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Lauter Freunde

Tränen der Rührung: Israels Sport- und Kulturministerin Miri Regev bei ihrem ersten Besuch in Abu Dhabi, hier in der Scheich-Zayid-Moschee. (Foto: picture alliance/AP)


Israels Premier zelebriert sein gutes Verhältnis zu Trump und Putin - und zu einigen arabischen Ländern.

Ein kleines Land, umzingelt von unberechenbaren Feinden, diese Sicht ist in der israelischen Gesellschaft bis heute tief verankert. Auch der frühere Verteidigungsminister Ehud Barak griff dieses Bild bereits vor Jahren auf und wird bis heute damit zitiert. Israel sei die "Villa im Dschungel", ein hochmodernes Biotop, umgeben von Chaos, Kriegen, Diktaturen, sagte er. Umso wichtiger ist vielen Israelis der Rückhalt durch Verbündete außerhalb der Region. Und den hat sich Premier Benjamin Netanjahu wie kaum ein anderer vor ihm gesichert. Er suchte Verbündete im Kampf gegen das vermeintliche Schreckensszenario einer linken Regierung - und reihte sich ein in eine Riege neuer rechtspopulistischer, aber auch ultrarechter Politiker. Er nannte sie Freunde, Vertraute, bemühte sich stets darum die Gemeinsamkeiten zu betonen.

Im vergangenen Februar empfing er etwa Ungarns rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán (ein "wahrer Freund Israels") und bedankte sich bei ihm für die Eröffnung einer Außenhandelsvertretung in Jerusalem. Die Hetzkampagne von Orbáns Partei gegen den aus jüdischer Familie stammenden Investor George Soros blendete Netanjahu aus. Kurz vor der Wahl empfing er zudem Brasiliens ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro und reiste dann nach Moskau zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, um die enge diplomatische und geheimdienstliche Zusammenarbeit beider Länder zu betonen.

Das engste Verhältnis pflegt Netanjahu allerdings zu US-Präsident Donald Trump. In kürzester Zeit heimste Netanjahu ein Zugeständnis nach dem anderen ein. Erst verkündete Trump Ende 2017 die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem, de facto eine Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels; dann akzeptierte Trump Israels Souveränität über die annektierten Golanhöhen; schließlich stufte er die von Israel gefürchteten iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation ein. Netanjahus Wunschliste schien kurz vor der Wahl weitgehend abgehakt zu sein. Er konnte damit die Botschaft senden: Wenn ihr mich wählt, dann sind wir da draußen gut aufgestellt.

Der gemeinsame Gegner Iran hat Israel und arabische Staaten zusammengeführt

Sogar im Umgang mit den arabischen Nachbarn konnte Netanjahu Erfolge verbuchen. Zwar riefen Trumps Zugeständnisse an Israel regelmäßige Kritik aus der Arabischen Liga hervor, doch Netanjahu kalkuliert diese mit ein und setzt stattdessen auf gemeinsame Feinde. Obwohl es keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu arabischen Ländern gibt - mit Ausnahme von Jordanien und Ägypten -, schaffte es Netanjahu, über die seit Jahren bestehende Geheimdiplomatie mit Ländern wie Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) hinauszukommen. Geholfen hat ihm dabei der gemeinsame Erzfeind Iran. Erst vergangenen Februar trafen sich Israel und die arabischen Staaten in einer Nahostkonferenz in Warschau, um - wie Netanjahu sagte - über "unser gemeinsames Anliegen eines Krieges mit Iran" zu sprechen. Diese Formulierung relativierte er später. Unter den Teilnehmern waren die Außenminister von Bahrain, Jemen und der VAE. Netanjahu sprach von einem "historischen Wendepunkt".

Antrieb ist vor allem die Wut über das Wiener Atomabkommen von 2015, in dem Teheran sich zu Beschränkungen seines Atomprogramms verpflichtete und im Gegenzug Sanktionen gelockert wurden, aber auch die regionale Einflussnahme Irans, etwa in Syrien, in Libanon oder im Irak. Den wohl mächtigsten Verbündeten hat Netanjahu im saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman gefunden. Im April 2018 sprach der Kronprinz den Israelis das Recht auf ihr eigenes Land zu und öffnete seinen Luftraum für erste zivile Flüge zwischen Indien und Tel Aviv.

Netanjahu schaffte es mit seinem Anti-Iran-Kurs, das Augenmerk der Araber weg von der Palästinenserfrage zu lenken. Ob das auch weiterhin gelingt, etwa wenn Netanjahu sein Wahlversprechen zur Annexion des Westjordanlandes einlöst, ist fraglich. Doch der Pragmatismus könnte überwiegen, bei vielen arabischen Führern herrscht mittlerweile der Konsens, dass die Palästinenserfrage unlösbar ist. Dennoch versuchen sie, den Schein zu wahren, und behalten die Annäherung an Israel eher für sich - im Gegensatz zu israelischen Likud-Politikern, die die neue Reisediplomatie über alle Medienkanäle verbreiten. Im vergangenen November vergoss Sportministerin Miri Regev Tränen, als der israelische Judoka in Abu Dhabi siegte - und die israelische Nationalhymne erklang. Wenige Tage später besuchte Netanjahu den omanischen Sultan Qabus. Das vermarktbare Bild dazu: Netanjahu und Qabus betrachten aufmerksam eine Landkarte. Sie sprachen über Pläne für eine Bahnlinie, die Israels Mittelmeerhafen Haifa über Jordanien und Saudi-Arabien mit Muskat verbinden soll.

Ein weiteres Anzeichen dafür, dass die Isolation der "Villa im Dschungel" längst aufgebrochen ist.

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