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Im Ruhrgebiet soll die größte Boulderhalle der Welt entstehen - WELT

Bouldern hat sich als Massensport durchgesetzt. Mehr als eine Million Anhänger hat der Klettersport in Deutschland. Es erfordert Kraft, Körperspannung und viel Kreativität - und wird immer beliebter.

Felix Würtz greift mit beiden Händen nach dem blauen, halbkreisförmigen Stein. Seine Beine stemmt der 23-Jährige auf die kleinen Tritte darunter. Mit Kraft und Körperspannung hält sich der Athlet an der Wand. Nun greift er nach dem nächsten Stein und schwingt sich Zug um Zug die Holzwand empor. Rechts, links, rechts, links - und er ist oben. Am letzten Stein der Route, dem Top, in knapp vier Metern Höhe, verharrt er für einen Moment. Dann lässt er sich auf die weiche Matte am Boden der Dortmunder Boulderwelt fallen.

Die Boulderwelt, mitten in einem Gewerbegebiet in der Ruhrgebietsstadt, ist aktuell die größte Halle ihrer Art in Europa. In NRW gibt es mittlerweile in vielen Städten Boulderhallen. Ein prominentes Beispiel ist der Boulderplanet in Köln, wo schon Jan Hojer, einer der besten deutschen Sportkletterer, Routen zusammengeschraubt hat. In Duisburg eröffneten im vergangen Jahr gleich zwei neue Hallen: das Einstein und das Monkeyspot. Und viele Seilkletterhallen besitzen Boulder-Bereiche, wie etwa die Kletterwelt Sauerland, wo es sogar eine separate Boulderhalle gibt.

Bouldern ist eine Variante des Klettersports. Der Begriff stammt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „Felsblock". Geklettert wird ohne Seil und Gurt an Felsblöcken, Felswänden oder an künstlichen Kletterwänden in Absprunghöhe - also einer Höhe, in der das Risiko von Verletzungen verhältnismäßig gering ist. Bouldern erfordert Kraft, Körperspannung und viel Kreativität - und wird immer beliebter.

Felix Würtz ist vor zwei Jahren mit dem Sport in Kontakt gekommen. „Mein bester Freund hat mich gefragt, ob wir mal zusammen zum Bouldern gehen können", sagt er. „Dabei hat es mich total gepackt." Das Schöne sei, dass er immer wieder aufs Neue überlegen müsse, wie er einen Boulder angehen könne. „Es ist der Mix aus Nachdenken und der Bewegung, der mich so fasziniert. Der Sport trainiert den ganzen Körper."

Als Boulder bezeichnen die Sportler die einzelnen Routen, die nach Schwierigkeitsgraden eingeteilt sind. In der Regel staffeln sie sich nach der sogenannten Fontainebleau-Skala von 2a bis 8c+, wobei Zahlen und Plus-Zeichen kleinere Abstufungen darstellen. In der Boulderwelt Dortmund, wie in vielen Hallen üblich, ist die Skala in Bereiche unterteilt, die farblich gekennzeichnet sind. Blau ist etwa schwerer als grün und rot schwerer als blau.

Dabei ist ein Boulder im Grunde nichts anderes als ein Bewegungs-Puzzle, das die Athleten mit ihrem Kopf und Körper lösen müssen. Das unterscheidet Bouldern auch vom Seilklettern, wo es zwar auch schwierige Passagen gibt, aber die Bewegungsabläufe sanfter sind und der Fokus etwas stärker auf der Ausdauer liegt.

In Deutschland sollen mehr Boulderhallen entstehen

Dass der Sport aktuell im Trend liegt, lässt sich auch an den Zahlen des Deutschen Alpenvereins (DAV) ablesen. Während es 1989 gerade mal 20 Kletterhallen in Deutschland gab, waren es 2018 etwa 500. „Zwischen 2000 und 2010 wurden deutschlandweit durchschnittlich 18 Anlagen pro Jahr eröffnet, nach 2010 sogar durchschnittlich 24 Anlagen", heißt es beim DAV. Dabei wachse gerade die Zahl der Boulderhallen in den vergangenen Jahren stärker als die der Seilkletterhallen. Aktuell gibt es in Deutschland 157.395 Quadratmeter Boulderfläche. Die Fläche wächst zurzeit um rund 10.000 Quadratmeter pro Jahr.

