Matthias Brandt über das Scheitern als Teil der Kunst
Matthias Brandt bringt Robert Schumanns Krankenakte auf die Bühne. Ein Gespräch über Musik und Abschiede.
Elisa von Hof
Mit seelischen Abgründen beschäftigt er sich gern: Im „Polizeiruf 110" und in „Babylon Berlin" jagt Matthias Brandt Kriminelle, jetzt bringt er die Nöte des Komponisten Robert Schumann auf die Bühne. Am heutigen Mittwoch werden Brandt und Musiker Jens Thomas die „Krankenakte Robert Schumann" im Berliner Ensemble zeigen.
Matthias Brandt: Er und seine Musik sind mir lange fremd gewesen. Nimmt man etwa Beethoven zum Vergleich, das sind in sich geschlossene, nahezu perfekte Kunstwerke. Bei Schumann hat man das Gefühl, dass er mit seiner Kunst nie fertig geworden ist. Erst als ich vor einigen Jahren den Rattle-Zyklus in der Berliner Philharmonie gehört und mich dann mit seiner Biografie beschäftigt habe, bin ich ihm nähergekommen. Dann habe ich verstanden, dass seine Musik vermutlich so in sich zerrissen ist wie er. Er ist eine komplexe, spannende Persönlichkeit.
Gründe, um verrückt zu werden, gibt es ja immer. Häufig ist ja die interessantere Frage: Warum werden Menschen nicht verrückt? Seine Spaltung und die Zerrissenheit, sich nicht entscheiden zu können, sind mir nicht fremd. Mit dieser Phase beschäftigen wir uns auch auf der Bühne. Wir fragen uns: Wie ist das, wenn ein so begabter, leidenschaftlicher Mensch seine eigene Kunst vergisst?
Wir suchen jeden Abend wieder nach ihr. Denn wir improvisieren ja, bloß Anfang und Ende unseres Programms stehen fest.
Die Gefahr zu scheitern besteht immer. Sie ist Teil der Kunst. Ich finde alles, was diese Möglichkeit ausschließt, sehr langweilig. Dass Scheitern natürlich nicht angenehm ist, steht auf einem anderen Blatt. Gelingen ist schöner.
Genau. Das ist eine Geschichte über das Scheitern an den eigenen Ambitionen. Das tat weh. In dem Moment auf dem Platz dachte ich, ich könnte etwas. Und diese Haltung habe ich zurückgekriegt wie einen Bumerang. Man darf nie denken, dass man etwas wirklich beherrscht.
Jeder entwickelt seine eigene Strategie, um damit zurechtzukommen, dass wir nie wissen, ob uns etwas gelingt. Das halte ich für eine legitime Form der Autosuggestion. Aber meine ist es nicht. Ich glaube, dass das Akzeptieren des Zweifels ergiebiger ist.
Die für Musik. Sie bedeutet mir wahnsinnig viel. Ich kann mir vorstellen, auf vieles zu verzichten, aber nicht auf Musik. Fußball gliedere ich als einen skurrilen Teil meiner Persönlichkeit aus. Das ist ein Wahn, eine Obsession, über die ich nicht Herr bin und für die ich nichts kann (lacht).
Nein, sie ist eine gewollte Obsession. Musik durchdringt alle meine Lebensbereiche.
Das kann ich nicht beantworten, weil ich es sofort bereuen würde. Ich hätte das Gefühl, einer anderen Platte unrecht zu tun. Dann würde ich heute immer wieder bei Ihnen anrufen und Ihnen neue Platten nennen. Denn mein Spektrum ist groß: Ich höre alles von klassischer Musik und Jazz bis Rammstein.
Genau, das geht mir mit vielen Titeln so. In der Pubertät dienen Songs ja auch als Gefühlsverstärker, wie Glutamat für Emotionen. Als ich mit Christian Petzold einen „Polizeiruf" gedreht habe, kam darin ein Lied vor, mit dem wir beide ähnliche Erinnerungen verknüpfen: 10 CC's „I'm not in Love". Das hat uns beide in die 70er-Jahre zurückversetzt, in der Musik ausgedrückt hat, was man selber nicht konnte.
Schön. Ich bin mit einem guten Gefühl vom Set weggegangen.
Wenn ich eine Arbeit mache, dann weiß ich, dass die irgendwann zu Ende geht. Als ich 2010 angefangen habe beim „Polizeiruf", habe ich gedacht: Ich erfinde eine Figur, die eh irgendwo schon so existiert. Eine Zeit lang war halt eine Kamera dabei und wir konnten Hanns von Meuffels beim Leben zugucken. Jetzt ist er wieder aus dem Bild verschwunden und macht woanders weiter. Vielleicht meldet er sich mal bei mir.
Ja. Meine eigenen Filme zu sehen ist für mich immer ein zweifelhaftes Vergnügen. Weil ich eigentlich die ganze Zeit denke: „So sieht das aus? Ich habe doch eigentlich was ganz anderes gewollt." Aber bei dieser Folge nicht. Ich mochte sie.
Ja. Ich glaube, dass sie im künstlerischen Rahmen nichts Förderliches ist.
Nein, aber ich wollte dieser Gefahr vorbeugen. Es hat mich nicht unberührt gelassen, so häufig eine Rolle zu spielen. Man muss darauf achten, dass man die Automatismen dieser nicht in andere Rollen mit hineinnimmt. Und zu Beginn hatte ich mir eine Zeitspanne gesetzt, das absolute Maximum meines Vorstellungsvermögens, und das war nun einfach erreicht.
Berliner Ensemble, Bertolt-Brecht-Platz 1, Mitte. „Krankenakte Robert Schumann" heute, 20 Uhr. „Psycho" mit Matthias Brandt und Jens Thomas: 16.01., 20 Uhr.
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