Er krümmt den Rücken, zieht ein schmerzverzerrtes Gesicht und stochert eine imaginäre Hacke in den Boden. „So hat meine Oma im Garten geackert. Das ist das Einzige, was ich von der ursprünglichen Landwirtschaft noch wusste“, sagt Timur Muradov.
Mittagssonne sengt durch die milchigen Plastikwände ins Gewächshaus, es riecht nach Erde und kondensierter Hitze. Der 29-Jährige, ordentlich gescheitelte schwarze Haare, Dreitagebart, kniet sich vor eine lange Reihe junger Tomatenpflanzen und betastet den Plastikschlauch, der in ihrem Wurzelbereich verläuft. „Hier kommt die Mischung aus Wasser und Dünger raus, alles vollautomatisch – wenn nichts verstopft ist“, sagt Muradov. In seiner Stimme liegt der überzeugte Ton eines Verkäufers, aber auch Erschöpfung, denn das Licht ist gleißend und die Luft stickig und das Jeanshemd zu warm, mit dem er sich immer wieder Luft an den Körper fächert, aber nur, wenn niemand hinguckt.
Verkauft hat er diese Gewächshäuser schon vor einem Jahr an einen jungen Landwirt, den er heute im Dorf Cărpineni besucht, eineinhalb Stunden südwestlich von Chișinău. Sie stehen zwischen Plastikplanen, begutachten Tomaten und Chinakohl, albern herum, legen aber sofort seriöse Mienen auf, wenn es um Investitionskredite, Erntezeiten und Bewässerung geht. Für den Landwirt liegen die Vorteile der Gewächshäuser auf der Hand: „mehr Ertrag auf weniger Fläche“, „mehr Zeit für andere Arbeiten“ und „Unabhängigkeit vom Wetter“. Neben ihm steht Muradov in seinem städtischen Jeansoutfit, in einer Hand sein Smartphone, und nickt immerfort, als wolle er sagen „Sehen Sie?!“.
Dass Muradov vor zwei Jahren bei dem jungen Unternehmen EcoFarm einstieg, war Zufall. Einer von vielen Zufällen, die wie unregelmäßige Kerben seinen Lebenslauf zeichnen und jedes Mal eine neue Episode einleiten. Wenn er erzählt, beginnt jede dieser Episoden mit einem „dann“. Nach der Schule war er Student der Wirtschaft, dann Handyladenbesitzer, dann Leiter der Verkaufsabteilung von Moldcell, dem größten Mobilfunkanbieter im Land, dann gründete er eine Marketingagentur, drehte Imagefilme, dann handelte er mit Aktien, lebte auf großem Fuß, hatte ein Apartment, ein Auto, dann verlor er den Boden unter den großen Füßen, als er gerade die Nacht durchfeierte und eine Email seines Brokers bekam: Bankrott. Muradov war am Boden, belastet mit Schulden und vielen „verrückten Gefühlen“ in der „schlimmsten Zeit“ seines Lebens. Er verkaufte sein Auto und zog zurück zu seinem Vater, mit 25.
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