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Mit Volldampf voraus

Funktionstüchtige und effiziente Dampfmaschine von James Watt. (Bild: ©Juulijs - stock.adobe.com)

Dampfmaschinen 250 Jahre ist es her, dass James Watt das Patent für eine Dampfmaschine erhielt, die nicht nur funktionierte, sondern so effizient war, dass sie für industrielle Zwecke eingesetzt werden konnte.

Halsbrecherisch ging es 1906 auf der Rennstrecke von Daytona Beach zu. Als erster Mensch erreichte der US-Amerikaner Fred Marriot in einem Stanley Rocket Racer eine Geschwindigkeit von über 200 km/h - und das mit einer Dampfmaschine. Über 100 Jahre lang wurde dieser Rekord gehalten, bis ein Brite kam und die Welt wieder gerade rückte. Es schien eine Frage der Ehre zu sein, diesen Geschwindigkeitsrekord nach Großbritannien zu holen. Schließlich hatte der Siegeszug der Dampftechnik im Königreich Großbritannien begonnen: Der Schotte James Watt hat die Dampfmaschine zwar nicht erfunden, aber er entwickelte eine auf den englischen Erfinder Thomas Newcomen zurückgehende, ineffiziente Dampfmaschine technisch so weiter, dass sie leistungsfähiger und rentabel wurde. Für diese Veränderung erhielt Watt im Januar 1769, also vor 250 Jahren, ein Patent. Es bereitete den Boden für die maschinelle Fließbandproduktion, die Industrialisierung Europas und die Entwicklung der Dampflokomotiven, Dampfautomobile, Lokomobile und Dampfschiffe weltweit.

Die ersten Dampfmaschinen hatten mit den Gefährten der Rennstrecken wenig gemein. Sie zischten, spuckten, rauchten, verbreiteten einen ohrenbetäubenden Lärm und explodierten auch gerne einmal, weil die Materialien dem großen Druck im Kessel in den Anfangsjahren nicht standhielten. Dennoch arbeiteten zeitgleich mehrere Erfinder an einer Verbesserung der Dampfmaschine. Mit Muskel-, Wind- und Wasserkraft waren die Herausforderungen vor allem im Bergbau nicht mehr zu bewältigen. Je tiefer man die Stollen in die Erde trieb, desto mehr Wasser musste heraufgepumpt werden. Mit einer funktionierenden „Feuermaschine" hoffte man, unabhängiger von Windmühlen und Wasserrädern zu werden und auch die Pferde ersetzen zu können, die bis zur Erschöpfung in 10-Stunden-Schichten zum Auspumpen der Stollen zum Einsatz kamen und häufig auch dort starben.

Vorläufer, Effizienzprobleme und Durchbruch

Schon in der Antike wurde mit Dampfkraft experimentiert. Der Heronsball, ein Vorläufer der Dampfmaschine aus dem ersten Jahrhundert nach Christus, demonstrierte die Expansionskraft von Wasser, wenn es in einem geschlossenen Kessel erhitzt wird. Im 16. und 17. Jahrhundert gab es neue Versuche, Dampfmaschinen zu konstruieren, nun mit dem dringenden Ziel, die entstehende Wärme in Kraft umzuwandeln, um damit Maschinen antreiben zu können. 1712 war es so weit: die erste funktionstüchtige Dampfmaschine von Newcomen kam in Bergwerken zum Einsatz. Heißer Wasserdampf wurde in einen Zylinder mit einem beweglichen Kolben geleitet. Dann wurde gekühlt, was einen Unterdruck im Zylinder erzeugte. Die schwerere Luft außerhalb drückte den Kolben innerhalb des Zylinders von oben nach unten und hob gleichzeitig über eine mechanisch verbundene Pumpe Wasser aus dem Stollen (Kolben-Wärme-Kraftmaschine). Durch das Eigengewicht der Pumpenstange wurde der Kolben im Zylinder in die Ausgangsposition hochgezogen, neuer Dampf erhitzte den Zylinder, der dann wieder abgekühlt wurde. Leider lag der Wirkungsgrad nur bei 0,5 %. Zu viel Energie ging durch die ständige Abkühlung des Zylinders verloren.

Dann kam James Watt. Der Autodidakt, der seine Mechanikerlehre abgebrochen hatte, war ein so überzeugender Mathematiker, Tüftler und geschickter Handwerker, dass die Universität von Glasgow ihn als Instrumentenmacher einstellte. Bei der Reparatur einer defekten newcomenschen Dampfmaschine stellte sich heraus, dass er selbst ordentlich Dampf unter der Haube hatte: Erfindergeist. Statt den Zylinder ständig aufzuheizen und abzukühlen, entwickelte er eine Technik, den Dampf über Ventile in ein externes Gefäß, den Kondensator, abzuleiten und den Zylinder in ein heißdampfgefülltes Gehäuse einzubetten. Die Energieersparnis war enorm. In weiteren Schritten erreichte er, dass beide Bewegungsrichtungen, also die Aufwärts- und auch die Abwärtsbewegung des Kolbens, zur Kraftübertragung genutzt werden konnten. Durch Einführung des wattschen Parallelogramms und die Nutzung eines Planetengetriebes konnten die Hubkraft gesteigert und die Längs- in eine Rotationsbewegung umgewandelt werden. Damit war die Dampfmaschine nicht nur effizienter, sondern auch universell nutzbar. Dies erweiterte Einsatzbereiche, beschleunigte Arbeitsprozesse und führte zur Ersparnis von Heizmaterial - was sich Watt und der ihn unterstützende Fabrikant Matthew Boulton versilbern ließen. Statt die Maschinen zu verkaufen, setzten sie auf Vermietung und langfristige Liefermonopole. Auf welche Ideen Watt noch gekommen wäre, hätte er das Rennen der Liverpool und Manchester Railway von Rainhill 1829 und den damit verbundenen Siegeszug der Dampflokomotiven erlebt? Leider starb er im Jahre 1819 im Alter von 83 Jahren, nach vielen Jahrzehnten akuten Geldmangels als reicher Mann.

Dampf wird Geschichte

Mit Einführung der ersten Verbrennungsmotoren bekam die Dampfmaschine Konkurrenz, hielt sich aber noch viele Jahrzehnte, da die Brennstoffe Holz und Kohle erschwinglicher waren. Doch der Viertaktmotor (1876 Patentierung des Ottomotors) setzte sich als Antriebskraft vor allem im Automobilbereich durch. Auch Elektromotoren ersetzten die Dampftechnik nach und nach, sie war aber noch lange erlebbar. Die letzte Dampflok der Deutschen Bundesbahn fuhr 1977 auf ein Abstellgleis in Nordrhein- Westfalen. Kurz darauf gab es ein Dampflokverbot, das 1985 wieder aufgehoben wurde, was Nostalgiefahrten ermöglichte. 1992, nach der Wende, wurde die Brockenbahn wieder in Betrieb genommen und bringt Dampfmaschinenliebhaber täglich auf den 1125 m hohen Berg im Harz, eine Zeitreise, die ahnen lässt, mit welchen Gefühlen Menschen des 18. Jahrhunderts auf die Dampfmaschinen reagiert haben mögen - mit einer Mischung aus Begeisterung, Ehrfurcht und Angst. Wem Mitfahren zu wenig ist, kann heute bei mehreren Anbietern einen Kurs als Dampflokomotivführer belegen und erhält nach bestandener Theorie und Praxis eine Urkunde. Dann heißt es wieder: Mit Volldampf voraus!

* Esther Niederhammer ist freie Journalistin in 34346 Hannoversch Münden

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