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Neuer "Twilight"-Band: Auch Vampire altern schlecht

Neuer "Twilight"-Band Auch ein Vampir altert schlecht

Die "Twilight"-Saga wurde zum Bestseller. Jetzt schreibt Stephenie Meyer die Liebesgeschichte zwischen Vampir Edward und Schülerin Bella fort - aus Edwards Sicht. Unsere Autorin kann nicht fassen, dass sie mal Fan war.

Elisa von Hof


Als ich mich in den Vampir Edward verliebte, war ich 15.Es passierte auf Seite 61. Gerade war ein Van über den vereisten Schulhofasphalt geschlingert, direkt inBellas Richtung.Doch bevor das Auto sie zermalmen konnte, warf sich Edward vor die Schülerin. Mit seinen Armen schirmte er sie vor dem Auto ab, und eine lässige Handbewegung genügte, um den Wagen zum Stehen zu bringen.

Was. Für. Ein. Typ.

Danach rettete er Bella immer wieder. Vor Vergewaltigern in einer dunklen Gasse, vor Tracker-Vampiren, die sie umbringen wollten. Ein Leben ohne Edward konnte sich Bella im Buch irgendwann nicht mehr vorstellen. Und ich mir auch nicht. Deswegen lag Stephenie Meyers "Bis(s) zum Morgengrauen" immer auf meinem Nachttisch. Ich verlieh es nie.

Vor Freundinnen behauptete ich, dass der Roman über die Liebe zwischen einem Vampir und einer Schülerin gar nicht so toll sei. Nicht, weil es mir peinlich war, dass ich so schwärmte. Sondern, weil ich eifersüchtig war. Ich wollte Edward für mich.Das klappte nicht sonderlich gut: Sechs Jahre lang dominierte das Teenager-Epos "Twilight" Kinocharts und Bestsellerlisten. Alle hatten ihren Edward.

Irgendwann, vielleicht als Teil drei oder vier in die Kinos kamen, zogen andere Bücher neben mein Bett. Der Hype verflog.

Das könnte sich jetzt wieder ändern, zumindest wenn es nach Stephenie Meyer geht. Über ein Jahrzehnt nach Erscheinen des letzten Bandes hat die Autorin einen weiteren Teil der Saga vorgelegt: "Biss zur Mitternachtssonne" erzählt die Geschichte von vorn, aus Edwards Perspektive.

Vampir mit Ritterkomplex und patriarchalen Wertvorstellungen

Meyer hatte sich an dem Projekt schon 2008 versucht. Das erste Kapitel des Bandes stellte die Schriftstellerin auf ihre Website. Weitere Passagen wurden illegal verbreitet. Schließlich verkündete Meyer, ihre Arbeit einzustellen, und lud die Manuskripte, wohl aus Frust, selbst hoch.

Seitdem habe sie an dem Buch geschrieben, sagt sie nun. Sie sei in diesen Jahren eine andere geworden. Sicher trifft das auch auf ihre Zielgruppe zu: Die Teenagerinnen von damals sind mittlerweile (fast) erwachsen. Und die Welt hat sich verändert. Statt für einen 108-jährigen Vampir mit Ritterkomplex und patriarchalen Wertvorstellungen schwärmen wir für den Schauspieler Timothée Chalamet. Oder nicht?

Meyers neuer Roman folgt der bekannten Handlung detailgenau: Bella zieht in die regenreiche Kleinstadt Forks in den Norden der USA, wo sie Edward trifft. Gleich bei ihrer ersten Begegnung in der neuen Highschool stellt der Vampir fest, dass sie der erste Mensch ist, dessen Gedanken er nicht lesen kann. Und dass sie für ihn so köstlich duftet, dass er sich ziemlich zusammenreißen muss, um nicht sofort ihre Venen anzuzapfen.


Dass er sich in der ersten gemeinsamen Bio-Stunde allerdings deutlich ausmalt, wie er das am besten anstellen könnte, erfährt man erst jetzt. Und so geht es weiter: Hinterließ Bellas Ich-Perspektive Lücken, füllt Meyer sie nun aus Edwards Sicht auf. Die Schriftstellerin hat ihre eigene Fan-Fiction verfasst.

Leider ist die dann nicht besonders spannend - weil der ursprüngliche "Twilight"-Plot ohnehin nicht viel Raum zum Fantasieren ließ. Weil die meisten Fans die Geschichte mitsprechen können. Und weil Meyer sie noch mal auf 840 Seiten ausgewalzt hat. In schlichter Sprache und mit zu vielen rhetorischen Fragen suhlt sich Edward seitenlang in Selbstmitleid, sinniert über sein Schicksal als Vampir, seinen ständigen Durst und den damit verbundenen Selbsthass, seine Gefühle für Bella, die zwischen Begierde, Liebe und Obsession oszillieren.

Mitunter scheint es, als wolle die Mormonin Meyer nun endlich den Vorwurf entkräften, zu zahm und enthaltsam über Teenager zu schreiben. Zum Sex kommt es natürlich aber nicht, Fans wissen: Bella und Edward heiraten erst in Teil vier.

Vielleicht liegt es an der #MeToo-Debatte um Gewalt und Machtmissbrauch und an den Diskussionen um Emanzipation und Gleichberechtigung, die seit den letzten Bänden stattfanden, dass dieser Antiheld nicht mehr besonders gut wegkommt: Meyer wollte ihn offenbar weiterhin als kultivierten, klugen, nachdenklichen Vampir anlegen, in dessenmuskulöse Arme sich Tausende Teenager träumten. Auf die Leserin wirkt er aber unterm Strich wie ein gewaltbereiter, impulsiver Stalker mit Hang zum Blutrausch.


Nicht anders steht es um Bella. Mit ihr erschuf Meyer eine möglichst anschlussfähige Protagonistin für ihre Zielgruppe: schüchtern, verträumt, belesen, ungeschickt, freundlich.

Wer auf sie als Erwachsene und durch Edwards Augen blickt, erschaudert darüber, wie gleichgültig sie den eigenen Tod einkalkuliert: Gesteht ein mordlustiger Vampir mit übersinnlichen Fähigkeiten, dass er sie stets verfolgt, lächelt sie. Erklärt er, dass der Geruch ihres Blutes ihn berauscht wie eine Droge, hält sie es für ein Kompliment. Weicht er vor ihr zurück, weil er sich kaum beherrschen kann, sie nicht umzubringen, bittet sie um Entschuldigung. Ihr Begehren speist sich aus dem Begehrtwerden, ihr Selbstwert aus seiner Betrachtung, ihr Leben aus seiner Liebe. Und ihr Tod aus seiner Gier.

Dass ich mir als Teenager auch einen Vampir wünschte, der ohne mein Wissen in mein Zimmer einsteigt, um mich beim Schlafen zu beobachten (!) - das ist mir heute als29-Jährige nicht nur unverständlich. Es jagt mir Angst ein, dass ich das mal war.

Liest man "Biss zur Mitternachtssonne", erfährt man also wenig Neues. Aber viel über sich selbst und darüber, wie die Liebe nicht sein sollte. In Bellas unbedingtem Wunsch zu gefallen und ja keine Unannehmlichkeiten zu bereiten, in ihrer Sehnsucht nach starken Armen, in ihrer Opferbereitschaft und Passivität spiegelt sich eine Kriecherei vor dem Leben, die ich meinem 15-jährigen Ich nicht wünsche. Ihm würde ich sagen: Warte nicht, dass du gerettet wirst. Und: Verfolgt dich ein liebeshungriger Vampir - dann lauf!



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