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Fight Club: Kult-Film mit Brad Pitt und Edward Norton wird 20 - DER SPIEGEL - Geschichte

Fingergelenke knacken erwartungsvoll, als Tyler Durden (Brad Pitt) die Männermeute im düsteren Kellergewölbe begrüßt: "Willkommen im Fight Club!" Einer zieht seinen Gürtel aus, ein anderer streift den Ring vom Finger. "Die erste Regel des Fight Club lautet: Ihr verliert kein Wort über den Fight Club. Die zweite Regel des Fight Club lautet: Ihr verliert KEIN WORT über den Fight Club!" Nervöses Gelächter geht durch die Reihen, während er die weiteren Regeln erklärt: Kein Zeitlimit, Kampf bis zum K.o. oder Abklopfen. Nur ein Kampf auf einmal. Keine Hemden oder Schuhe. Und vor allem: "Wer neu ist im Fight Club, muss kämpfen!"

Begeistert dreschen sie aufeinander ein, die Kellner, Büroarbeiter, Versicherungsfachangestellten, die immer wieder am Feierabend in diesem dunklen Keller auf Sinnsuche gehen. Indem sie sich prügeln, bis Blut fließt, und am nächsten Morgen wieder zur Arbeit gehen. Mit lädierten Gesichtern - aber zufriedener.

Im Oktober 1999 kam "Fight Club" in die Kinos - ein Film über einen namenlosen Mann (Edward Norton), der an der Sinnlosigkeit seines biederen Lebens zu zerbrechen scheint, bis er den so charismatischen wie gefährlichen Seifenhändler Tyler Durden trifft. Der führt ihn ein in eine Welt der illegalen Faustkämpfe und anarchischen Streiche, die immer mehr zum Terrorfeldzug gegen die Konsumgesellschaft ausarten. Bis der Namenlose zu ahnen beginnt, dass Durden nicht ist, wer er zu sein scheint.

Seine düstere Ästhetik und gesellschaftskritische Aussage machten "Fight Club" zu einem der größten Kultfilme der Neunzigerjahre. Auch wenn der Film zunächst auf der großen Leinwand floppte und erst als DVD ein Erfolg war, sind bis heute viele Zitate und Bilder des Films so allgegenwärtig wie seine Message umstritten. War es ein Statement zur Krise der Männlichkeit? Ein breitbeiniges Testosteronspektakel? Oder eine pechschwarze Konsum-Satire?

Was immer "Fight Club" zu einem solchen Phänomen machte, fest steht: Sein Autor hatte diesen Erfolg nicht ahnen können.

Pornoschnipsel in Familienfilmen

Chuck Palahniuk hatte einen ziemlich entsetzlichen Sommerurlaub hinter sich, als ihm Mitte der Neunzigerjahre die Idee zu "Fight Club" kam: Er war in eine Schlägerei geraten und hatte ordentlich einstecken müssen. Mit einem dicken blauen Auge kehrte er an seinen Arbeitsplatz zurück - und war fassungslos, dass absolut niemand ihn auf seine offensichtliche Verletzung ansprach. Man könnte also ein Doppelleben führen, dachte Palahniuk, solange man nur so lädiert zurückkehrt, dass sich keiner traut, nachzufragen.

Der ehemalige Journalist arbeitete zu dieser Zeit bei einer Truckfirma und schrieb Reparaturanleitungen. Aber an einem Nachmittag nach diesem Sommer setzte er sich hin und verfasste eine siebenseitige Kurzgeschichte über einen Abend in einem illegalen Kampfklub, "Fight Club". Sieben Seiten, weil sein Schreiblehrer, Tom Spanbauer, einmal gescherzt hatte, das sei die perfekte Länge für eine Kurzgeschichte. Palahniuk verkaufte die Geschichte zur Veröffentlichung in einem Sammelband namens "The Pursuit of Happiness" - für 50 Dollar.

Doch er spürte, dass die anarchische Idee noch ausbaufähig war. Um den Kern der Kurzgeschichte arrangierte Palahniuk Anekdoten über Grenzüberschreitungen, die ihm Freunde und Kollegen erzählt hatten. Etwa die Story von Mike, der Pornoschnipsel in Familienfilme schnitt. Oder die von Geoff, der als Kellner in die Suppe pinkelte. Am Ende gab es genug kleine Storys für ein Buch über einen namenlosen Spießbürger, der in völliges Chaos abdriftete, das er 1996 für 6000 Dollar Vorschuss verkaufte.

5000 Exemplare hatte die erste Auflage. Es dauerte Jahre, bis sie verkauft waren. Bei der ersten Lesereise durch Seattle, Portland und San Francisco, so erinnert sich Palahniuk im "Fight Club"-Nachwort, "waren nie mehr als drei Leute anwesend. Die Buchverkäufe deckten nicht mal die Kosten für die Minibar-Getränke auf meinem Hotelzimmer." Doch das sollte sich bald ändern.

Gesellschaftssatire zum Mittanzen

Und zwar, als das Buch den Produzenten Ross Grayson Bell and Joshua Donen in die Hände fiel. Für 10.000 Dollar sicherten sie sich die Rechte, obwohl Bell in "BEST. MOVIE. YEAR. EVER.: How 1999 Blew Up the Big Screen" von Brian Raftery zugibt: "Ich wusste nicht, wie man daraus einen Film machen sollte. Aber vielleicht gab es ja irgendjemanden, der das wusste."

