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Im "Mal Seh'n" wird Kinoleidenschaft gelebt

Seit 33 Jahren macht das „Mal seh'n Kino“ Frankfurter Filmfreunden Freude. Leicht hat es die Filmstätte nicht, aber die Liebe fürs Kino treibt die Macher an. Ein Besuch.

VON FELIX HORMEL

Frankfurt. Das Licht geht aus, es ist still im Saal. Im Vorführraum beginnt ein 35-Millimeter-Projektor lauthals zu rattern. Ein Lichtkegel öffnet sich und lässt feine Staubkörner zwischen Objektiv und jener Luke sichtbar werden, durch die sich jetzt Bewegtbilder auf die Leinwand gießen. Es beginnt. Im analogen Kino steckt ein unergründlich magisches Moment, Digitalisierung hin oder her.

„Das tut dem Projektor gut, wenn er ab und an mal läuft", sagt Gunter Deller. Der gebürtige Unterfranke arbeitet seit den Achtzigern als Filmvorführer, seit 1999 ist er Mitbetreiber im „Mal Seh'n Kino". Gemeinsam mit Ariane Hofmann ist er für die Programmplanung zuständig. Es ist jetzt dreiunddreißig Jahre her, dass das „Mal Seh'n" in den Räumen einer ehemaligen Turnhalle seine Pforten öffnete. „Wir versuchen, immer gut abzuwägen. Neben Dokumentarfilmen zeigen wir internationale Kunstfilme und Arthaus-Blockbuster", sagt Ariane Hofmann mit einem Blick auf die Uhr. Es ist Donnerstag, das heiß: Programmumstellung - mehr Stress als an anderen Tagen. „Spielfilme laufen generell besser. Hinter manchen der Filme steckt ein größerer Verleih. Diese Produktionen werden dann ordentlich beworben", so Hofmann. „Wir versuchen aber auch kleinere Filme so zu lancieren, dass sie Öffentlichkeit bekommen. Das ist mit Arbeit und Risiko verbunden."

In letzter Instanz steht und fällt das Gelingen eines Films mit dem Bemühen oder Bequemen der Kinogänger. „Wir machen Werbung, drucken Flyer, informieren auf unserer Website. Aber wir können den Film nicht zum Zuschauer nach Hause tragen“, sagt Gunter Deller und lacht.

Neben Hofmann und Deller gehören Beatrix und Martin Loew zu dem „Mal Seh’n“-Kollektiv. Sie kümmert sich um die Buchhaltung und die Gastronomie, er ist für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Das angeschlossene Café trägt den verheißungsvollen Namen „Filmriss“. In der behaglichen Gaststube wird dafür Sorge getragen, dass die Filmgespräche vor oder nach den Vorstellungen nicht zu trocken verlaufen.

Im Kinosaal finden 80 Leute Platz. Kein Schuhkarton, aber auch kein Multiplex.

Eine Wohlfühlatmosphäre, die rund 30 000 Besucher jährlich annehmen. Dabei ist die Zuschauerzahl nicht bloße Zierde. „Wir sind Mitglied bei Europa Cinemas, einem Netzwerk, das Kinos bezuschusst“, sagt Ariane Hofmann. „Man muss aber mindestens 30 000 Zuschauer pro Jahr verzeichnen. Sonst gibt’s keine Förderung.“ Das schafft das „Mal Seh’n“ – manchmal aber nur knapp.

Daneben sichert außerdem der hessische Kino-Preis den Fortbestand des Kinos. „Wir müssen jährlich einen Antrag stellen und zu diesem Zweck unser Programm genau dokumentieren“, so Hofmann. Abgelehnt wird ein solcher Antrag nicht, aber die Höhe des Preisgeldes, in Hessen maximal 10 000 Euro, fällt jährlich anders aus. Diese verdeckte Förderung ist eine unerlässliche Finanzspritze. „Wir sind kein getragenes kommunales Kino. Wir betreiben ein Gewerbe und sind unterm Strich auf uns allein gestellt.“

Im Fall des „Mal Seh’n“-Teams überwiegt die Schwierigkeiten jedoch die Leidenschaft zum Film. „Das schönste am „Mal Seh’n“ ist, dass es so international und nah am Besucher ist. Hier wird Kino halt noch gelebt“, so Hofmann.

Der 35-Millimeter-Projektor in der Kabine über dem Kinosaal kommt nur noch selten zum Einsatz. An seiner Seite prangt heute ein sperriger Digital-Kasten, der allerdings weniger lärmt. Die Analog-Tage sind vorbei. Parallel zu dem ökonomischen Druck, der auf kleinen Kinos lastet, so diagnostiziert Gunter Deller, ist der Mut geschrumpft, ein ausgefallenes Programm zu machen. „Früher gab es weniger neue Filme, dafür mehr Neugier.“ Im Zuge der Digitalisierung wird der Markt laufend mit Neuerscheinungen geflutet. Einen Kassenflopp kann man sich nicht leisten. Deshalb ist der Platz fürs Experimentelle enorm begrenzt. Im Nordend wird dieser Platz mit Enthusiasmus und Liebe verteidigt. Danke dafür!








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