Die Boulderwelt in Dortmund sticht dabei mit ihren mehr als 1400 Quadratmetern Kletterfläche und insgesamt 3250 Quadratmetern hervor. „Für eine Boulderhalle ist das sehr groß", sagt Geschäftsführer Sebastian Oppelt. Seine erste Halle eröffnete er vor rund zehn Jahren in München. Mittlerweile betreibt er Anlagen in Regensburg, Frankfurt am Main und eben jene in Dortmund. Und die Halle im Ruhrgebiet, die er erst im April eröffnet hat, soll vielleicht bald noch größer werden. Geplant sind weitere 1000 Quadratmeter Kletterfläche. Dann könnte sie sogar zur größten Halle der Welt werden.

Die Entscheidung über den Ausbau soll Mitte 2020 fallen, wenn der Betreiber weiß, wie gut die Menschen die Halle im Ruhrgebiet annehmen. Konkrete Besucherzahlen nennt die Boulderwelt nicht. Und die Halle genießt in der Kletter- und Boulder-Szene schon einen hohen Bekanntheitsgrad. Nicht zuletzt auch, weil der DAV dieses Jahr die deutschen Bouldermeisterschaften an der 4, 50 Meter hohen Wettkampfwand austragen ließ.

Nächstes Jahr ist Bouldern dann neben anderen Modi des Wettkampfkletterns erstmalig bei Olympia in Tokio dabei, wovon sich Boulderwelt-Chef Oppelt weiteren Zulauf für den Sport verspricht. „Man spricht von Trendsport, aber aus unserer Sicht sind wir längst im Breitensport angekommen", sagt er. Seinen Sport vergleicht er mit Fahrradfahren. „Es sind sehr natürliche Bewegungen, und man kann den Sport bis ins hohe Alter machen." Und die Zahlen des DAV geben ihm recht: Aktuell zählt der DAV mehr als eine Million Mitglieder, wovon laut einer Vereins-Befragung 20 Prozent regelmäßig bouldern. Hinzu kommt, dass gerade in der Boulder-Szene längst nicht jeder Sportler Mitglied beim DAV ist.

Der stetige Zuwachs hat aber seinen Preis: Rund 65 Prozent aller Kletter-Verletzungen passieren laut DAV beim Bouldern. Der Einstieg ist zwar recht leicht, weil es außer Kletterschuhen und Sportkleidung nicht viel braucht, aber dadurch entfällt auch oft die Ausbildung, die beim Seilklettern alleine wegen der Sicherungsgeräte zwingend ist. Deswegen hat der DAV Boulderregeln herausgegeben. Sie sollen helfen, Unfälle zu vermeiden. Das beginnt beim richtigen Aufwärmen und endet mit Tipps für sicheres Fallen.

Verändert hat sich aber noch mehr. Noel Müller, der an diesem Samstag zum ersten Mal in der Boulderwelt ist, ist schon lange in der Szene aktiv. Der 35-Jährige klettert seit rund 20 Jahren, doch erst 2005 hat er mit dem Bouldern angefangen. Damals eröffnete in Essen mit dem Citymonkey eine der ersten Boulderhallen in Deutschland. „Durch Olympia ist mittlerweile ein großer Boom entstanden", sagt er. Früher sei es so gewesen, dass sich jeder in der Halle kannte, „heute ist es zum Breitensport geworden". Aber das große Angebot hat aus seiner Sicht auch Vorteile. Die Hallen geben sich mehr Mühe, schöne Routen in die Wände zu bauen.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.
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