrheit.“

Biophilie: Die Liebe zum Leben

In Folge zitiert Jung seinen berühmten Namensvetter, den Psychoanalytiker Carl Gustav Jung: „Der Untergrund der Seele ist Natur, und Natur ist schöpferisches Leben ... die Produkte des Unbewussten sind reine Natur.“ Norbert Jung erläutert: „Als evolutionäre Schöpfung tragen wir eine unbewusste, tiefe Affinität zur Natur in uns, das hat als Erster der Tiefenpsychologe Erich Fromm 1973 aus seiner therapeutischen Erfahrung heraus mit dem Begriff  ,Biophilie‘‘ belegt. Wie zuvor Fromm argumentierte später der Evolutionsbiologe Wilson 1984 in seinem Werk ,Biophilia‘‘: Weil wir, aus der Natur kommend über Jahrmillionen hinweg mit unserem Erkennen, Fühlen und Verhalten an bestimmte Lebensräume angepaßt waren und sind, haben wir ein biologisches Gedächtnis über die Natur in uns.“ Norbert Jung sagt: „Neuere pflanzenphysiologische Untersuchungen zeigen, wie gerade auch Pfanzen und ganze Wälder genauso intensiv kommunizieren wie Tiere.. Es wird sogar geschlussfolgert, dass unser Immunsystem Botschaften der Bäume unbewusst ,versteht‘‘, in dem es auf deren Abwehrsignale hin mit Aktivierung reagiert.“ Sein Fazit: „Wald ist daher gesund“.Das bedeutet: Wir Menschen des heutigen digitalen Zeitalters, in der Blüte der Informationsgesellschaft, sind kopfastig bis extrem verkopft – aber immer noch ein Stück Natur. Es gilt, hieran anzuknüpfen. Vielleicht mit sogenannten Trends wie „Waldbaden““, die auf eben jenem alten, intuitiv-bewussten Wissen beruhen.. Wissenschaftlich erforscht und belegt ist der „Greenness-Faktor“ :Grünfächen in Städten führen nicht nur zu positiven Klimaeffekten, sondern beeinflussen auch das physiologische und psychologische Wohlbefinden der dort lebenden Menschen. Die Natur wirkt – weil Grün auf allen Ebenen wirkt. Der Natursoziologe und Wanderforscher Rainer Brämer brachte 2007 in dem von ihm begründeten Deutschen Wanderinstitut e. V. eine vielbeachtete „Gesundheitsstudie Wandern“ heraus. Dort verweist er unter anderem auf ein in Verbindung mit Joggen durchgeführtes Experiment, über das die Zeitschrift „Psychologie Today“ 1995 berichtete: Im Rahmen eines Vergleichstest ging eine Gruppe von Läufern ihrem Hobby in freier Natur nach, während zwei weitere Gruppen dieselbe Strecke auf dem Laufband absolvierten – die eine mit und die andere ohne eingespieltes Vogelgezwitscher.. Am Ende zeigten alle drei Gruppen dieselben Kreislaufreaktionen. Doch die Naturläufer fühlten sich "fitter, gestärkter, erfrischter und zufriedener““ als vor dem Lauf, die reinen Laufbandläufer dagegen müder und erschöpfter, während die vogelbeschallten Läufer keine Änderungen ihrer Stimmung zu Protokoll gaben.

Grün wirkt also. Ebenso wie Höhe, Licht, Wärme, Luft, Landschaft, Berge, Seen und Wasser – die Natur ist ein „Psychotop““, sagt Norbert Jung. Sie ist ein Wohlfühlraum, ein Seelenort. Der seit Menschengedenken Widerhall in Kunst, Malerei, Literatur und Musik findet. Die Natur, ein Resonanzraum (...) 

Autor: Franziska Horn

Erschienen in: Alpenvereinsjahrbuch BERG 2021, Tyrolia Verlag, Innsbruck. 



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