Dieser Jemand war David Fincher, Regisseur von "Sieben" (1995) und "The Game" (1997). Er entwickelte das Skript mit Drehbuchautor Jim Uhl. Sie fügten ein spektakuläres Finale hinzu, in dem nicht nur wie im Buch die Welt des Erzählers im Chaos, sondern auch einige Wolkenkratzer in Schutt und Asche enden.

Der Coup von Fincher bestand jedoch darin, einen der größten damaligen Filmstars anzuheuern: Brad Pitt. Der drehte gerade die Romanze "Rendezvous mit Joe Black" und hatte mit Fincher schon bei "Sieben" zusammengearbeitet. Mit Edward Norton sollte er in der "Fight Club"-Verfilmung ein kongeniales Duo bilden. Wochenlang hingen Pitt, Norton, Fincher und der als Script-Doktor angeheuerte Andrew Kevin Walker gemeinsam ab und heckten zusätzliche Ideen für den Film aus.

Fincher und Norton wollten eine Satire machen, waren sich jedoch oft uneinig, wie offensichtlich das in einzelnen Szenen sein sollte. Das führte zu vielen Debatten am Set, trieb aber beide zu Höchstleistungen an. Der Look, der Schnitt, der Rhythmus, alles passte, dazu der Soundtrack von den Dust Brothers, die unter anderem Alben von den Beastie Boys und Beck produziert hatten.

Die Premiere auf dem Venedig-Filmfestival im September 1999 rief gemischte Reaktionen hervor, zudem wussten die Marketingleute bei Fox wenig damit anzufangen. "Männer wollen Brad Pitt nicht ohne Shirt sehen. Dann fühlen sie sich schlecht. Und Frauen wollen nicht sehen, wie er blutet. Also ich weiß nicht, für wen sie den Film gemacht haben", bekam Fincher von einem Marketingexperten zu hören. So floppte der Film im Kino. Er kostete 65 Millionen Dollar und spielte in den USA nur 37 Millionen ein.

Knochenbrüche im Jugendcamp

Erst auf DVD entwickelte sich der Film zum Erfolg. Sechs Millionen Exemplare verkaufte Fox. In vielen Zimmern von Kerlen zwischen 15 und 35 hingen bald die "Fight Club"-Poster. Viele begnügten sich mit dem heimlichen Gedanken, mal jemandem in die Suppe zu pinkeln oder die Fresse zu polieren. Andere gründeten tatsächlich ihren eigenen Fight Club.

Das war alles in der Realität viel weniger spektakulär: Wenn sich etwa im "Silicon Valley Gentleman's Fight Club" Softwareentwickler und Datenanalysten alle paar Wochen auf Einladung mal prügelten, um sich für eine Nacht wie ein Superheld zu fühlen, wie sie "Associated Press" sagten. Als Gesichtsschutz waren Fechtmasken erlaubt, dafür durften die Teilnehmer auch zu Waffen wie Tennisschlägern greifen. Die Polizei schritt nie ein, weil die Kämpfe auf privatem Gelände einvernehmlich zwischen Erwachsenen stattfanden.

Anders lief es ein paar Jahre nach dem Film in einem Camp der Jugendorganisation "4 H" in Virginia ab. Dort zwangen jugendliche Betreuer jüngere Teilnehmer des Camps zu Kämpfen und schlossen sogar Wetten auf sie ab. Die anderen Kinder mussten jeweils einen Dollar Eintritt zahlen. Entdeckt wurden sie erst, als Eltern ihre Kinder abholten und diese blaue Augen, Prellungen und sogar teilweise Knochenbrüche hatten. Die drei 15 bis 16 Jahre alten Betreuer wurden in 58 Punkten angeklagt.

Selbstentfaltung im Chaos

Das alles nur wegen eines Buchs? Nach jeder seiner Lesungen, schreibt Chuck Palahniuk im Nachwort der "Fight Club"-Taschenbuchausgabe, werde er gefragt, wo denn in der Gegend der nächste Fight Club zu finden sei. Die Kämpfe, die Gewalt, das sei in seiner Erzählung nur Nebensache gewesen. In der Geschichte, so sagt er, gehe es darum, jeden einzelnen Menschen dazu zu ermächtigen, sein Potenzial und seine Fähigkeiten zu erkennen und zu erreichen, was auch immer er in der Welt erreichen wolle.

Wie hätte er ahnen sollen, damals, als er die sieben Seiten für 50 Dollar verkaufte, dass viele Fans des "Fight Club" dessen Regeln auch noch mehr als 20 Jahre später auswendig zitieren können? Auch wenn die meisten dabei wohl eher Brad Pitt als Chuck Palahniuk vor Augen haben, wie der Autor feststellen musste. Als er einmal bei einer Touristentour namens "Haunted Tunnel" in Portland teilnahm, zitierte der Guide gerade die ersten beiden Regeln: "Du sprichst nicht über die "Haunted Tunnel Tour"!

Palahniuk tippte ihm auf die Schulter: "Ich habe das Buch geschrieben, 'Fight Club'."

Der Guide staunte: "Es gab ein Buch?"

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