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Warum diese Deutschen für den Brexit sind

Die Deutschen sind gegen den Brexit - könnte man meinen. In Großbritannien gibt es aber einige prominente Einwanderer aus dem Rheinland und Bayern, die besonders lautstark für den Austritt aus der EU werben. Ihre Motive erscheinen mitunter paradox.

Gisela Stuart geht es ums Prinzip: "Wir müssen die Parteizugehörigkeit beiseite lassen, um den Brexit zu vollenden", sagt die ehemalige Parlamentsabgeordnete und Vorsitzende der Pro-Brexit-Kampagne bei einem Wahlkampfauftritt mit dem britischen Premierminister Boris Johnson. Deshalb solle jeder, der "die Kontrolle über das Land zurückgewinnen" möchte, am 12. Dezember für die Konservativen stimmen.

Die Aussagen Stuarts sind aus zwei Gründen paradox: Erstens, weil sie 20 Jahre lang für die Labour-Partei im Parlament saß und nun zur Stimmabgabe für die verfeindeten Tories aufruft. Und zweitens, weil Stuart aus Deutschland stammt, als Nutznießerin der europäischen Freizügigkeit auf die Insel zog und nun an vorderster Front gegen die EU-Mitgliedschaft kämpft. Damit ist die gebürtige Bayerin jedoch nicht die einzige. Die deutschen Auswanderer Axel Thill und Gunnar Beck beispielsweise: Beide haben dank des Brexits erstaunliche politische Karrieren hingelegt.

Thill ist im normalen Leben Frühruheständler und begleitet Motorradtouren durch Europa. Er erlangte Bekanntheit, als die Brexit Party - die neue Partei des Brexit-Vorkämpfers Nigel Farage - ihn als Gegenkandidaten zum Außenminister Dominic Raab aufstellte. Er schloss sich der Partei an, "weil man sich dort relativ einfach und öffentlichkeitswirksam einbringen kann". Einzige Voraussetzung: "Man ist für den Brexit - oder gegen die Europäische Union. Am Ende ist es das Gleiche."

EU eine "Zwangsjacke"

Thill bezeichnet sich selbst als "Kind Europas": in Düsseldorf geboren, in Brüssel und Luxemburg als Sohn eines Angestellten der Europäischen Investitionsbank aufgewachsen und schließlich nach einer Station in Japan für die Dresdner Bank nach London gekommen. Er träumt vom Europa der Vergangenheit, mit Schlagbäumen und ohne Euro. "Früher stand ich an der Grenze, es waren Unterschiede fühlbar."

Seitdem habe die EU jedoch Schritt für Schritt neue Regeln eingeführt und damit die "Zwangsjacke" für die Mitgliedsländer immer enger gestrickt, die verschiedenen Kulturen "verwässert". EU stehe nicht nur für "Einfachen Urlaub", sondern führe langfristig in eine "politische Föderation ohne eigene Identität".

Für einige Wochen wurde Thill zum gefragten Gast in zahlreichen Interviews und Talkshows in Deutschland. "Ich konnte überall meine Sichtweise darstellen." So schnell wie sein Stern stieg, sank er aber auch wieder: Parteichef Farage hat seine Kandidaten aus den Wahlkreisen von konservativen Abgeordneten zurückgezogen, um das Brexit-Lager nicht zu spalten. Wenn der Brexit wirklich kommt, hat Thill zumindest nichts zu befürchten: Er ist seit dem Referendum britischer Staatsbürger.

Brexiteers feiern Beck

Gunnar Beck hat sein Engagement für den Brexit ins Europaparlament gebracht. Er sitzt dort für die AfD, und sagt, die EU wolle Großbritannien zu einem "Vasallenstaat" machen. Dafür wird er unter Brexiteers gefeiert, Videos seiner Reden wurden Tausende Male auf Facebook geteilt.

Beck kam Ende der 80er Jahre nach Großbritannien und ist Hochschullehrer für Europarecht an der School of Oriental and African Studies der Universität. Obwohl die EU sein Spezialgebiet ist, steht er ihr kritisch gegenüber. Den Vorrang von europäischem Recht vor nationalem Recht findet er problematisch, die gemeinsame Währung und wachsende Migration nennt er "Suizidprojekte". Deshalb hat er sich schon früh in die Brexit-Bewegung eingemischt, Online-Artikel geschrieben und Pro-Brexit-Abgeordnete im britischen Parlament beraten.

Mit seiner Haltung erzeugt Beck viel Gegenwind: Die meisten Kollegen an seiner Fakultät fordern seine Entlassung. Studenten drohten, ihn mit Gewalt aus dem Hörsaal zu zerren. "Ich wurde als Nazi verteufelt", erzählt er. Gegen ihn läuft auch noch ein Strafermittlungsverfahren in Deutschland, weil er im Wahlkampf zu Unrecht den Titel "Professor" verwendet haben soll - Beck bestreitet das.

Quelle: n-tv.de, Florian Müller, AFP

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