Paarberater Eric Hegmann erklärt, ob langes Werben doch irgendwann zum Erfolg führen kann und welches Selbstbild hinter diesem Verhalten steht.
BILD: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es nach einem Jahr (oder mehr) der Annäherungsversuche doch noch mit einer Beziehung klappt?
Eric Hegmann: „Tatsächlich gibt es viele Menschen, die nicht auf die Liebe auf den ersten Blick hoffen und warten, sondern eher darauf setzen, dass aus Sympathie langsam Freundschaft und schließlich Liebe wird. Bei Beziehungen, die am Arbeitsplatz beginnen, ist das nicht selten. Da genügt manchmal eine Situation oder gemeinsame Erfahrung, die den Kollegen in neuem Licht erscheinen lässt, um eine Verbundenheit herzustellen, die zum Auslöser der Beziehungsanbahnung wird. Aber es entscheidet sich meist in den ersten sechs Wochen nach dem Kennenlernen, ob mehr daraus wird oder nicht. Wenn nur einer verliebt ist, dann ist es schließlich auch eine Frage des Selbstwertes, die andere Person loslassen zu können. Man kann niemanden in sich verliebt machen – und das ist auch gut so. Im umgekehrten Fall würde man sich das ja auch verbitten.“
Welche Signale machen deutlich, dass sie wirklich nicht will?
Hegmann: „Das reicht von ‚Nein‘ bis zur Umschreibung ‚Im Moment wünsche ich mir keine Beziehung‘ oder ‚Lass uns befreundet bleiben.‘ Das sind eigentlich klare Aussagen. Doch ein solcher Rückzug weckt bei manchen Menschen auch das, was landläufig ‚Jagdinstinkt‘ genannt wird: Sie bemühen sich nun erst recht um diese Person. Der Rückzug macht sie sogar noch attraktiver. Der Grund dafür ist keineswegs ein ‚Jagdinstinkt‘, sondern das Ergebnis des individuellen Bindungssystems, das heißt: Einige Personen fühlen sich durch schwer oder nicht erreichbare Personen angezogen. ‚Ich will nur die, die mich nicht wollen‘, sind typische Sätze solcher Menschen. Oder auch: ‚Die mich wollen, die interessieren mich nicht‘. Da geht es nicht um Jagd, sondern um Themen wie Verlustangst und Bindungsangst. Das ist übrigens kein Geschlechterthema, dieses Verhalten haben Frauen ebenso wie Männer.“
Was sollte frau tun, um missverständliche Signale zu vermeiden?
Hegmann: „Im Zweifel nachfragen, ob der Mann verstanden hat, was sie damit sagen wollte. Und nicht aus falsch verstandener Höflichkeit gleichzeitig widersprüchliche Signale senden, also nach so einer Aussprache eine Textnachricht schicken und eine Einladung ins Kino aussprechen oder um einen Freundschaftsdienst bitten. Wer verliebt ist, muss sowas geradezu als Beleg wahrnehmen, dass da ‚vielleicht doch etwas geht‘. Das heißt im Zweifel: Kontaktsperre. Klingt hart, ist aber für den Verliebten oft die einzige Chance, sich klar zu machen, dass er sich keine Hoffnungen machen kann. Damit schließt er dann auch irgendwann ab. Und dieses irgendwann ist schneller da, als wenn man weiterhin zusammen ein Bier trinken geht.“
Wie merken Männer, dass sie möglicherweise in die „Kumpelfalle“ getappt sind?
Hegmann: „Das merken sie sehr schnell. Alle Menschen haben feine Antennen, ob da eine sexuelle Anziehung zwischen ihnen besteht oder nicht. Man muss nur auf sie hören. Es gibt genug Gründe, sie überhören zu wollen: Stolz, gekränkte Eitelkeit, Starrsinn, Übermut, Leichtsinn und vor allem Angst vor einer Ablehnung und Zurückweisung. In der Kumpelfalle bleibe ich ja nur, weil ich es will. Würde ich direkt ansprechen, was da gerade passiert, würde ich erfahren, dass keine Liebesbeziehung entstehen wird. Das will ich aber nicht hören und vermeide das Thema und verbleibe in meiner Komfortzone der vorgeblichen Ungewissheit.“
Warum tut man(n) das? Dient die unerreichbare Angebetete als Projektionsfläche?
Hegmann: „Nein. Das bedeutet vor allem, dass ich insgeheim überzeugt bin, dass ich mir Liebe verdienen muss, dass ich mir Mühe geben muss, liebenswert und liebenswürdig zu sein. Weil dieses Gefühl nicht so angenehm ist, verberge ich die Furcht vor der Zurückweisung in ganz besonderer Kreativität, beispielsweise wie fantasievoll ich die Dates gestalte, welche Geschenke ich mache, wie ich sie umwerbe. Als Belohnung erhalte ich beinahe euphorische Gefühle während dieser Bemühungen. Auch weil sich Mühe geben ja ein durchaus sympathischer und liebevoller Zug ist. Nur eben nicht, wenn das Gegenüber das nicht möchte. Dann ist es kein Bemühen, sondern Belästigung.“
Was sagt es über mich aus, wenn ich nicht locker lasse, obwohl sie nicht will?
Hegmann: „Es ist eine Frage des Selbstwertes. Der Mann versucht ja, sich zu beweisen als potentieller und guter Partner. Klar will jeder in der Kennenlernphase seine positiven Eigenschaften zeigen und vorstellen, doch wer sich seiner wirklich sicher ist, der muss das gar nicht tun. Und genau diejenigen, die diese Selbstsicherheit authentisch ausstrahlen, wirken attraktiv und anziehend. Wer bedürftig wirkt und verzweifelt, der strahlt einfach nicht diesen Optimismus und die Lebensfreude aus, die Menschen in einem zukünftigen Partner erhoffen.“
Kann auch eine gewisse Form von Masochismus eine Rolle spielen?
Hegmann: „Eher nicht nach meiner Erfahrung, vielleicht in einigen Fällen, aber es geht vor allem um Verlustangst, also das Bestreben eine Verbindung einzugehen und zu halten, und in einigen Fällen ebenso um unbewusste Bindungsangst, also das Begehren einer unerreichbaren Person, mit der eine Beziehung gar nicht möglich ist – weil man bei der alles geben kann, ohne dass die insgeheim gefürchtete Nähe jemals eintreten wird. Manche Männer verstehen aber auch einfach nicht, dass die Frau die Partnerwahl entscheidet. Evolutionär wählen auf diesem Planeten die weiblichen Wesen ihre Partner, außer sie werden zur Wahl gezwungen. Manche Männer denken, sie könnten für die Frau entscheiden. Das hat dann aber weniger mit dem Bindungsverhalten und schon gar nicht mit Masochismus zu tun, das ist Macho-Gehabe.“
Gibt es Persönlichkeitstypen, die eher dazu neigen, sich auf eine hoffnungslose Liebe zu versteifen?
Hegmann: „Es sind Menschen, die oft nach früheren, schmerzhaften Beziehungserfahrungen Formen von Bindungsangst oder Verlustangst entwickelt haben. Das heißt, es ist eine Schutzstrategie, um diese Erfahrungen zu vermeiden oder die Erinnerung an diese Gefühle. Nach der Bindungstheorie sind dies vor allem ängstliche Bindungstypen, dies sind etwa 20 Prozent der Bevölkerung nach Studien wie die von Amir Levine. Nach meinen Beobachtungen nimmt aber seit dem Jahrtausendwechsel diese Zahl zu, denn Menschen haben heute mehr Beziehungserfahrungen als je zuvor und jede Trennung hat Auswirkungen auf den Selbstwert und damit das Bindungsverhalten. Da spielen auch noch andere Faktoren eine Rolle: Es wird Menschen an vielen Stellen eingeredet, dass man um Liebe unbedingt kämpfen müsse. Hier nun eine Grenze zu ziehen, ab wann ist die Bemühung zu viel, fällt daher vielen Menschen, Männern wie Frauen, nicht leicht.“
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